„Es gibt kaum etwas, das wir nicht können“
Autorin: Michaela Schellner
retailreport.at: So kurz vor dem Jahreswechsel bietet es sich in der Regel immer gut an, Bilanz zu ziehen. Die vergangenen beiden Jahre waren für die Branche sehr herausfordernd. Wie fällt Ihr Resümee aus?
Walter Scherb: Die letzten zwei Jahre waren sicher speziell und in vielen Belangen eine Herausforderung. Dass wir unseren Umsatz in Summe dennoch stabil halten konnten, ist jedenfalls ein Erfolg, denn die Ausfälle der Gastronomie durch die wiederholten Lockdowns haben sich auch bei uns bemerkbar gemacht. Den ausgeprägtesten Effekt haben wir bei Gasteiner Mineralwasser verzeichnet, da die Marke vor allem in der Gastronomie einen erheblichen Marktanteil abdeckt, was sich durch die Gastroschließungen negativ auswirkte. Die in der Unternehmensgruppe einzigartige Bündelung eines breiten Produktsortiments und unterschiedlichster Produktionstechnologien gibt uns jedoch die nötige Flexibilität, Schwankungen ausgleichen zu können.
Können Sie die angesprochene Breite des Sortiments etwas genauer schildern?
Alle unsere drei Standorte in Attnang-Puchheim, Bad Gastein und Tenneck betrachtet, läuft pro Tag die unglaubliche Menge von drei Millionen Stück Produkte von unseren Bändern. Nach einer kurzen Zwischenstation in unserem seit Kurzem um 14.000 auf 34.000 state-of-the-art Stellplätze erweiterten Hochregallager werden diese an aktuell mehr als 260 verschiedene Kunden in 24 Ländern der Erde ausgeliefert. In Summe produzieren und verkaufen wir mittlerweile knapp 2.200 verschiedene Artikel in den drei Divisionen Getränke, Süß- und Backwaren sowie süße und saure Produkte.
Wie schwierig ist es, bei dieser Vielfalt nicht den Überblick zu verlieren und nicht Gefahr zu laufen, die falschen Schwerpunkte zu setzen?
Bei Spitz sagen wir sehr oft „Es gibt kaum etwas, das wir nicht können“. Neukunden, die erstmals eine umfassende Sortimentspräsentation und unsere Anlagen sehen, können das bestätigen. Nichtsdestotrotz versuchen wir uns auf Basis der identifizierten Marktchancen, unserer vorhandenen Kapazitäten und des internen Know-Hows auf drei bis fünf Kategorien pro Division zu fokussieren, die wir proaktiv vorantreiben.
Obwohl wir eine gesamtunternehmerische Betrachtung und Herangehensweise haben, ist mir wichtig, dass jede der drei Divisionen – abgeleitet von der übergeordneten Gesamtstrategie - ihre eigene Strategie entwickelt und in diesem Prozess Fokuskategorien festlegt. Das ist die Basis für unsere unternehmerischen Entscheidungen.
Auf welche Ihrer Marken sind Sie besonders stolz?
Gasteiner und Auer sind die stärksten unserer eigenen Marken und machen ca. zwei Drittel des Umsatzes von Alpine Brands, mit der wir ca. 10 Prozent des Gruppenumsatzes erwirtschaften, aus. Aber auch im übrigen Alpine Brands-Sortiment nennen wir Produkte unser Eigen, die aus den Regalen nicht wegzudenken sind. Die Blaschke Kokoskuppel beispielsweise ist unangefochtener Marktführer und seit Jahrzehnten Garant für einzigartigen, süßen Genuss. Stolz bin ich aber auch auf die Entwicklung der Marken Honigmayr, Goal und Puchheimer.
Sie haben gerade Ihre neue Tochtergesellschaft Alpine Brands angesprochen, die 2021 gegründet wurde und wo seither das Markenportfolio gebündelt ist. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden und was erwarten Sie sich in Bezug auf die Geschäftsentwicklung konkret davon?
Die organisatorische Ausgliederung des Markengeschäfts in eine eigene Gesellschaft hatte in erster Linie Fokussierungs- und Abgrenzungsgründe. Wir waren bei Spitz immer damit konfrontiert, einerseits ganz klar einer der größten Private-Label-Hersteller und Industriepartner im B2B-Bereich zu sein und andererseits unsere eigenen Premiummarken aus der Gasteiner-, Auer-, Blaschke-, Honigmayr-Range zu positionieren und zu distribuieren. Intern war die Abgrenzung bereits in der Vergangenheit gut gelebt, im Außenverhältnis mit unseren Kunden war das manchmal etwas anspruchsvoller.
Mit der Ausgliederung und in der seitdem verstrichenen Zeit ist es uns schon sehr gut gelungen, diese Linie klarer zu ziehen. Auf der einen Seite sind wir die produzierende Spitz-Unternehmensgruppe mit ihren Standorten in Attnang-Puchheim, Bad Gastein und Tenneck. Mit Alpine Brands haben wir nun – immer noch in der Familie, aber in jeder Hinsicht eigenständig – ein Unternehmen, das sich um den Aufbau und die Distribution der Marken kümmert und das streng genommen ein Kunde wie jeder anderer der produzierenden Unternehmensgruppe ist. Synergien werden auch in der neuen Konstellation nach wie vor optimal genutzt.
Egal ob eigene Marke oder Private Label – die Branche wird derzeit hart von anhaltend hohen Rohstoffpreisen gebeutelt. Wie geht es Spitz mit dieser Situation?
Offen gesagt haben wir eine derartige Situation am Rohstoff-Markt noch nie erlebt. Ein All-time-high bei den Preisen jagt das nächste. Wir sind dadurch in unserer Einkaufsstrategie zum einen und zum anderen hinsichtlich unserer Produktentwicklungsarbeit extrem gefordert. Ein enger und transparenter Austausch mit unseren Kunden und Partnern ist unablässig, wenn wir alle gemeinsam diese Situation meistern wollen.
Die Gespräche mit den Handelspartnern laufen ja bereits – konnten Sie schon eine zufriedenstellende Lösung ausverhandeln?
Wir haben uns organisatorisch so ausgerichtet, dass die Zusammenarbeit mit unseren Kunden mehrdimensional abläuft. Dazu gehören regelmäßige Termine zwischen den Geschäftsführungsteams, die der Diskussion der gemeinsamen strategischen Stoßrichtungen und den sich daraus ergebenden Potentialen beider Häuser dienen. Aber auch in Organisationsbereichen wie Logistik, Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit bekommen die direkte Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Fachteams der Kunden und aus unserem Haus zunehmend Bedeutung.
Es geht nicht mehr nur darum, eine bestimmte Anzahl von Produkten zu liefern, sondern ein verlässlicher Partner in allen Geschäftsbelangen zu sein. Das ist eine wichtige Voraussetzung um herausfordernde Phasen, wie jene, die durch die Rohstoffpreissituation gegeben ist, gemeinsam zu meistern und Lösungen zu finden. Wir arbeiten daran.
Gute Lösungen braucht es auch beim Thema Klimaschutz, um das es zu Beginn der Corona-Pandemie zwar in der öffentlichen Diskussion etwas leiser, zuletzt aber wieder umso lauter geworden ist – Stichwort das nun fixe Einwegpfand auf Plastikflaschen sowie ein verbindliches Mehrwegangebot. Wie beurteilen Sie als einer der fünf größten Getränkehersteller Österreichs dieses Thema?
Grundsätzlich trifft uns das Thema nicht überraschend. Bereits nach Aufnahme der politischen Arbeit durch die derzeitige Bundesregierung im Jänner 2020 wurde klar, dass dies ein Schwerpunkt im Rahmen der Ausgestaltung des neuen Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) sein wird. Spätestens mit Präsentation des sogenannten 3-Punkte Plans gegen die Plastikflut in Österreich durch Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler Anfang September 2020 hat dann die heiße Diskussions- und Arbeitsphase dazu begonnen.
Wir waren hier insbesondere für die Division Getränke und den Standort Gastein von Anfang an auf Ebene der Geschäftsführung involviert. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir uns zu nachhaltiger Entwicklung und ökologischer Verantwortung bekennen, war unser erklärtes Ziel immer, uns nicht als Verhinderer und Blockierer zu positionieren. Gleichzeitig war es mir persönlich immer ein zentrales Anliegen, eine möglichst umfassende und vor allem ökologisch gesamtheitliche Lösung zu erzielen. Daher haben wir uns einerseits an diversen Arbeitskreisen der Getränkeindustrie an der Schnittstelle zu politischen Entscheidungsträgern beteiligt sowie auch immer versucht, gut mit dem Handel, unserem größten Kunden, abgestimmt zu sein.
Nun, wo die politischen Entscheidungen getroffen sind, werden wir uns darauf konzentrieren, uns mit unserer Erfahrung und Expertise in den Gremien, die die Ausgestaltung des Pfandsystems begleiten, einzubringen, um eine zeitgerechte und sinnvolle Umsetzung für unsere Kunden und uns sicherzustellen.
Ein Pfandsystem alleine, das ja derzeit nur für Getränkegebinde vorgesehen ist, wird das Plastikproblem alleine aber nicht lösen können…
Das stimmt. Es ist wichtig, die Kunststoff-Thematik ganzheitlich zu betrachten. Es gibt keine Standardisierungen, was „nachhaltig“ in diesem Kontext bedeutet. Dies führt dazu, dass Kundinnen und Kunden die Orientierungshilfe fehlt. Ich halte es für unabdingbar, dass VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Interessensgruppen gezielt an der Bereitstellung von transparenten Informationen arbeiten.
Unsere Position ist eine sehr klare. Am Ende des Tages ist das große übergeordnete Nachhaltigkeitsthema die Dekarbonisierung. Daher müssen wir uns entlang der gesamten Wertschöpfungskette ansehen, was auf dieses Thema „einzahlt“. Gesamtökobilanzbetrachtungen und Carbon Footprints müssen und werden daher in der Beurteilung, was für welches Produkt die jeweilige Ideal-Lösung im Nachhaltigkeitskontext ist, eine zentrale Rolle spielen müssen.
An welchen Maßnahmen arbeiten Sie in Punkto Nachhaltigkeit derzeit konkret?
In der Spitz Unternehmensgruppe haben wir unabhängig von legislativen Vorgaben bereits vor einigen Jahren „Nachhaltige Entwicklung“ als einen unserer strategischen Schwerpunkte definiert. In diesem Zusammenhang haben wir vor zwei Jahren eine zentrale Stabstelle für Corporate Social Responsibility implementiert. Die anfängliche Konsolidierung hat verdeutlicht, dass das übergeordnete Ziel in der Unternehmensgruppe die Dekarbonisierung sein muss. Mitte des Jahres haben wir deshalb mit der Erarbeitung der ersten Klimaschutzstrategie begonnen. Gerade sind wir dabei, den Corporate Carbon Footprint für die produzierenden Gruppenunternehmen zu ermitteln, um von dieser Basis ausgehend weitere Reduktions- und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Zudem wollen wir unser Produktportfolio hinsichtlich CO2-Relevanz analysieren, um unseren Kunden ein starker Partner bei der Umsetzung von klimafreundlichen Produkten zu sein.
Ebenfalls stark diskutiert wird nach wie vor das Thema Digitalisierung. Welche Schwerpunkte setzen Sie in diesem Bereich und wie nehmen Sie beispielsweise Mitarbeitern an den Produktionslinien die Angst, in Kürze von einem Roboter ersetzt zu werden?
Mir ist wichtig, klar zu unterscheiden: Erstens: An der Digitalisierung geht kein Weg vorbei. Zweitens: Dabei meint Digitalisierung – zumindest für mich – nicht, dass wir Menschen durch Maschinen ersetzen.
Kluge Digitalisierung verringert das Fehlerrisiko, erleichtert Arbeitsabläufe, hebt den Dokumentations- und Transparenzgrad entlang der gesamten Supply Chain und verbessert damit am Ende des Tages die Qualität der Produkte und der gesamten Geschäftsprozesse. Damit wird effizienter, also kostengünstiger produziert, Preise sind besser abbildbar, das Geschäft von morgen ist gesichert. Und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden weniger für körperlich schwere oder anspruchslose Hilfstätigkeiten eingesetzt, sondern für zunehmend verantwortungsvolle und abwechslungsreiche Aufgaben. Damit bleiben sie motiviert, was zur Mitarbeiterbindung beiträgt.
Wir beziehen unsere Mannschaft bei unseren Digitalisierungsprojekten immer ein. Erstens ist sie es, die an den zu digitalisierenden Prozessen arbeitet und daher am besten weiß, was es abzubilden gilt. Und zweitens identifizieren wir so gemeinsam mit dem Team dadurch neue oder angepasste Tätigkeitsfelder und nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die angesprochene Angst, „wegrationalisiert“ zu werden.
Herr Scherb, vielen Dank für dieses Gespräch.
Über Spitz:
Das heimische Traditionsunternehmen Spitz mit Hauptsitz im oberösterreichischen Attnang-Puchheim operiert seit mehr als 160 Jahren als erfolgreicher Lebensmittelproduzent und zählt zu den größten Lebensmittelproduzenten Österrreichs. Der Umsatz lag im Jahr 2020/21 bei 250 Millionen Euro. Nachhaltige Entwicklung gehört ebenso zu den strategischen Eckpfeilern wie Kundenorientierung, Technologieantrieb und Mitarbeiterfokus. Spitz vereint langjährige Erfahrung und Experten-Knowhow mit innovativen Konzepten sowie einzigartigen Produkten und ist stolz auf seine Wertschöpfungstiefe. Spitz und seine Tochterunternehmen Gasteiner Mineralwasser Gmbh und Honigmayr Handelsgesellschaft mbH fertigen vom Rohstoff bis zum fertigen Endprodukt an drei österreichischen Standorten (Attnang-Puchheim, Bad Gastein und Tenneck).