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Unilever-Chef Nikolaus Huber

Unilever Austria-Chef Huber im Interview

Balance zwischen Global und Local mit starkem Austro-Touch - ein Interview von Dr. Hanspeter Madlberger.

Von seinem Büro im Wiener Prater hat Nikolaus Huber (40), seit 1. Februar dieses Jahres neuer Geschäftsführer von Unilever Österreich, einen herrlichen Panoramablick auf die Krieau, die traditionsreiche Trabrennbahn der Donaustadt. Beim Blick auf die Jockeys in  den Sulkys, wie sie ihre Traberhengste zu Höchstleistungen anspornen, lassen sich diesem sportlichen Wettbewerb unschwer Parallelen zum Branchengeschehen, insbesondere zur Partnerschaft zwischen Markenartikel und Handel abgewinnen.  Wer bei diesem Gespann die Zügel in der Hand hat und wer rennen muss, was das Zeug hält, diese Frage wollen wir hier nicht weiter vertiefen. Huber liefert dazu eine interessante Interpretation.  Seine Kernbotschaft an den Handel lautet nämlich: “Unilever ist mit seinen starken  Marken ein verlässlicher Partner des Handels, der für konjunkturstabile Umsätze sorgt. Ein verlässliches Zugpferd für Innovationen, ein verlässlicher Nachfrage-Generator dank der starken Werbung“.

Der neue Unilever Austria-Chef streut seinen Geschäftsfreunden  im Einzelhandel, die 2018 für ein Umsatzvolumen von 280 Millionen € aufkamen, Rosen ohne Dornen: „Wir pflegen mit allen Partnern im Handel einen sehr gute Zusammenarbeit“. Was den Umgang mit der Retail-Branche betrifft, kennt er sich aus. Von 2015 bis 2018 war der WU-Absolvent Huber, der auf eine lupenreine, mittlerweile 15jährige Karriere beim niederländisch-britischen Konzern zurückblickt, Verkaufsdirektor von Unilever Austria. Damals gemeinsam mit Christian Kratky, der jetzt im Duo mit Gerold Idinger den Verkauf leitet. 

Zwei Verkaufsdirektoren, dieses Modell hat sich bei Unilever bewährt, denn es ermöglicht eine vernünftige Arbeitsteilung. Der eine führt die Jahresgespräche in Wiener Neudorf, der andere in Salzburg. Was für das gute Klima zwischen Unilever Österreich und den Big Playern des heimischen Handels spricht: Zustände wie in Deutschland, wo im letzten Jahr  Kaufland mit Unilever und Edeka mit Nestlé erbittert kämpften, sind hierzulande schwer vorstellbar.

Huber zur Hofer-Thematik

Auch die seit 2015 massiv anschwellende Hofer-Einlistung von A-Marken sieht Huber gelassen.“ Wir arbeiten mit dem Discount flächendeckend zusammen, überall dort, wo wir spezielle Konsumentenbedürfnisse und folglich neue Wertschöpfungs-Potentiale sehen.“ Speziell beim Speiseeis, wo durch den Einstieg der Markenartikler in die neuen Absatzkanäle die gesamte Kategorie stark zulegen konnte. “Die Umsatzentwicklung des traditionellen Handels bei Impulseis ist der beste Beweis dafür, dass die Discounter- Einlistungen nicht zulasten des übrigen Handels erfolgten." Im übrigen sei die gegenseitige Annäherung des klassischen Handels und des Discounts bei den Sortimenten ein europaweit zu beobachtendes Phänomen. Ein Prozess, der nach Hubers Einschätzung noch nicht abgeschlossen ist, aber seine Sturm-und-Drang-Phase bereits hinter sich habe.

Wieviel Österreich steckt in Unilever-Marken?

Es wird Zeit, die Gretchenfrage zu stellen: Unilever-Konzern wie hältst du es mit dem Produktions- und Marketingstandort Österreich?  Dass die Unilever, Archetyp eines global agierenden Markenartiklers, im Lauf der vergangenen Jahrzehnte sämtliche Produktionsstandorte in Österreich aufgegeben hat, ist längst Wirtschaftsgeschichte. Aber, was die, für die österreichische Verbraucherschaft maßgeschneiderten Rezepturen speziell bei Lebensmitteln und Refreshment (Eis und Getränke) betrifft, hat Huber mit bemerkenswerten Facts aufzuwarten: “Wir rezeptieren 90% unseres Knorr Portfolios speziell für den österreichischen Markt. Bitte zu Tisch ist eine Subbrand, ausschließlich für den heimischen Markt konzipiert. Wir haben im Zuge der Konzept-Präsentationen von Knorr Echt Natürlichunseren Handelspartner gezeigt, welche Gewürze wir einsetzen und die Inhaltsstoffe mit den Kunden transparent besprochen.“ Solcherart steckt im umfangreichen Knorr-Sortiment, das für den GroßteildesMarktvolumensvon 90 Millionen € steht, jede Menge rotweißrote Koch- und Esskultur.  Recht stolz ist Huber auf die aus heimischem Anbau stammenden Pfanni Erdäpfel, die sich zu einer starken Marke in den Gemüseabteilungen der Supermärkte entwickelt haben.

Bisweilen agiert die Unilever sogar als Exporteur österreichischer Kulinarik, wenn Kürbisse aus dem Marchfeld als Ausgangsprodukt für europaweit verkaufte Knorr Kürbiscremsuppen Verwendung finden. Oder wenn Fruchtzubereitungen für  die verschiedenen Eismarken  von „unserer“ Agrana bezogen werden. Stichwort Eisgeschäft: Da behaupten heimische Markenklassiker wie Jolly, Twinni oder Cremissimo uneingeschränkt ihre Austro-typischen  Geschmäcker und Markenauftritte. Er sei strikt gegen einen europäischen Einheitsgeschmack, betont Huber und verweist darauf, dass unsere Landsleute beispielweise bei Pasta Asciutta-Sauce andere Geschmackserwartungen haben als deutsche Verbraucher und dass es gilt, bei den Rezepturen diesem Umstand Rechnung zu tragen. Den von Land zu Land unterschiedlichen kulinarischen Traditionen gerecht zu werden, ohne dabei den Verdacht zu provozieren, „Dual Quality“ für Länder mit niedriger Kaufkraft zu produzieren, das ist eine der Herausforderungen, denen sich Markenmultis heutzutage stellen müssen. „Dual Quality kommt für uns nicht infrage, das haben die Untersuchungen der EU Behörden bestätigt“, sagt Huber mit Nachdruck.      

Österreich-Chef ist D-A-CH-Board-Mitglied

Was aber, wenn Eigenbrötelei für den österreichischen Markt von D-A-CH-Strategien overruled wird? Auf eine kecke Frage folgt eine coole Antwort: „Ich bin als Österreich-Chef Mitglied des D-A-CH Board, das heißt, die strategischen Entscheidungen über Produkteinführungen und Werbekampagnen werden zwischen den Geschäftsführern der drei Länder abgestimmt“. Ohne in übertriebenen Patriotismus zu verfallen, darf an dieser Stelle angemerkt werden, dass es für die Unilever gewiss kein Nachteil ist, wenn ein Österreicher mit Bodenhaftung wie Nikolaus Huber die Geschäfte in der Alpenrepublik führt. Verraten sei auch, dass aus Konzernsicht, die Unilever Austria als “Kronjuwel“ gilt. „Unser Unternehmen verbindet traditionell ein starkes Committment mit dem heimischen Markt“, sagt Huber. Nicht selten diente der kleine, aber hochkompetitive Absatzmarkt Österreich als Testpilot bei der Einführung neuer Produkte. Und ist Schauplatz von fulminanten Marktanteils-Schlachten mit dem Lieblingsmitbewerber Nestlé. Vorläufiger Höhepunkt: Im Suppen-Match schaffte Knorr zuletzt den vierfachen Umsatz von Maggi, das ist, aus Unilever-Sicht Europa-Rekord. Weniger gut lief es in Österreich im Waschmittelgeschäft, wo der Zieleinlauf zwischen Ariel und Persil, sprich zwischen Procter und Henkel entschieden wird und wo Lever Marken wie Omo im geschlagenen Feld landen.

FMCG-Giganten lernten von innovativen Startups

Ein Blick auf die jüngste OC&C-Studie der Global 50 FMCG-Konzerne zeigt, dass die von Kapitalismus-Kritikern heftig attackierten Markenmultis neuerdings eine bemerkenswerte Renaissance erleben. Von 2017 auf 2018 stieg die durchschnittliche Umsatzrendite der Big 50 von 17,8% auf 18,2%. Ihre durchschnittliche Umsatz-Wachstumsrate 2017/2018 lag bei 3,2%, wobei 1,8% auf  das Mengenwachstum und 1,4% auf Preiserhöhungen zurückzuführen sind.  Beim Umsatzranking belegt Unilever hinter Nestlé, Procter und PepsiCo Rang vier. Die Studie führt das Comeback der Markenmultis auf zwei Umstände zurück: In den vergangenen Jahren wurden große Investitionen in wachstumsstarke Kategorien getätigt, die jetzt Früchte tragen. Und: Die großen Marken hätten von den kleinen, digital gepowerten Startup-Marken gelernt. 

Grom Gelato, natürlich pur

Besser noch als das Abkupfern der 4.0 Markenstrategien ist der Kauf dieser Senkrechtstarter. Paul Polman, der bis Ende des vergangenen Jahres als CEO dem Unilever-Konzern vorstand, bewies ein glückliches Händchen mit dem Erwerb trendiger Marken, auf die die Generation der Digital Natives abfährt. So erwarb Unilever per 1.10. 2015 die italienische Premium-Eismarke Grom. Die Firma wurde im Jahr 2003 von den Turinern Guido Martinetti und Federico Grom in Anlehnung an die Prinzipien des Slow-Food-Erfinders Carlo Petrini gegründet und verwendet für die Eisproduktion saisonales Obst unter Verzicht auf Emulgatoren, Aromen und Farbstoffe. Viele der Früchte werden auf eigenen Farmen angebaut.  2018 wurde Grom Gelato in Österreich eingeführt, heuer kamen neue Sorten wie Crema Giandiuia, Nocciola, Tiramisù und Stracciatella hinzu. 

Bei Bipa, dm und Müller wird sie seit Mitte Mai gesichtet: Die neue jugendliche Kosmetikmarke Love Beauty & Planet. Das Sortiment umfasst Shampoos, Duschgels und Deos. Körperflegemit einem ganzheitlichen, ökologischen Ansatz. Dieser umfasst ausschließlich natürliche, rein vegane Inhaltsstoffe, die auf nachhaltige, ethisch einwandfreie Weise gewonnen werden. 

Für die Markteinführung junger trendiger Marken ist die Wahl des adäquaten Absatzkanals erfolgsentscheidend. Auf diese Weise den unterschiedlichen Shopper Journeys der unterschiedlichen Zielgruppen Rechnung zu tragen, ist der beste Weg zur Flop-Vermeidung und zur Erschließung neuer Wachstumspfade. Übrigens, eine weitere Produktneuheit in einer anderen Kategorie ist bereits im Anrollen, der retailreport.at wird, sofort nach Ablauf der Sperrfrist, darüber demnächst berichten.          

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

In jeder Hinsicht verjüngt und dem Zeitgeist verhaftet, zugleich aber Austro-affin und wachstumshungrig, so präsentiert sich eine runderneuerte heimische Unilever unter ihrem neuen Chef. Das digitale Enrichment darf bei dieser Strategie nicht fehlen. „30% unserer Werbe- Spendings wandern bereits in die digitalen Medien“, betont Huber.  Dabei spielen auch die digitalen Kanäle von Handelsformaten wie Bipa oder dm mit ihren Apps eine bedeutende Rolle. Warum sind die neuen Medien für einen Markenartikler wie Unilever so wichtig? Weil sie den Dialog zwischen den Zielgruppen-Marken und den Smartphone-verhafteten Shoppern inspirieren und befeuern.  Moderne Zielgruppenmarken machen sich für gesellschaftspolitische Anliegen stark. Anliegen, die in den digitalen Communities abgehandelt werden. So tritt Dove für Frauen-Emanzipation ein, Ben & Jerry´s setzt Zeichen gegen die Ausgrenzung von Minderheiten. 

Beherrschend in diesem weltumspannenden gesellschaftlichen Diskurs ist das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Der Umstand, dass Unilever seit zehn Jahren im Dow Jones Sustainability Index vorne liegt, darf als Beleg dafür gelten, dass der Konzern dieses für die Menschheit existenzielle Problem ernst nimmt. Zumal die nachhaltigen Handelsmarken der Markenartikel-Konkurrenz in dieser Disziplin einiges vorlegen.  

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geschrieben am

23.07.2019