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Der Ukraine Krieg verursacht hohe Preise bei Weizen und Ölsaaten.

Agrarprodukte – das neue Gold

Weizen, Ölsaaten und andere agrarische Produkte, die aus der Ukraine stammen, sind massiv für die Verteuerung am Markt verantwortlich.

Zahlreiche internationale Medien berichten, dass fünf mit ukrainischem Getreide beladene Schiffe in den vergangenen Tagen aus dem Hafen Berdyansk verschwunden sein sollen – möglicherweise entführt von russischem Militär. Die näheren Umstände sind nicht bekannt, aber alleine der Vorfall zeigt, wie wertvoll agrarische Produkte, wie Weizen oder Ölsaaten geworden sind. Gut erkennbar ist die Entwicklung auch an der rasanten Erhöhung der Preise. retailreport.at hat nachgefragt.

Menschen sind besorgt – Engpässe kommen

Retailreport.at hat bei Klemens Rauch, Unternehmenssprecher VFI Oils for Life, nachgefragt, wie sich die Situation darstellt. „Viele Menschen sind aufgrund der Nachrichten aus der Ukraine besorgt über die Versorgungslage mit Speiseöl. Es gibt erste Bevorratungskäufe mit Grundnahrungsmitteln, insbesondere mit Sonnenblumenöl. Solche Bevorratung ist nicht notwendig, steigert aber das Risiko von kurzfristigen, logistikbedingten Ausverkauft-Situationen, die wiederum die Sorge der Konsumenten weiter steigern. Es gibt in Europa und in Österreich ausreichend Speiseölreserven um die Bevölkerung sicher zu Versorgen. Die Preise sind jedoch deutlich gestiegen.
Die Ukraine und Russland sind weltweit mit Abstand die größten Exporteure von Agrarrohstoffen, insbesondere von Sonnenblumenkernen und Sonnenblumenöl. Wenn diese beiden Länder vom Markt abgeschnitten sind, führt das zu weltweiten Versorgungengpässen und starken Preissteigerungen bei diesen Produkten. Das wird in importabhängigen Schwellen- und Entwicklungsländern mit sehr armer Bevölkerung katastrophale Folgen haben.  
Österreich ist davon nur mittelbar betroffen. Der größte Teil der Versorgung mit Sonnenblumenöl erfolgt geografisch bedingt mit Rohstoffen aus Mitteleuropa und es sind andere Ölsorten in ausreichender Menge verfügbar. Die Preise dafür steigen jedoch überall stark an.
Aufgrund der schlechten Verfügbarkeit von Sonnenblumenöl wird Pflanzenöl aus Raps und gentechnikfreiem Soja aus europäischem Anbau als Alternative wichtiger werden. Diese hochwertigen Speiseöle stehen in ausreichender Menge zur Verfügung.
Die Kostensteigerungen aus den Rohstoffpreisen werden einen Umfang erreichen, den Hersteller selbst sicherlich nicht kompensieren können, sondern an die Abnehmer weitergeben müssen. 

Eine mögliche preisdämpfende und für die Versorgung förderliche Maßnahme steht der Politik zur Verfügung: Die Hälfte der in EU-Europa angebauten Ölsaaten wird derzeit für die Biodieselerzeugung eingesetzt und könnte jederzeit alternativ für Lebensmittel genutzt werden. Auf die Frage nach den Rohstoffen aus der Ukraine für VFI: Ja, wir beziehen auch Rohstoffe aus der Ukraine, sind also wirtschaftlich durch die Situation schon betroffen. Dabei handelt es sich aber vor allem um spezielle Qualitäten für Exportprodukte. Für die Versorgung des Einzelhandels in Österreich kommen diese Rohstoffe kaum zum Einsatz.“

Vivatis: Krieg trifft Industrie hart

Schon vor einer Woche ließ die Vivatis Holding als rein österreichisches Unternehmen mit einer Aussage aufhorchen: „Die anhaltenden Kämpfe in der Ukraine bringen viele österreichische Lebensmittelproduzenten in eine äußerst schwierige Lage“. Deutliche Spuren hinterlässt der Krieg in der „Kornkammer Europas“ vor allem in der österreichischen Lebensmittelindustrie. „Die Entwicklungen in der Ukraine stellen die gesamte Nahrungs- und Genussmittelindustrie vor enorme Herausforderungen. Die offenkundige Abhängigkeit im Energie- sowie Rohstoffsektor wirkt sich in Form eklatanter Preiserhöhungen und zunehmender Verfügbarkeitsprobleme aus. Dieser Konflikt bringt die gesamte Branche in große Bedrängnis“, so Mag. Gerald Hackl in seiner Doppelfunktion als Vorsitzender der Fachvertreter der Nahrungs- und Genussmittelindustrie der WKO OÖ und Vorstandsvorsitzender der Vivatis Holding AG.

Um die Balance innerhalb des europäischen Marktes halten zu können, spricht sich Andreas Pfahnl, Eigentümer der Pfahnl Backmittel GmbH, für ein sofortiges Exportverbot der EU für Weizen aus. Eine wichtige Maßnahme, für die „verrückt“ spielenden Getreidemärkte. Denn die Tonne Qualitätsweizen, die vor einem Jahr noch 200 Euro gekostet hat, liegt aktuell bei 440 Euro. Auch bei Mais wird die Situation zunehmend angespannter. Die fehlenden Großmengen führen bereits jetzt zu einer Unterversorgung in zwei österreichischen Getreidemühlen. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Weizen in vielen Bereichen zunehmend durch Mais sub- stituiert wird, was eine zusätzliche Verknappung und weitere Preisanstiege zu Folge hat.

GoodMills-Reaktion auf den Ukraine-Krieg

Leonhard Gollegger, MBA, Vorsitzender der Geschäftsführung der GoodMills Group auf die Frage, welche Konsequenzen der Krieg auf das Geschäft der GoodMills Mühlen in Kutno (Polen), Deutschland (Krefeld) und Österreich hat:

Kurzfristig erwarten wir keine Auswirkungen auf die Produktion an all unseren Standorten, unsere physische Getreidedeckung ist bis Mai sichergestellt. Als zwei der weltweit größten Weizenproduzenten und -exporteure beeinflussen Russland und die Ukraine maßgeblich die globalen Exportpreise für Weizen. Infolge des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland wird mit einer eingeschränkten Exporttätigkeit von Getreide aus der gesamten Schwarzmeerregion gerechnet. Dadurch steigt der ohnehin schon sehr hohe Weizenpreis nochmals sprunghaft an (und erreicht historische Höchststände). Dies wirkt sich natürlich auch auf das Geschäft der GoodMills Group aus, da lokale Preise entsprechend reagieren und die hohe Unsicherheit auch zu zusätzlicher Zurückhaltung bei den Verkäufern führt.                                                

Welche Veränderungen bei den Getreide-Lieferungen von Ukraine nach EU-Europa sind infolge der Kriegshandlungen zu erwarten?

Die Ukraine ist einer der weltweit größten Getreideproduzenten und -exporteure. Einschränkungen des Exports aufgrund des Krieges in der Region sind zu erwarten und auch bereits sichtbar. Die tatsächliche Größenordnung der Auswirkungen der aktuellen Geschehnisse ist aktuell jedoch noch nicht abschätzbar und hängt stark von den Entwicklungen in den kommenden Wochen ab. Wir schätzen jedoch, dass die ukrainischen Häfen mehrere Monate für Exporte geschlossen sein könnten.      

Gibt es spezielle Getreidesorten, die in der Ukraine angebaut und in Österreich von GoodMills vermahlen und im heimischen Lebensmittelhandel angeboten werden?

Wir haben keine Rohstoffe (oder spezielle Getreidesorten) aus der Ukraine im Einsatz. International gesehen ist die Ukraine natürlich ein sehr bedeutender Getreide-Exporteur. Am österreichischen Lebensmittelmarkt haben bspw. Sonnenblumenkerne und Sonnenblumenöl große Bedeutung – hier hat sich der Preis in den letzten 3 Tagen mehr als verdoppelt. Sonnenblumenöl wird in der Backwarenindustrie gerne als Alternative zu Palmöl eingesetzt. Vereinzelt wird auch Buchweizen aus der Ukraine importiert – für GoodMills Österreich hat dies aber keinerlei Bedeutung.

Wie vor Lieferketten-Problem schützen?

Das IFH Köln untersuchte im Rahmen einer Studie, wie sich Unternehmen vor Lieferketten-Engpässen schützen können. Insbesondere das Thema Diversifizierung spielt für 78 % der befragten Großhändler und Hersteller eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, eine resiliente Lieferkette zu schaffen. In der Praxis heißt das zum Beispiel: Auf neue und/oder zusätzliche Lieferanten setzen (41 % bereits ergriffen/38 % konkret geplant) sowie die Lieferanten in mehrere Länder verteilen (38 % bereits ergriffen/48 % konkret geplant). Aber auch die Erhöhung der Lagerhaltung sowie größere Bestellmengen sind Maßnahmen, die für Krisenzeiten vorsorgen sollen. Die große Mehrheit der Großhändler und Hersteller (80 %) ist dadurch aktuell positiv gestimmt, dass sich die Lieferkettenproblematik für das eigene Unternehmen innerhalb des nächsten Jahres verbessern wird. Gleichzeitig finden jedoch drei Viertel der Befragten, dass ihr Unternehmen (mehr) Maßnahmen ergreifen muss, um künftige Lieferunterbrechungen zu vermeiden.

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geschrieben am

21.03.2022