Thumser: Markenvielfalt ist gefährdet
Am 27. Jänner 1925 – also vor 100 Jahren wurde der Markenartikelverband in Österreich gegründet. Einige der Gründerunternehmen sind weiterhin sehr aktiv am heimischen Markt. „Ich ziehe heute meinen Hut vor der Weitsicht der damaligen Marken-Manager und Marken-Eigentümer, dass sie sich für gemeinsame Ziele zusammengeschlossen hatten und somit die Struktur der MARKE mit Brief und Siegel versehen haben“, so Markenartikel-Geschäftsführer Günter Thumser. Auch wenn die Marken und ihre Hersteller aufgrund verschiedener Angriffe in den letzten Jahren immer wieder vor großen Herausforderungen stehen, so erkennt die Branche ein starkes Revival: „Gerade junge Konsumenten schätzen Markenartikel heute sehr. Sie kaufen nicht mehr billig und schnell. Sie schätzen die Entlastungsfunktion, die ein Markenprodukt im FMCG-Bereich bietet und sie wertschätzen auch die Tatsache, dass ein Produkt die wichtigen Infos abbildet: Mailadresse, Postadresse, Name des Herstellers und vor allem WO das Produkt hergestellt wird“, so Thumser. Auf vielen Händlermarken vermisst er diese wichtigen Angaben.
Händler als Mittler oder mit Verantwortung?
Im Falle der Retail-Eigenmarken-Politik muss der Händler entscheiden: tritt er als Mittler auf oder übernimmt er volle Verantwortung? Dann sollte er sich auch auf den Produkten deklarieren. „Große Hersteller werden gerne bewusst in die böse Konzern-Ecke gedrängt. Wir sagen: Konzern ja, böse nein, denn all diese Unternehmen, die die Verantwortung für eine Marke und Produkte auf sich nehmen, stehen auch bei Problemen dafür gerade. Und sie tun auch alles, damit es eben nicht zu einem Shitstorm kommt“, so Thumser. Dazu kommen alle Kosten, die Unternehmen tragen: angefangen von den volatilen Rohstoffkosten, über die Personalkosten, bis hin zu den Logistikkosten – um nur einige zu nennen. „Die Hersteller geben den Kritikern wenig Möglichkeit sie zu treffen, da sie sich um die Qualität ihrer Produkte lückenlos kümmern. Und sollte einmal etwas schiefgehen, so stehen sie Rede und Antwort“, sagt der Marken-Experte.
Marke ist Garantie für Sicherheit
Die Marke ist eine Garantie für Sicherheit im ökologischen, sozialen und ökonomischen Sinne. „Eine Marke braucht Jahrzehnte, um zu einer etablierten Marke zu werden. 10 bis 20 Jahre braucht es, um tiefes Vertaruen beim Konsumenten aufzubauen. Nur, wenn eine Marke über Generationen hinweg gute Leistung bringt, hat sie das Pouvoir Sicherheit zu übermitteln und eventuell sogar zu einem Gattungsbegriff zu werden. Wir sprechen heute noch immer gerne von ‚silanisieren‘, von ‚Soletti‘ als Knabbergebäck oder von ‚Uhu‘ als Klebstoff“, so Thumser.
Der Geschäftsführer wünscht sich, dass der Lebensmittelhandel die Wertschätzung der Markenartikelindustrie dementsprechend wieder mehr wahrnimmt und nicht ständig den „Kampf um den letzten Cent“ startet und somit laufend die ökonomische Perspektive ins Wanken bringt.
Ein besonderes Anliegen ist ihm die Situation der österreichischen Fleischverarbeiter, die aufgrund der hohen Konzentration im Handel und den sich daraus ergebenden Fleischwerken des Handels immer mehr unter Druck geraten. „Jeder Händler arbeitet nach Mischkalkulation und so ist es auch bei großen Fleischbetrieben. Wenn man ihnen nun das Volumsgeschäft wegnimmt und sagt: ‚liefere mir die Spezialitäten, aber zum billigen Preis, so wird das ökonomisch nicht funktionieren. Das ist extrem unfair!“.
Und nicht zuletzt ist eine Vielfalt in den Handelsregalen doch das, was sich der Konsument wünscht. Im Vergleich mit Anfang der 90er Jahre haben sich die bunten Regale zu einem Einheitsbrei entwickelt. Die Wahlfreiheit des Verbrauchers wird immer mehr eingeschränkt.
Regularien – mehr als ein Dorn im Auge
Was natürlich alle Hersteller betrifft und die Markenartikelindustrie on top – das sind die Regularien, die von der Europäischen Union aus gehen. Der jüngste Wurf ‚Littering Fee‘ muss seit 1.1. 2025 bezahlt werden und wenn wir gleich beim Thema Abfall sind, so haben sich auch die Entsorgungsgebühren merklich erhöht. „Die EU-Bürokratisierungswelle trifft Industrie und Wirtschaft und damit die Volkswirtschaft und Gesellschaft. Der zusätzliche Aufwand ist weder wertschöpfend noch -schaffend, so Thumser. Viele Regularien laufen parallel und das sagt noch gar nichts über die Vielzahl der Regularien aus.
„Nehmen wir das Lieferkettengesetz, das eigentlich etwas Gutes will, aber etwas Schlechtes bewirkt. Denn: zum einen trifft das Gesetz nicht nur die großen Unternehmen – die dann die Verantwortungen gerne nach unten weitergeben – sondern auch die Kleinen. Und zum anderen gibt es KEINE Möglichkeit gute Arbeitszustände vor Ort zu 100% rechtsverbindlich zu garantieren und somit von Sanktionen zu befreien. NGOs haben hier das Heft in der Hand und üben eine starke Macht aus. Dazu kommt, dass die Konsumenten sehr kritisch sind. Also kann es gut passieren, dass ein Unternehmer ganz schnell mit einem Fuß im Kriminal steht. Für mich ist dies kein seriöses Vorgehen, sondern ein Unrechtssystem“, sagt Thumser.
Die Folge kann sein, dass immer mehr Unternehmen ihre Produktionen verlagern. Die Forderung nach Fairneß – auch durch den Handel – sollte noch wesentlich lauter erhoben werden.
Flaschenpfand und Zuckersteuer
Die Spitzen des Eisberges sind für Günter Thumser das EW-Flaschenpfand und die immer wieder diskutierte Zuckersteuer.
Im EW-Flaschenpfand sieht er ein Luxusproblem, das man anders hätte lösen müssen. Wien, als Stadt und schwächstes Glied in der Entsorgung hätte man disziplinieren müssen, aber in allen anderen Bundesländern hat die Abfall-Entsorgung einwandfrei funktioniert. Was wird nun passieren? „Dieser politische Alleingang ist wertevernichtend und macht Kaufkraft kaputt. Er ist ein Treiber der Inflation, ebenso wie die Erhöhung des CO2 Treibstoff-Zuschlages. Diesel ist der Treibstoff der Wirtschaft und auch der Landwirtschaft. Eine Erhöhung der Steuern wird nun einmal die Inflation wieder anheizen“, so Thumser.
In der Zuckersteuer sieht er nicht nur eine weitere unnötige Maßnahme, die ebenfalls die Inflation in die Höhe treiben wird, er sieht auch eine Gefahr für die Gesellschaft. „Worüber niemand spricht: in Großbritannien, wo es bereits eine Zuckersteuer gibt, kam es zu einer Verschiebung und einem Mehrkonsum von Produkten mit Zuckerersatzstoffen. Diese sind – wie man ja weiß – gesundheitlich zu hinterfragen“, so Thumser. Er kritisiert in der neuen Steuer die Autoren nicht wegen der Zielsetzung, sondern wegen der Umsetzung. „Nicht nur hier fehlt mir der holistische Blick“, so Thumser abschließend.