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Premiere in vieler Hinsicht: Studie zum Einkauf

Premiere in vielerlei Hinsicht

Für mich wird der Gründonnerstag, 9. April in die Geschichte eingehen: ich durfte der ersten digitalen Zoom-Pressekonferenz beiwohnen - Thema: Einkaufen in der Krise.

Nicht nur, dass es eine wirklich neue Erfahrung war, an einer virtuellen Pressekonferenz dabei zu sein, auch das Thema war wirklich spannend: Einkaufen in der Krise. Die Studie wurde erarbeitet vom Gallup Institut (Dr. Andrea Fronaschütz), dem Institut für Handel & Marketing der WU Wien (Ausschnitt aus einer umfangreichen Studie von Univ. Prof. Dr. Peter Schnedlitz und Ass. Prof. Dr. Anton Salesny) und der WKO Sparte Handel. 

In vieler Hinsicht wird die Krise zu doch merkbaren Veränderungen führen, was das Einkaufsverhalten sowohl stationär als auch digital betrifft. Aber auch der Bezahlmodus im Handel wird sich verändern. Viele bisher zart angegangenen Themen, wie kontaktloses Bezahlen, aber auch Einkaufen im Internet bekommen einen starken Schub. Dieser wird – so könnte man es zusammenfassen – stark von der älteren Bevölkerung getrieben. Denn: So sehr wir oftmals ein Jammern hören, dass wir NUR wegen des Schutzes der Älteren all diese Maßnahmen auf uns nehmen müssen (was ethisch sehr fragwürdig ist), so sehr seien wir versichert: es wird diese Zielgruppe der ab 60 jährigen fitten, rüstigen und geistig modernen Altersgruppe sein, die die Umsätze im Handel wieder zum Sprießen bringen. Sie haben nämlich aufgrund vieler Einflüsse, wie etwa ein gesichertes Einkommen durch die Pensionen oder endlich wieder Gesellschaft zu haben das größte Bedürfnis ENDLICH wieder aus dem Haus zu kommen und ihr Geld auszugeben.

Im Gegenteil dazu sind es die 31-40 Jährigen, die sich die größten Sorgen machen: um ihre Jobs, um die Wirtschaft, um ihr normales Leben.

Sehnsucht nach Normalität

Stichwort normales Leben: Dr. Schnedlitz nennt es die Sehnsucht nach Normalität, die uns nach der Krise alle wieder ereilen wird. Einige Dinge werden sich ändern, wie die vorher genannten, doch viele Zukunftsszenarien, die VOR der Krise angedeutet wurden, dass wir nämlich zu Robotern verkommen, diese werden nicht eintreten. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das Kontakte zu anderen Mitmenschen sucht und deshalb wird er auch wieder einkaufen gehen. 

Auch aus einem weiteren Grund wird sich beim Einkauf in Zukunft nicht allzu viel ändern: Wenn zur Zeit der Plankauf in den Geschäften dominiert, so wird es später wieder der Genusskauf sein, den man vermisst hat und der dann wieder kommt. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, Einkaufen unterliegt einer Habitualisierung“, so Dr. Schnedlitz. Wir beginnen nach der Krise ja nicht bei Null was unser Einkaufsverhalten betrifft, sondern jeder und jede für sich hat ja bereits viele Erfahrungen. Und besonders freuen sich die Konsumenten auf den Einkauf von schönen Dingen, wie Blumen & Co., wenn die Geschäfte am 14.4. wieder öffnen.

Aber eines vorweg: Da nur bestimmte Geschäfte geöffnet sein durften, gibt die Mehrheit der Menschen in Österreich (57 %) aktuell weniger Geld im Handel aus. Das könnte auch in der Zeit nach Corona der Fall sein. Das ist eines der ernüchternden Ergebnisse der repräsentativen Befragung (n=1000), von 2. bis 5. April. “Das bedeutet für den österreichischen Handel, dass wir die bisherigen Umsatzverluste heuer nicht mehr aufholen können”, sagt Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel. 

Kein Freibrief

Spannend ist auch noch der Aspekt des neu generierten Online-Handels. Vorweg: im stationären Handel werden die Konsumenten auch nach der Krise vermehrt auf regionale und österreichische Produkte achten. Die Krise hat gezeigt, dass österreichische Produkte wertvoll sind und dass es sich auch in Zukunft lohnt, sie zu kaufen, um die Wertschöpfung im Land zu behalten. Das große Aber: 71% der Österreicher haben online geshoppt, davon 7% zum ersten Mal in ihrem Leben: nicht nur ältere, sondern auch jüngere. Zwei Drittel der Erstkäufer werden auch nach der Krise im Internet einkaufen und deshalb ist es auch hier wichtig, dass es Plattformen mit österreichischen Produkten gibt. Und nun das Aber: Es genügt nicht, einfach präsent zu sein, denn am Ende des Tages muss sich auch ein kleiner Online-Anbieter mit Amazon messen können. „The winner takes it all“ lautet die Devise und Amazon hat es bis dato einfach wirklich gut verstanden, die Quadratur des Kreises im Online Shopping zu lösen. Was muss man nämlich haben und sein? Günstig, gut in der Logistik, eine sehr gute Verfügbarkeit der Produkte, man muss alle Bezahlmöglichkeiten haben und wenig bis keine Lieferkosten verrechnen. Bis dato sticht hier keine österreichische Plattform als Leuchturmprojekt hervor, sind sich die Experten einig. Ein Webshop ist kein Selbstläufer!

Lebensmittelhandel & Globalisierung

Der Lebensmittelhandel hat sich in den letzten Wochen als souverän präsentiert und alle Maßnahmen sehr gut mitgetragen. Das Revival des Einkaufszettels stresste manchmal Konsumenten und Handel (Out of stock, etc.), aber im Prinzip sind Diskont und Vollsortimenter mit den Bedingungen gut umgegangen. 

Was wir in Zukunft überdenken müssen, ist die Globalisierung. Denn was Reisen und Versorgung angeht, werden wir noch lange nicht an dem früheren Punkt angekommen sein. 

Daten und Fakten im Detail

Meinungsforscherin und Gallup - Geschäftsführerin Dr. Mag. Andrea Fronaschütz: "Die Österreicher erwarten die Öffnung des Handels, 57% geben derzeit weniger Geld aus als vor der Krise, und nur 11 % davon haben vor, das nicht ausgegebene Geld zur Gänze aufs Sparbuch zu legen.“ Dies, obwohl das Verständnis für die Maßnahmen noch anhält. Handelsforscher Prof. Dr. Peter Schnedlitz: „Die Menschen unterstützen grundsätzlich die Schließung von nicht lebensnotwendigen Geschäften (78 %) und von Gastronomiebetrieben (88 %). 

Bemerkenswert ist die Bereitschaft bei den älteren Generationen, das Versäumte nachzuholen: in der Altersgruppe der 61-70 Jährigen beabsichtigen 18 % nicht verwendetes Geld zur Gänze auszugeben, in der Altersgruppe 71+ Jahre sogar 22 % (gegenüber dem Bevölkerungsschnitt von 12 %). Die geringste Bereitschaft dazu, oder die größte Vorsicht, zeigt sich bei der Gruppe der 31-40 Jährigen mit 6%. Wo haben die Österreicher den größten Aufholbedarf? An erster Stelle stehen Reisen und Urlaub und auch bei diesen Angaben setzen sich wiederum die Senioren an die erste Stelle der Nennungen. Den vielzitierten rüstigen kaufkräftigen älteren Bevölkerungsschichten fehlt auch die Gastronomie (52 %), das haben sie gemein mit der Generation ihrer Enkel (53 %). 

In folgenden Produktgruppen werden die Befragten ihre Käufe nachholen: Kleidung und Schuhe (42 %), Lebensmittel (40 %), Blumen und Gartenartikel (34 %), im Baumarkt (25 %). Hamsterkäufe sind in nächster Zeit nicht zu erwarten. Die Menschen haben Vertrauen in die Lieferfähigkeit der Händler. Eine Ausnahme bilden aufgestaute Einkaufswünsche in Bau- und Gartenmärkten. Dabei handelt es sich vor allem um Saisonware. 

Gewinner Onlinehandel 

71 % der Befragten haben während der Coronakrise online eingekauft, davon 7 Prozent zum ersten Mal. Dieses erste Mal hat überwiegend bei internationalen Plattformen stattgefunden. 

Nur in einigen Produktgruppen können die heimischen Online-Shops mehr Österreicher anziehen als die internationalen: Pflanzen und Gartenbedarf (52 % vs. 32), Lebensmittel (53 % vs. 30), Möbel (55 % vs. 36). In der stärksten online Kategorie Kleidung und Schuh hingegen punkten die internationalen Anbieter mit 70 %. Fragt man die Österreicher, was sie motivieren könnte, in Zukunft häufiger bei österreichischen Online Shops zu kaufen, so steht die Gratis Lieferung ganz oben auf der Wunschliste mit 79 %, gefolgt vom Angebot regionaler oder heimischer Produkte mit 61 %. 

Im übrigen : 44 % der Befragten finden es nicht richtig, dass der LEH Produkte wie Textilien, Spielwaren und andere Non-food Produkte verkaufen darf, während der Fachhandel geschlossen halten muss. 

Strenge Hygienevorschriften im Geschäft (63 %), Warenverfügbarkeit, der Umgang der Händler mit ihren Mitarbeitern (jeweils 41 %) sowie die Regionalität der Produkte (40 %) sind den Österreichern in der Coronakrise wichtiger als zuvor. 

Bargeldlos im Vormarsch, Bargeld in der Krise 

Die Umfrage zeigt: auch das Bezahlverhalten hat sich geändert. Kontaktloses Bezahlen erlebt seit dem 16. März einen regelrechten Schub. Die Befragten geben an, diese Bezahlform nun deutlich häufiger anzuwenden: 43 % mit der Bankomatkarte, 28 % mit der Kreditkarte, Kartenzahlung mit Codeeingabe verwenden 33 % häufiger als früher. 41% der Österreicher sehen die Ansteckungsgefahr über Bargeld. Ein gutes Drittel (35 %) gibt an, nach der Krise weiterhin die Einkäufe weniger oft mit Bargeld begleichen zu wollen. Fronaschütz: Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der hohe Anteil in den älteren Altersgruppen, die nicht im vollen Umfang zur Barzahlung zurückkehren wollen, also eine digitale Veränderung annehmen. Sie äußern auch am deutlichsten den Wunsch nach Beibehaltung des erhöhten 50  Limits für kontaktloses Bezahlen.“ 

Wird die Krise Spuren im Einkaufsverhalten hinterlassen? 

Die Bedeutung regionaler Produkte und heimischer Unternehmen wird sich auf einem höheren Niveau als vor der Krise einpendeln. Bei anderen Aspekten, wie den derzeit verkürzten Öffnungszeiten, ist das weniger zu erwarten. so Fronaschütz. 67 % geben an, auch nach der Krise mehr regionale Produkte und 63 %, bei heimischen Unternehmen kaufen zu wollen. 42% % geben an, das Einkauferlebnis in Einkaufsstrassen und Shoppingcentern mehr zu schätzen und zu genießen als vor der Coronakrise. Zusammenfassend Prof. Schnedlitz: „Der Handel ist stets Marktplatz (Ort des Einkaufens) und Dorfplatz (Ort der menschlichen Begegnung) zugleich. Einmal mehr zeigt sich in diesen von COVID 19 geprägten Wochen: fällt eines von beiden aus, fehlt etwas.“ 

Autor: Gabriele Jiresch

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geschrieben am

09.04.2020