Direkt zum Inhalt
Unzer: Wie sich das Zahlverhalten in Österreich verändert

Unzer: Von der Geldbörse zum Smartphone

Wie verändert sich das Zahlverhalten in Österreich? Diese Frage stellt sich der CEO der Unier-Gruppe und bietet eine fundierte Analyse der Entwicklung hin zu digitalen Zahlungsmethoden in einem zunehmend digitalisierten Markt.

Von Robert Bueninck

In Zeiten rascher Digitalisierung und steigender Kundenerwartungen wandelt sich die Art und Weise, wie wir einkaufen und bezahlen. Online- und offline-Welten verschmelzen zunehmend zu einem ganzheitlichen Kauferlebnis, auch als “Unified Commerce” bezeichnet. Veränderte Zahlungsgewohnheiten treiben diesen Wandel. 

​Wer heutzutage ein Produkt oder eine Dienstleistung kauft, macht das über viele verschiedene Wege – online, mobil, oder vor Ort. Kunden bestellen zuhause vom Sofa aus und holen die Ware im Geschäft ab. Sie informieren sich persönlich, buchen aber später im Netz. Oder sie bezahlen vor Ort, wollen die Ware aber nach Hause liefern lassen. Händler sind daher gezwungen, ihre online- und offline-Vertriebswege miteinander zu vernetzen. „Unified Commerce“ ist das Gebot der Stunde.  

Digitale Wallets werden beliebter

Mit den veränderten Kaufgewohnheiten gehen neue Bezahlmethoden einher. Insbesondere jüngere Generationen zeigen eine Vorliebe für das Bezahlen mit digitalen Geldbörsen, auch Digital Wallets oder E-Wallets genannt. Das sind Dienste, die elektronische Transaktionen ermöglichen, ohne physisches Bargeld oder eine physische Karte zu verwenden. Zu den bekanntesten digitalen Wallets gehören Apple Pay, Google Wallet (Google Pay), Klarna, Amazon Pay und PayPal.

​Technisch gesehen handelt es sich bei Wallets primär um einen Ort, um Karteninformationen sicher zu hinterlegen. Nutzer können ihre Debit- oder Kreditkarte verknüpfen und Zahlungen sowohl online als auch offline am Point-of-Sale (POS) bequem und reibungslos über ihr Smartphone abwickeln. Eine traditionelle Debit- oder Kreditkarte oder eine SEPA-Lastschrift bleibt die Grundlage für diese Zahlungsvorgänge. ​ 
​​Im Moment konkurrieren die Wallets heftig um die Gunst der Verbraucher und investieren viel, um die bevorzugte Zahlungsmethode zu werden. Eine Anekdote am Rande: Klarna, einer der größten Anbieter von Rechnungskauf, wagt sich jetzt in den Wallet-Bereich.

​Beschleunigt wird der Trend hin zu Wallets und In-App-Käufen durch E-Commerce-Plattformen wie Shein und Temu, die beide auf benutzerfreundliche Shoppingapps, dynamische Preise und personalisierte Angebote setzen. Mit wenigen Klicks auf dem Smartphone ist der Kauf abgeschlossen – sicher und komfortabel. Künftig werden mobiles bezahlen und „Social Selling“, also das Anbieten von Waren über soziale Netze wie TikTok oder Instagram, noch zunehmen. 

Barzahlungen nehmen ab, Kartenzahlungen zu

Auch im Laden verschieben sich die Gewohnheiten. Zwar werden noch immer über ein Drittel des Gesamtumsatzes im Einzelhandel mit Münzen und Scheinen bezahlt. Doch der Trend geht klar zur Karte. So ist der Anteil von Bargeld am gesamten Transaktionsvolumen binnen vier Jahren deutlich gesunken.

Vor allem bei größeren Beträgen werden Kartenzahlungen bevorzugt. Dabei nutzen Österreicher am liebsten ihre Debitkarte – wie andere Europäer übrigens auch. (Nur in den USA sind Kreditkarten fast gleichauf mit Debitkarten.) Zudem bezahlen immer mehr Menschen auch im Laden mit dem Smartphone oder anderen Geräten, nutzen also mobile Wallets wie ApplePay. 

Request-to-Pay wird Zahlungen verändern, aber Kreditkarten und Rechnungskauf nicht ersetzen

Request-to-Pay bedeutet übersetzt "Aufforderung zum Bezahlen" und ist eine standardisierte, digitale Zahlungsaufforderung im SEPA-Raum. Es handelt sich nicht um eine neue Zahlungsmethode, wie teilweise fälschlich behauptet wird, sondern um ein standardisiertes Benachrichtigungsprotokoll. 

​Klingt langweilig, bringt aber zahlreiche Vorteile, und das nicht nur im e-Commerce. Für Kunden ist Request-to-Pay sicher, transparent und einfach; Händler haben ein geringeres Risiko von Zahlungsausfällen und können eingehende Zahlungen klar zuordnen. Das spart Zeit und Kosten.

Konkret gibt der Kunde seine Daten im Checkout an, worauf der Zahlungsempfänger eine Aufforderung mit Informationen wie Zahlungsfrist oder Rechnungsreferenz erhält. Der Kunde kann nun ablehnen, annehmen und sofort oder später bezahlen. Nimmt er die Zahlung an, kann er über das Online-Banking eine (Echtzeit-)Überweisung initiieren.  

Dennoch bezweifle ich, dass sich Request-to-Pay schnell durchsetzen wird, denn aus Kundensicht gibt es gute und etablierte Alternativen. Bezahlmethoden wie Apple und Google Pay sind besonders nutzerfreundlich; und Kreditkarte und Rechnungskauf haben den Vorzug, dass das eigene Bankkonto nicht sofort belastet wird. Der Mehrwert einer „One-Click”-Banküberweisung ist aus Kundensicht hingegen eher gering, sodass uns klassischen Zahlungsmethoden noch viele Jahre erhalten bleiben.  

​Ein digitaler Euro würde den Zahlungsverkehr umkrempeln

Ähnlich skeptisch bin ich beim digitalen Euro, auch wenn das Vorhaben grundsätzlich lobenswert und richtig ist. Wenn es nach dem Wunsch der Europäischen Zentralbank (EZB) geht, könnte der digitale Euro schon bis 2028 Realität werden. Bezahlt würde per Smartphone oder Chipkarte, und Verbraucher könnten Bargeld an Automaten in digitale Euros umtauschen und umgekehrt. Online-Zahlungen mit dem digitalen Euro wären direkt mit dem Bankkonto verknüpft, für Offline-Nutzung müsste vorab Geld auf eine spezielle Geldbörse geladen werden. 

All dies soll Zahlungen einfacher, schneller und sicherer machen und die Autonomie und Währungshoheit des Euroraums stärken. Obendrein könnte ein digitaler Euro – so hofft die EZB – Innovationen hervorbringen. Es wäre beispielsweise denkbar, dass autonome Fahrzeuge selbst tanken oder ein Kühlschrank eigenständig Milch im Supermarkt bestellt und bezahlt.

​Ich bin davon überzeugt, dass der Erfolg dieser Initiative weitgehend davon abhängt, wie sehr Verbraucher den digitalen Euro nutzen werden. Das ist der entscheidende Faktor. Dazu muss der digitale Euro kostengünstig, sicher, risikofrei, einfach zu benutzen und bequem sein. Angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Wallets könnten vor allem die letzten beiden Kriterien knifflig sein.

Die Zukunft des Bezahlens

Ob nun der digitale Euro kommt oder nicht – fest steht: Seit der Pandemie hat sich der Trend zu kontaktlosem Bezahlen in allen Altersgruppen in Österreich beschleunigt und lässt sich nicht mehr aufhalten. 

​Dies wirkt sich auch auf den Handel aus. Die zunehmende Bedeutung von Social Selling im E-Commerce habe ich bereits angerissen. Im Ladengeschäft geht der Trend hin zu immer automatisierteren Systemen. Biometrische Autorisierungsmethoden wie Fingerabdrücke und Gesichtserkennung könnten physische Zahlungsgeräte in Zukunft überflüssig machen. Traditionelle Kassen werden durch Selbstbedienungskassen ersetzt, die dank Gewichtssensoren oder Bilderkennung selbstständig kassieren. Und Technologien wie die Near-Field-Communication (NFC) oder QR-Code-Zahlungen versprechen, den Bezahlvorgang nicht nur schneller, sondern auch sicherer und komfortabler zu gestalten. Vielleicht werden wir schon bald nicht mehr in Wartschlangen vor der Kasse stehen, weil alles automatisch beim Verlassen des Geschäfts vom Konto abgebucht wird – oder aber weil der Kühlschrank zuhause das übernimmt. Eine spannende Entwicklung.

​Über Robert Bueninck

Robert Bueninck ist ein erfahrener Experte der Zahlungs- und Handelsbranche, der die Unzer-Gruppe als Chief Executive Officer seit Sommer 2021 leitet. Unter Buenincks Führung richtete sich Unzer strategisch und organisatorisch neu aus, festigte seine Stellung im europäischen Zahlungsverkehr und unterstützt nun über 85.000 Händler in ganz Europa. Vor seiner Rolle bei Unzer war Robert fast ein Jahrzehnt bei Klarna tätig, wo er als Managing Director für die Regionen Benelux und DACH verantwortlich war. Außerdem fungierte er als Niederlassungsleiter der Klarna Bank in Deutschland und als Geschäftsführer von Billpay und Sofort.

Robert Bueninck

Kategorien

Tags

geschrieben am

22.08.2024