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Mag. Hannes Lindner berichtet laufend über die Entwicklungen der Shopping Places in Österreich anhand von Corona-Shut-Down

Update: "grand re-opening"

Mag. Hannes Lindner von Standort+Markt berichtet laufend über die Entwicklungen der Shopping Places in Österreich anhand von Corona-Shutdown.

30. April - in zwei Tagen offen alle Geschäfte

Das "grand re-opening" steht bevor, die Betrachtung ist "historisch".

Seit 14.4. ist der Retail Shutdown einer schrittweisen Öffnung gewichen: Lebensmittelgeschäfte, Drogerie-, Bau- und Gartenmärkte sowie Geschäfte mit weniger als 400 m² Verkaufsfläche dürfen unter strengen Gesundheitsauflagen öffnen; Einkaufszentren, die größeren Shops und ergänzende einzelhandelsbegleitende Nutzungen werden mit 2. Mai folgen. Wie schon ausführlich in vorangegangenen Pressemitteilungen von uns berichtet, hat und wird der Shutdown deutliche Spuren in der Shop-Landschaft hinterlassen: Pro Shutdown-Tag verlor alleine der stationäre Einzelhandel in Österreich bis dato durchschnittlich rund 110 Mio. € Brutto-Umsatz, der Umsatzverlust von Gastronomen und Dienstleistern ist hier noch nicht berücksichtigt. Den Bestandsgebern von Shopflächen droht ein immenser Einnahmen-Entgang: pro Monat sind es in Österreich 200 Mio € Miet- und Betriebskosteneinnahmen, die mit Shopflächen generiert werden; die Shopping Malls und Retail Parks, um die es in unserem Beitrag geht, generieren davon alleine monatlich 76,5 Mio €. 

Die Trends

Aufgrund des Umsatzausfalls und der Liquiditätsengpässe treten Schwächen in der Shopflächen-Landschaft deutlich schneller zu Tage als dies bei normalem Geschäftsgang der Fall gewesen wäre. Durch den verordneten Shutdown forcierte sich der Kontakt der Österreicher mit E-Commerce. Auch wenn die E-Commerce-Umsatzzahlen in der Shutdown-Phase nicht berauschend waren, erwarten wir Langfristwirkungen zu Lasten des stationären Handels. Der Shutdown macht Bruchlinien im Shopflächen-Geschehen deutlich und wird unserer ersten Einschätzung folgende Konsequenzen auf die Shoppingcenter-Landschaft in Österreich haben:

Corona-Shutdown-getriebene Trends:

  • Die Fluktuationsrate (wie häufig wechselt ein Shop die Nutzung?) in den österreichischen Shoppingcentern liegt derzeit bezogen auf einen 2 Jahres-Beobachtungszyklus bei 13,6%. Die Fluktuationsrate wird in den kommenden 2 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 15 und 20% liegen.
  • Mit der Fluktuation wir auch der Leerstand steigen: Die Leerstandsrate (Anzahl der leerstehenden Shops an der gesamten Shopzahl) lag vor „Corona“ schon bei 7,8 %, wir rechnen hier mit einem Anstieg auf deutlich mehr als 10%. Hier erweist sich der Shutdown einmal mehr als Brandbeschleuniger: Zusätzlich zur laufenden Erosion der Umsätze durch E-Commerce und dem ohnedies starken Flächenwettbewerb werden zahlreiche Standorte deutlich unter die Profitabilitätsschwelle fallen. Bereits heute vernehmen wir die eindeutige Stallorder aus Firmenzentralen, jede unprofitable Filiale umgehend zu schließen. 
  • Die Konsequenz klingt einfach, erweist sich aber für Centerbetreiber möglicherweise als veritables Problem: Der Angebots-Mix steht auf dem Prüfstand und muss adaptiert werden. Kundenbindung gelingt nicht mehr mit „more of the same“, der Mix muss bei großen Zentren „entertaining“ und bei kleinen (nahversorgenden) Centern „convenient“ sein. Aber insbesondere bei großen Zentren könnte es sich als unmöglich herausstellen, für die (vormals stolze Miete zahlenden) Modeanbieter einen ebenso zahlungswilligen Ersatz zu finden, der die neuen Anforderungen an das „Unterhalten“ erfüllt. Nahversorgungscenter haben hier eine deutlich bessere Ausgangssituation.
  • Im Zuge der Mobilitätseinschränkungen durch diverse Verordnungen dürften die Einzugsgebiete insbesondere von beliebten, größeren Shopping-Zielen regelrecht implodiert sein. Ehemalige Kunden aus entfernt gelegenen Gebieten bleiben derzeit nachweislich fern, die Verordnungen wirken also. Fraglich ist, ob die alten Kundenbeziehungen wiederhergestellt werden können. Unsere Erkenntnisse gehen derzeit davon aus, dass der Weg sehr steinig sein wird.

Eines steht aus unserer Sicht fest: der Shutdown bringt gravierende Veränderungen sowohl in der Shop-Landschaft, als auch auf Endverbraucherseite, womit die österreichischen Shoppingcenter (neben den Liquiditätssorgen und den drohenden Einnahmen-Verlusten) gleich zwei „Baustellen“ vorfinden: wer mietet zukünftig meine Flächen und wie gewinne ich meine ehemaligen Kunden wieder zurück? Und noch eines steht fest: ein erneuter Shutdown wäre für viele Marktteilnehmer letal. Wir hoffen auf eine Stabilisierung der Lage.

7. April - Weltgesundheitstag

Wie gesund werden Österreichs Shoppingplaces in Zukunft sein, wenn man sie vergisst?

Mit 14. April gibt es für zahlreiche Immobilienbesitzer wohl ein erstes Aufatmen: ein Teil der Shops kann wieder öffnen, damit sollten auch die Mietzahlungen wieder außer Streit stehen und sich die leeren Kassen der Vermieter ein wenig füllen. Der kleinste gemeinsame „Schadens-Nenner“ ist für viele Shop-Bestandsgeber bis dato der Shutdown beginnend mit 16.3.2020 und endend (Stand 7.4. 2020)  per 14.4.2020.

Die Kernfrage unseres Beitrags lautet daher: Wie hoch lässt sich der Schaden der Shopflächen- Bestandgeber für den ersten Zeitraum des Shutdown, also vom 16.3. bis 14.4.2020 beziffern?

Bedauerlich und für viele Branchen-Größen unverständlich: für zahlreiche Betriebe > 400 m2 Verkaufsfläche als auch für alle Mieter außerhalb des primär versorgenden Bereichs in Shopping-Center könnte nach heutigem Stand der Shutdown sogar noch länger dauern. Anlass genug, um wieder einmal Licht ins Dunkel zu bringen: Wie hoch ist der Mietentgang für den ersten „vollen“ Monat2 bei den Bestandgebern von Shopflächen in Österreich? Wie steht es mit den Betriebskosten für einen Monat?

Wir haben zu diesem Zweck ein weiteres Mal unsere hausinterne Datenbank strapaziert, diesmal mit dem Fokus auf die Mieteinnahmen von Shopflächen aus dem Bereich Einzelhandel, Gastronomie, konsumnahe Dienstleis- tung und sonstige Freizeit(shop)flächen, differenziert nach

  • Bestandgeber in Cities (Wien, Landes- & Bezirkshauptstädte; ohne integrierte City-Shopping Malls),

  • Bestandgeber in Einkaufszentren (Shopping Malls und Retail Parks),

  • Bestandgeber von Shops in Fachmarktagglomerationen (ohne Einkaufszentren) und

  • Bestandgeber von Einzelhandelshops in Streulagen (ohne Gastro, Dienstleistung, Freizeiteinrichtungen)

In den den sog. Shopping Places, gibt es rund 50.000 vormals in Betrieb befindliche Shopflächen, davon waren ca. 31.400 Shops vom Shutdown betroffen, das sind 12,3 Mio m2 bzw. 69,6% der gesamten, vor Corona in Betrieb gewesenen Shopflächen.Für die einzelnen innerstädtischen Lagen wurden nun die Shopflächen mit marktüblichen Mietkonditionen verknüpft, für Einkaufszentren lagen uns detaillierte Erkenntnisse sowohl zu den Mietkonditionen als auch zu den Betriebskosten zu zahlreichen Zentren vor. Für die restlichen Lagen in Fachmarktagglomerationen und Streualgen konnten wir ebenso solide Erfahrungswerte aus unserer Datenbank generieren.

Standort+Markt

Die Bestandgeber von Shopflächen in Österreich sind mit rund 31.400 geschlossenen Shops konfrontiert, für die bis dato zumindest ein Verlust einer Monatsmiete wie auch der Verlust von Betriebskosten im Raum stehen.

  • Der drohende Mietentgang aus der Sicht der Bestandgeber von Shopflächen in Österreich beläuft sich für einen Monat auf (zumindest) 166 Mio € netto, der drohende Entgang an (großteils weiter zu verrech- nenden) Betriebskosten beläuft sich auf (zumindest) 30,5 Mio € netto.

  • Der gesamte, drohende Verlust eines Monats beläuft sich aus der Sicht der Shopflächen-Be- standsgeber in Österreich damit auf rund 200 Mio €.

  • Die Shopping Center sind vom Verlust besonders betroffen, sie beklagen mit knapp 80 Mio € rund 40% des gesamten skizzierten Verlustes.

Kommentar & Ausblick

Im großen „Corona-Trubel“ gingen bis dato die Bestandgeber von Shopflächen medial unter, unserer Meinung nach zu unrecht. Die landläufige Behauptung, „da beklagen sich die Richtigen, die schwimmen ja eh im Geld“, mag auf einige wenige Besitzer zutreffen, die Mehrheit der Eigentümer hat aber laufend Kredite zu bedienen und Betriebskosten zu begleichen, sie sind damit ebenso auf laufende Einnahmen angewiesen wie etwa Einzelhänd- ler und Gastronomen. Sollte ein weiteres Shutdown Monat die Shopping Center treffen, könnte es auch für Be- standsgeber und in weiterer Folge ebenso für deren Kreditgeber ungemütlich werden.

Unsere Analysen bringen außerdem sehr deutlich zu Tage, dass der „Sektor“ Shopping Center innerhalb des Marktes der Shopflächen-Bestandsgeber besonders betroffen ist: rund 40% des drohenden Verlustes an Miete und Betriebskosten entfällt auf diese Bestandgeber-Kategorie. Dieses Faktum resultiert einerseits aus dem vom Shutdown betroffenen hohen Shopflächen-Volumen, aber auch aus den außerordentlich hohen Betriebskosten, insbesondere von Shopping Malls. Die Betriebskosten laufen - bekanntermaßen - weiter, egal, ob Besucher kom- men und Umsatz generieren oder nicht. Die Shopping Center trifft es damit besonders hart: da Betriebskosten gewöhnlich an die Mieter (großteils) weiter verrechnet werden, fehlt es auf der einen Seite an Einkommen (Miete), auf der anderer Seite fallen aber nach wie vor Kosten an, eine auf längere Dauer prekäre Situation.

Wenig verwunderlich ist in diesem Zusammenhang der Unmut der Shopping Center zur Lockerung des Shutdown im Retail: Welche fachlich objektiven Gründe liegen vor, dass just in Einkaufszentren Shopflächen unter 400 m2 Verkaufsfläche von der Wiedereröffnung per 14.4.2020 ausgeschlossen sind?

 

 

27. März 2020, Mag. Hannes Lindner von Standort+Markt mit einer weiteren Analyse für den Handel:

Wie viel Bruttoumsatz verliert der stationäre Einzelhandel pro Tag im Zuge des verordneten Shutdowns?

Wer sich nicht durch unsere gewohnt sperrige, zahlen-lastige Aussendung quälen will – hier die Ergebnisse im Corona-Newsticker-Stakkato: 

  • Der österreichische stationäre Einzelhandel ist mit einem durchschnittlichen täglichen Umsatzverlust (brutto) von bis zu 113 Mio. € konfrontiert.
  • Der gesamte stationäre Einzelhandel verliert pro Shutdown Tag zumindest 46,4% seines täglichen Umsatzes.
  • Den mit 66,8% stärksten Umsatzverlust verzeichnet der stationäre Einzelhandel in den Cities, gefolgt von den Einkaufszentren mit durchschnittlich 65,2% täglichen Umsatzrückgang.
  • Der Shutdown kostet dem stationären Einzelhandel wöchentlich zwischen 500 und 700 Mio € brutto. Bei 26 Öffnungstagen könnte der fehlende Bruttoumsatz eines Monats bis zu 3 Mrd. € betragen.

Das wahre Ausmaß aus der Warte der österreichischen Shopping Places (Cities/EKZ/Fachmarktagglomerationen/Streulagen) liegt aber noch deutlich höher, weil Umsätze von Gastronomie und  konsumnahen Dienstleistungsbetrieben (wie Friseure, Fitnesscenter, Kosmetiksalons, etc.) noch nicht eingerechnet sind. 

  • Bezieht man alleine die entgangenen Umsätze der Gastronomie (von rund 44 Mio € brutto täglich) mit ein, erhöht sich der durchschnittliche tägliche Umsatzverlust (brutto) aus der Sicht der österreichischen Shopping Places auf 160 Mio €. Der Monatsumsatzverlust liegt damit auf Basis von 26 Öffnungstagen bei rund 4 Mrd. €.
  • Kernaussage in Ziffern: 3 + 1 = 4 (3 Mrd. € Stationärer Einzelhandel + 1 Mrd. € Gastronomie = 4 Mrd. €  Umsatzverlust bei den Shopping Places in einem Monat)

Kommentar und Ausblick

Mit diesem betont nüchternen, aber weder schönfärbenden, noch schwarzmalerischen Ausblick auf die sehr schwierigen kommenden Shutdown-Wochen machen wir uns wohl nicht besonders beliebt. Ein „Augen zu und durch“ in dieser Situation wäre aber fatal, besser ist jedenfalls ein „Augen auf und durch“, so unbequem auch unsere Zahlen erscheinen mögen. Lob in hohem Maße gebührt dennoch der österreichischen Handelslandschaft: Egal, ob SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte oder die bereits dichte Besetzung von Lebensmitteldiskontern mit ihrem hohem Non Food II Anteil – sie alle erweisen sich in diesen schwierigen Zeiten aus Konsumentensicht als perfekte Betriebstypen, als Alleskönner der Grundversorgung, als nahversorgende Kaufhäuser der jüngsten Generation. Das Angebot dieser Betriebe endet - zur Erleichterung und Freude der Konsumenten - nicht bei den von der Schließung ausgenommenen Warengruppen (Bereich Lebensmittel und Drogeriewaren), sondern ragt weit in den sogenannten „Non Food II Bereich“ hinein: Textilien, Elektronik, Wohnaccessoires, Werkzeug und weitere Artikel, die saisonal einfach Sinn machen, so jetzt auch in den kommenden Tagen etwa Blumenerde und Pflanzen.

Bemerkenswert ist auch, dass just die (aufgrund des Flächenverbrauchs und der Angewiesenheit auf den motorisierten Individualverkehr) zuletzt stärker ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen autokundenorientierten, flächenintensiveren Betriebsformate wie Verbrauchermärkte oder SB-Warenhäuser sich besonderer Beliebtheit erfreuen dürften. Ist es das besonders breite Warenangebot, die großzügigeren Gänge, die bequeme Erreichbarkeit mit dem Pkw oder eine Kombination aus all dem, hier scheinen jedenfalls die Kassen besonders stark zu klingeln. Ganz im Gegensatz zu vielen kleineren Lebensmittelanbietern wie etwa Bäckern, deren Erfolg stark von der Passantenfrequenz abhängt und die aufgrund des eingeschränkten Warenspektrums derzeit nicht primär im Fokus eines Wocheneinkaufs stehen.

Generell zeigt sich, dass Standorte mit vormals extrem weitläufigen Einzugsgebieten und entsprechend hoher Passantenfrequenz wie etwa die Wiener Mariahilfer Straße oder die Herrengasse in Graz Frequenzeinbrüche von über 90% erleiden. Die heute vorliegende Angebotsstruktur in diesen ehemaligen Hot Spots ist auf ein großes Einzugsgebiet mit entsprechend hohem Kundenaufkommen angewiesen. Kurzum: die bisherigen Standort- Gesetzmäßigkeiten vor Corona sind durch den exogenen Schock der massiven Bewegungseinschränkung derzeit außer Kraft gesetzt. Was gestern Top war, kann in der momentanen Situation ein fürchterlicher Flop sein: Ehemalige Top-Standorte mit richtig üppigen Einzugsgebieten werden derzeit zu Nahversorgungsstandorten degradiert. Das fatale dabei ist, dass die Kosten just dieser Top-Standorte erheblich sind. Es tut sich damit unweigerlich eine gewaltige Schwere auf: Niedrigste Umsätze bei sehr stolzen Standortkosten, dazu natürlich Personalkosten und möglicherweise höhere Abschreibungen durch größeren Verderb. Wir gehen davon aus, dass primär Großformate für den Wocheneinkauf und Lebensmitteldiskonter vom neuen räumlichen Käuferverhalten profitieren. Damit bringen wir gleichzeitig zum Ausdruck, dass die von uns prognostizierten Umsätze in den noch offenen Geschäften sich kaum wie in der Situation vor dem Shutdown verteilen, vormals frequenzumspülte Standorte trocknen derzeit aus, die Umsätze verteilen sich nicht wie zuvor. Diese spezifische Situation wurde in unserer obigen Modellierung übrigens noch nicht berücksichtigt, Innenstädte könnten damit noch stärker unter Druck sein als es ohnehin heute schon im Zahlenwerk ersichtlich ist.

Der derzeit (möglicherweise im größeren Umfang als üblich) stattfindende Verkauf von Non Food II Artikeln durch Anbieter aus dem Kerngeschäft „Lebensmittelhandel“ dürfte bereits heute den Unmut von so manchen Handels- betrieben schüren, die (großteils) entweder schließen mussten oder (zu einem geringeren Teil) zwar offenhalten, aber das Non Food II Sortiment nicht verkaufen dürfen und dieses räumlich abzutrennen haben. Die Maßnahmen werden zwischenzeitlich von manchen Händlern zum Teil als stark wettbewerbsverzerrend wahrgenommen, ein in dieser Situation vielleicht aufs erste befremdlich wirkender Reflex, den wir aber schlussendlich weniger der Kategorie „Neid“ zuordnen als einer puren, tiefen Angst und Sorge um die eigene Zukunft: die Corona-Krise ist ein Brandbeschleuniger in der ohnedies schon angespannten Handelssituation. Solide Betriebe mit ausreichen- der Liquidität werden die Konkurrenten, die zuvor schon wirtschaftlich angeschlagen waren, beispiellos überholen. „Cash ist King“, althergebracht, aber wahr: Betriebe mit „Cash“ werden in der Reboot-Phase erhebliche Mittel für Marketing, Übernahme der besten Standorte ehemaliger, in Konkurs gegangener Konkurrenten sowie für den Umbau und die Digitalisierung der eigenen Läden einsetzen. Die Kluft zwischen gesund, krank und notleidend wird deutlich zulegen. In wie weit sich in dieser Situation kleine Handelsbetriebe behaupten können wird sich weisen, - „klein, wirtschaftlich solide und wendig“ könnte so manchen Tanker mit den Attributen „groß, angeschlagen, träge“ schlagen. Fest steht bereits heute: Die Dauer der Krise hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit direkten Einfluss auf die Zahl und Vielfalt der zukünftig am Markt agierenden stationären Händler.

 

20.3. 2020 Analyse von Mag. Hannes Lindner, Standort+Markt

Ein ganzer Tag Shutdown in Österreich – was bedeutet dies umsatztechnisch für die „Shopping-Places“ des Landes?

Objektive Information ist das Gebot der Stunde. Um allfälliger Panik, aber auch einem gefährlichen Schönreden der Situation im Einzelhandel vorzubeugen, sehen wir von Standort+Markt uns aufgrund unserer einzigartigen Datenbasis zu den Shopflächen in Österreich verpflichtet, in mehreren Wellen unsere Analysen zur momentanen Verfassung der „Shopping Places“ ** der Öffentlichkeit in aggregierter Form zugänglich zu machen.

Umsatzverlust aus der Sicht der österreichischen Shoppingcenter. Gibt es eine Prognose?

Unseren ersten Research-Schwerpunkt haben wir in den letzten Tagen auf die Frage des voraussichtlichen täglichen Umsatzrückgangs bei den Shopflächen in Shopping Center, aber auch ausgewählten Innenstädten gerichtet. Auf Basis unserer gerade in Fertigstellung befindlichen S+M Dokumentation Shopping Center Österreich 2019/20 gibt es in Österreich 242 Shopping Center mit insgesamt 4,07 Mio. m2 vermietbarer Shopfläche, davon 141 Shopping Malls und 101 Retail Parks. Der jährliche Bruttoumsatz dieser 242 Center lag im Jahr 2019 bei rund 13,0 Mrd. € (vorläufiger Wert), der von gut 8700 Shops erwirtschaftet wird.

In unserem GIS System haben wir jede einzelne Shopfläche verortet, mit Nutzungen belegt und Kennziffern zur groben Abschätzung des einzelbetrieblichen Umsatzes hinterlegt. Damit ist es uns möglich, bereits heute einen Ausblick über den wahrscheinlichen tagesdurchschnittlichen Umsatzentgang im Zuge der verordneten Schließung von Shopflächen in Österreichs Einkaufszentren zu ermitteln. Das Ergebnis des sehr umfangreichen Datengerüsts stellt sich – vorläufig, also ohne Berücksichtigung weiterer Spezifika wie etwa Wochenganglinien, Saisonen oder Zwickeltage -, wie folgt dar:

 

Aus obiger Tabelle geht hervor, dass von den rund 4,1 Mio. m2 Shopfläche in den österreichischen Einkaufszen-tren etwa 77%, damit rund 3,1 Mio. m2 Shopflächen im Zuge der Regierungsmaßnahmen geschlossen bleiben müssen. Auf Basis des Vorjahresbruttoumsatzes (rund 13,0 Mrd. €) dieser Zentren lässt sich für 300 Öffnungstage ein erster theoretischer tagesdurchschnittlicher Umsatzsollwert für sämtliche Shopflächen in den österreichischen Einkaufszentren ermitteln. Dieser Sollwert liegt bei 43,3 Mio € täglich. Tatsächlich wird aber nur 31,5% des Umsatzes erzielt. Täglich gehen den Shopbetreibern in österreichischen Einkaufszentren damit aufgrund des Shutdown 68,5% des Umsatzes, das sind 29,7 Mio. € (brutto), verloren.

Interessant und nachvollziehbar dabei ist, dass Retail-Parks aufgrund ihres deutlich stärker auf die primäre Nah- versorgung ausgerichteten Mix von den Umsatzverlusten deutlich schwächer betroffen sind als Shopping Malls. Insbesondere größere Malls mit hohem Bekleidungsanteil haben hier besonders zu kämpfen. Aber nicht nur die Umsätze der Händler bleiben aus, auch die Mieten in den Centern wollen bestritten werden: geht man (konservativ) von einer Netto-Monatsmiete bei Shopping Malls im Österreich-Durchschnitt von € 25,- /m2 vermietbarer Fläche und Betriebskosten von € 8,-/m2 aus, so kosten die zwangsgeschlossenen Flächen monatlich in Summe knapp 76 Mio € (netto). Bei Retail Parks setzten wir eine Durchschnittsmiete von netto € 12,5/m2 monatlich und Betriebskosten von € 2,0 m2an, womit in Fachmarktzentren die nicht nutzbaren Flächen monatlich mit insgesamt 12,0 Mio € zu Buche schlagen. In Summe stehen damit monatlich knapp 90 Mio € Kosten im Raum, um die wohl zukünftig trefflich diskutiert wird, wer sie zu begleichen hat.

Welcher Ausblick ergibt sich?

Es ist evident, dass der Shutdown sowohl Shopbetreiber, als auch Centereigentümer auf eine harte Probe stellt. Das Konfliktpotential (Mietpreisdiskussion) war schon vor „Corona“ hoch, primär entfacht durch Umsatzverschiebungen vom stationären Handel zum Distanzhandel. Und jetzt noch Corona. Wer erfährt Unterstützung? Wer zahlt die Zeche? Wir von Standort + Markt sehen uns als kommunikatives und analytisches Bindeglied zwischen Handel und Immobilienwirtschaft und hoffen, mit dieser ersten Aufbereitung einen objektiven, versach- lichenden Beitrag geliefert zu haben.

Unser nächster Research-Beitrag wird sich mit den aggregierten Umsatzverlusten je Shutdown-Tag über alle österreichischen Shopping-Places hinweg (Cities, Shopping Malls, Retail Parks und sonstige Fachmarktagglo- merationen) auseinandersetzen. Die ersten Ergebnisse dazu sollten nächste Woche vorliegen. Ein Vorgeschmack über die mögliche Dimension lässt sich schon heute aus dem Bereich der Gastronomie ableiten: Geht man in der österreichischen Gastronomie zwischen Bodensee und Neusiedlersee von einem Netto-Umsatzvolumen von rund 11,5 Mrd € (Jahr 2019) aus, dann liegt der wahrscheinliche Netto-Umsatzentgang alleine in der Gastronomie (bei einem Ansatz von 300 Öffnungstagen) bei täglich 38,3 Mio €. Die aggregierten Österreich- Werte zum täglichen Umsatzrückgang über sämtliche Shopping-Places hinweg werden daher weitere, wichtige Klarheit zum voraussichtlichen Umsatzentgang in diesen schwierigen Zeiten bringen.

 

* Wer die Umsatzverluste für die einzelnen Shopping-Center beziehen möchte, bitte an Standort+Markt wenden.

** Als Shopping Places verstehen wir die wichtigsten Handelsagglomerationen in Österreich, angefangenen bei den traditionellen Hauptgeschäftslagen in den Cities, genauso aber Shopping Malls, Retail Parks und Fachmarktag- glomerationen. Da wir seit 1988 diese unterschiedlichen „Shopping Places“ dokumentieren (und beraten), stehen uns hier umfangreiche, aktuelle Daten zur Verfügung.

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geschrieben am

20.03.2020