Handel zieht Handel an
Dass der stationäre Handel im Online-Handel einen Konkurrenten bekommen hat, ist nichts neues. Dass er die Situation jedoch nicht richtig eingeschätzt hat und nun vor mehreren Baustellen steht, ist für viele – vor allem auch kleine Händler neu und bitter. Mag. Hannes Lindner und Dr. Roman Schwarzenecker, Gründer von Standort + Markt haben es schon vor mehr als einem halben Jahr erkannt und immer wiederholt: „e-Commerce ist auf der Straße angekommen“.
Warum sie das mit felsenfester Überzeugung sagen können, ist einfach: seit sechs Jahren analysieren und dokumentieren sie Straße für Straße die einzelnen Einkaufsstätten im Lande: zunächst nur die großen Städte, schließlich kamen auch kleine Städte dazu. Heuer – im dritten Gesamt-Update – wurden 22 große innerstädtische Geschäftsbereiche und 16 Kleinstädte unter die Lupe genommen. Die jährliche S+M City-Research ist abgeschlossen und Grund zur Sorge wäre gegeben: das erste Mal seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2013 ist die Gesamtheit der City Shopflächen nicht mehr gewachsen, sondern hat sich um 0,3% reduziert. Dieser Wert ist zu vernachlässigen, könnte man meinen. Gäbe es nicht die guten A-Lagen, so müssten alle Alarmglocken läuten. Denn: in den Kleinstädten liegt der Leerstandsanteil bei durchschnittlich 16,8%. Die 22 großen Citybereiche weisen einen Leerstand von 5,1% im Durchschnitt auf.
Nicht nur online in Schuhe schieben
Diese Entwicklung darf man nicht ausschließlich dem e-commerce in die Schuhe schieben. So manche negative Entwicklungen der Handelslandschaft sind von der Bundespolitik und Landespolitik, aber auch so einigen Händlern hausgemacht. Hannes Lindner dazu: „Es reicht nicht, wenn man in einem Ort die Parkbänke grün anstreicht oder Pop-Up Stores eröffnet“. Zu einer effektiven Neuausrichtung gehören Mut, Budget und helle Köpfe. Städte und Orte müssen sich neu organisieren, die City muss Schicht für Schicht analysiert werden und auf die einzelnen Problempunkte reagieren. „Handel zieht Handel an, jede Einkaufsstraße und City hat ihren eigenen Fingerprint und den muss man beherzigen“, so die Standort + Markt-Analysten. Förderungen und Kleininvestitionen sind nicht die alleinigen Lösung – wenn, dann nur kurzfristig. Eine Stadt braucht neben der Verwaltung unbedingt eine Entwicklung.
Österreich-Überblick
10.060 Shops auf 1,63 Mio. m2 Verkaufsfläche liegen den Analysen zu Grunde. Wie bereits erwähnt, ist erstmals die Gesamtheit der City-Shopflächen nicht mehr gewachsen. Dort, wo man die Trendwende erkannt hat, werden Shopflächen vom Markt genommen und zu artfremden, aber erfolgreichen Nutzungen angeboten. Dazu zählen unter anderem Gemeinschaftspraxen von Ärzten. In Villach und Wiener Neustadt gibt es dazu gute Beispiele.
Händler wollen die besten Lagen, das zeigt eine Erhöhung des Shopflächen-Index (Geschäftsfläche je Laufmeter in der Geschäftsstraße. Der Index liegt nun in der A-Lage bei 40,7 m2 je einem Meter Straßenlänge, er hat sich in den letzten fünf Jahren um 5,2% erhöht. Im Gegensatz dazu hat sich der Wert des gesamten Innenstadtbereiches leicht rückläufig verändert (von 22,6 m2 auf 22,5 m2). Das ist eine Absage an die B-und C-Lagen und gleichzeitig eine Shopflächen-Konzentration in den Innenstädten. Auch die Immobilien-Wirtschaft investiert in A-Lagen, was mancherorts für Unmut sorgt, da die Mieten in die Höhe schnellen und für kleine Händler oder Solisten unbezahlbar werden. Dabei sind es innovative und flexible Solisten, die einem Stadtbild einen gewissen Charme verleihen. Zu den viel diskutierten Mietpreisen fallen in den A-Lagen auch die sogenannten „Mittelsmänner“ negativ auf, die zwischen Mieter und Eigentümer vermitteln und nicht der Verbesserung des Stadtbildes dienlich sind.
Kleine Cities haben große Probleme
In der Analyse fiel heuer vehement auf, dass Kleinstädte mit hohen Leerständen zu kämpfen haben. Die dokumentierten 22 größten Citybereiche weisen einen Leerstandsanteil 5,1% auf, während die 16 Kleinstädte dreimal so hoch liegen. Beispiele dafür sind Bruck an der leitha, Liezen, Knittelfeld, St. Veit an der Glan, Spittal an der Drau oder Gmunden. Bruck an der Mur ist durch die Schließung und den Umbau des Leiner-Standortes betroffen. Die Gründe für die betroffenen Gemeinden sind vielfältig: zum einen ist natürlich die Shopflächen-Expansion in der Peripherie mit ein Grund. Die Fehler der Vergangenheit werden jetzt spürbar, gepaart mit der Bequemlichkeit des Konsumenten. Das Auto und somit den Kofferraum aus der Stadt zu verbannen, ist mit Sicherheit eine Fehlentscheidung. Nicht umsonst hat e-commerce vor allem im Modebereich stark angezogen, weil es der Konsument bequem haben möchte. Eine Mischung aus Bildung, Gastronomie, Wohnen, Kultur, Freizeit und Services ist die richtige Lösung. Wo sich Menschen bewegen, da siedelt sich Handel sehr rasch an und wo Handel ist, da kommt mehr Handel dazu. Ein Punkt ist dabei nicht zu vergessen: ohne Moos nix los, es braucht geeignete Investoren.
Handelsverband nimmt Studie als Grundlage
Der Handelsverband nimmt die Studie von Standort+Markt (die im übrigen käuflich zu erwerben ist) zum Anlass, um abermals an Politik und Gesellschaft zu appellieren, Maßnahmen zu setzen und Rahmenbedingungen zu verbessern: problemlose Zulieferungen schaffen, Ladenzeiten abzustimmen (ZB die Tourismuszonen in Wien), zeitgemäße Mietvertragsgestaltungen, eine Reform der Raumordnung, faire Behandlung der Händler aus online und offline gleichermaßen, gezielte Leerstandsbekämpfung und Förderung des Omnichannel-Handels.