On- und Offlinehandel: ambivalente Beziehung
Im Gesamtjahr 2021 haben 4,2 Mio. Konsumenten in Österreich (16-74 Jahre) online eingekauft und dafür in Summe € 8,9 Mrd. Euro ausgegeben (Gittenberger, Ernst, Teller, Christoph (2021): EU-27-Online-Shopping-Report 2021).
Je höher die Zufriedenheit beim Online-Shopping ist, desto höher fallen auch die (anteilmäßigen) Online-Ausgaben für Einzelhandelswaren aus. Im untersten Ausgabenquartil zeigen sich 46 % der Online- Shopper mit dem Angebot/Service im Internet-Einzelhandel (sehr) zufrieden – im obersten Quartil (25 % der Online-Shopper mit den anteilsmäßig höchsten Online- Ausgaben) trifft dies auf 77 % zu.
Aber auch die negativen Erfahrungen im Offline-Handel beeinflussen signifikant die Höhe der Online-Ausgaben. Denn desto unzufriedener die Online-Shopper mit dem Offline-Handel sind, desto mehr geben sie beim Online-Shopping aus. Ein Sachverhalt, der zwar auf der Hand liegt, aber erstmals statistisch nachgewiesen werden konnte. Während im untersten Online-Ausgabenquartil noch 44 % mit dem stationären Einzelhandel (sehr) zufrieden sind, trifft dies im obersten Quartil „nur“ mehr auf 28 % zu.
Angebot und Service ausschlaggebend
Für den Einzelhandel bedeutet dies, dass nicht nur das Angebot/Service des Online- Handels Kunden anzieht, sondern genau das Fehlen ebendieses im Offline-Handel Kunden abstößt. Dieses Phänomen muss jedoch in Relation gesehen werden, denn Online-Shopper bewerten auch den stationären Einzelhandel überwiegend positiv. So genießen zum Beispiel 96 % der Internet-Käufer die zeitliche Ungebundenheit beim Online-Shopping, für 79 % sind aber auch die Ladenöffnungszeiten passend. 86 % finden in Online-Shops genau das gewünschte Produkt (ohne woanders suchen zu müssen), aber für 53 % trifft dies auch in Ladengeschäften zu. Der Aufwand für den Einkauf im Internet-Einzelhandel ist für 83 % minimal, für 54 % trifft dies aber auch auf den Einkauf im stationären Einzelhandel zu. Zudem geben auch Online-Shopper den Großteil ihrer Einzelhandelsausgaben im stationären Einzelhandel aus.
Offline-Ausgaben der Online-Shopper sind viermal höher als ihre Online- Ausgaben
„Multi-Channeling rules!“ Nicht nur im Einzelhandel wird der parallele Verkauf in Ladengeschäften und via Internet immer beliebter, auch Konsumenten wechseln immer häufiger zwischen den Einkaufskanälen. Und so verwundert es nicht, dass auch Internet-Käufer den Großteil ihrer Einzelhandelsausgaben offline tätigen. 4,2 Mio. Online-Shopper haben 2021 insgesamt rd. € 48,7 Mrd. (Abschätzung) für Einzelhandelswaren ausgegeben. Davon sind rd. 8,9 Mrd. in den in- und ausländischen Internet-Handel geflossen und rd. € 39,8 Mrd. in den stationären Handel.
Die Offline-Ausgaben der Online-Shopper sind somit im Durchschnitt mehr als viermal höher als ihre Online-Ausgaben. Rd. 82 % ihrer gesamten Einzelhandelsausgaben fließen in Ladengeschäfte, was vor allem mit dem Lebensmitteleinkauf zu tun hat. So kaufen 81 % der Online-Shopper Lebensmittel ausschließlich im stationären Einzelhandel. Bei Sportartikeln trifft dies auf 76 % und bei Elektrogeräten auf 67 % zu. Eine Ausnahme stellt der Modebereich dar – der im Vergleich zu anderen Warengruppen häufiger online eingekauft wird. Hier setzen „nur“ 31 % der Online-Shopper ausschließlich auf den Einkauf in Ladengeschäften und 69 % auf Online-Shopping (bzw. auf On- und Offline-Shopping).
Resümee: Online-Enthusiasten, Offline-Entfremdete oder einfach pragmatische Channel-Hopper?
„Motive und Kaufverhalten zeichnen ein durchaus buntes Bild der Online-Shopper und ihr Verhältnis zum Offline-Handel. Die Analysen zeigen einerseits Enthusiasten mit hohen Online-Zufriedenheitswerten und andererseits Offline-Entfremdete, die ihre Unzufriedenheit mit dem Offline- in den Online-Handel treibt. Tatsächlich entwickelt sich mehr und mehr ein neuer Käufer-Typus, der als Channel-Hopper pragmatisch und unaufgeregt in beiden Kanälen einkauft“, resümiert Dr. Ernst Gittenberger vom IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing die Studienergebnisse.
„Tatsächlich pflegen Online-Shopper eine durchaus „schlampige Beziehung“ zu beiden Einkaufskanälen – online oft und regelmäßig, offline dennoch viel mehr. Die Theorie (zur sozialen Beziehung) erklärt das durch unsere Studien gezeigte Phänomen des Channel-Hoppings: Konsumenten wechseln eine „Beziehung“ aus zwei Gründen – sie sind mit der derzeitigen unzufrieden (z.B. schlechter Service, unfreundliches Personal) oder eine neue Beziehung verspricht mehr Vorteile als die alte (z.B. attraktiveres Angebot, Bequemlichkeit). Für den Offline-Handel bedeutet dies, auf jene Dinge zu fokussieren, die der Online-Handel schlecht imitieren kann – Kunden begeistern und inspirieren, das sensorische Erlebnis zu betonen und Expertenwissen als Kernservice mit unmittelbarer, physischer Produktverfügbarkeit anzubieten. Denn der pragmatische Channel-Hopper lässt dort seinen Euro, wo sein Nutzen am höchsten ist“, ergänzt Institutsvorstand Univ.Prof. Dr. Christoph Teller.