Rückblick Grow East Congress 2023
Der Grow East Congress des Veranstalter-Duos Arnold Schuh, Competence for Emerging Markets & CEE an der WU Wien, und Manfred Berger, Partner von ICONIC Consulting & Gründer des Neusicht Think Tank zählte 120 Gäste vor Ort in der Wirtschaftskammer, wo die Veranstaltung mit Gudrun Hager und Gerd Bommer von der Außenwirtschaft Austria/Adavantage Austria stattfand.
Das Thema des Kongresses war gut gewählt. Nach drei Jahren Pandemie und mehr als einem Jahr Krieg in der Ukraine sieht die Welt anders aus. Die Erholung von der Pandemie ging mit einem unmittelbaren Anstieg der Nachfrage, Engpässen in der Lieferkette und Arbeitskräftemangel einher. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 rückten Sicherheits- und politische Aspekte in den Vordergrund. Eine beschleunigte Digitalisierung und der Aufstieg der KI, Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und Inklusion, eine hohe Inflation und eine veränderte Einstellung zur Arbeit haben die Situation für das Management weiter erschwert. Andererseits schaffen Krisen auch Chancen und Raum für neue Unternehmungen. Unternehmerisches Denken und Tatkraft sind umso mehr gefragt, um in solch kritischen Zeiten erfolgreich zu sein.
Die eingeladenen Vortragenden beleuchteten die Entwicklungen in CEE aus verschiedenen Perspektiven - EU, Politik, Wirtschaft und Unternehmen. Arnold Schuh, Direktor des Competence Center for Emerging Markets, WU Wien, begann mit einer Einführung in das Thema. "Bringing back growth to CEE" passt perfekt zur DNA der Grow East Kongressreihe. Er bestritt, dass die Wahl des Themas 2023 ein Akt des "growthwashing" sei. Wenn man nur genau hinsehe, gebe es in der Region viele Wachstumsmöglichkeiten. Er schlug vor, das Wachstumsgefälle in der Region auszunutzen, wo Südosteuropa und der Westbalkan die mitteleuropäischen Volkswirtschaften in den Wachstumsraten aktuell übertreffen. Auf den Wellen der grünen und digitalen Transformation zu reiten (und dabei noch finanzielle Unterstützung aus der EU-RRF zu erhalten) ist ein Garant für Wachstum, ebenso wie das über den regionalen und wirtschaftlichen Geschäftskern Hinausschauen. Auch auf strukturelle Veränderungen in den Branchen zu setzen ist sinnvoll, wie die Hinwendung der Automobilindustrie zur Elektromobilität und die damit verbundenen Investitionen in Giga-Factories für Batterien in Ungarn und anderen CEE-Märkten. Wachstum ist kein Geschenk des Himmels - es braucht unternehmerisches Denken, tiefgreifende Analysen und konsequente Maßnahmen.
Martin Selmayr widersprach der Vorstellung, dass die EU gegenüber den USA wirtschaftlich verliert. Legt man das Verhältnis zwischen dem BIP der EU und dem der USA zu den internationalen Kaufkraftparitäten 2017 in US-Dollar zugrunde, so ist das Verhältnis seit 1995 gleich geblieben. Er plädierte auch für eine EU-Erweiterung um die westlichen Balkanländer und Osteuropa, da diese als Wachstumsmotoren dienen würden. Die „alte“ EU-CEE-Erweiterung hat den Handel zwischen der alten EU15 und der neuen EU12 verdreifacht, aber den Binnenhandel zwischen den EU12 sogar verfünffacht. Die weitere EU-Erweiterung ist aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen notwendig. Es wird jedoch nicht leicht sein die österreichische Öffentlichkeit zu überzeugen, da 60-70% der Bevölkerung gegen die Erweiterung sind (obwohl Österreich einer der größten Nutznießer der EU-Mitgliedschaft und der EU-Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa ist). Gunter Deuber wies in seiner Präsentation auf die höheren Wachstumsraten in Südosteuropa im Vergleich zu Zentraleuropa hin. Letztere plagt derzeit eine Kombination von Stagnation und hoher Inflation (Stagflation). Aber die Arbeitslosigkeit ist aufgrund der angespannten Lage auf den Arbeitsmärkten auf einem sehr niedrigen Niveau, weshalb er von einem “Job-rich downturn” sprach. Er erwartete, dass bis 2025 die Wirtschaftsleistung von CE/SEE zusammengenommen größer als jene Italiens sein wird. Und weitere Wachstumsimpulse sollten von den neuen EU-Enlargement Initiativen (Balkan, Ukraine) kommen.
Marcus How hob die vier aktuellen Triebkräfte der Diskussion in Mittel- und Osteuropa aus politischer Sicht hervor: Sicherheit, Energieunabhängigkeit, wirtschaftliche Liberalisierung und institutionelle Reformen. Es gibt immer noch die Tendenz, die (bereits große) Rolle des Staates in der Wirtschaft zu verstärken, z.B. um der Falle der mittleren Einkommen zu entkommen. Gleichzeitig sehen wir in Ungarn, Polen und Serbien einen Rückschritt in der Qualität der Institutionen(erodierende Rechtsstaatlichkeit und geringere Bereitschaft zur Korruptionsbekämpfung). Seiner Meinung nach müssen wir uns auf einen langen Krieg in der Ukraine einstellen, und es wird keine Rückkehr zum Business as usual mit Russland geben - es gibt keinen nachhaltigen Weg zurück zum früheren Modell. Wie die Enteignung von Carlsberg zeigt, gibt es bei Geschäften mit Russland keine sicheren Räume mehr, die Trennung zwischen sanktionierten und nicht-sanktionierten Geschäften verschwimmt und Geschäfte mit Russland sind daher äußerst riskant. Multinationale Unternehmen müssen dem lokalen Umfeld und der aktuellen Situation (Hauptakteure, ihre Interessen usw.) mehr Aufmerksamkeit schenken, um politische Risiken zu verringern und die richtige Form der Präsenz zu finden. Vladimir Vano wies auf die Risiken hin, die sich aus zu geringen Gasspeicherbeständen und schwankenden Preisen für Gas und LNG ergeben. Ausreichend zugängliche und erschwingliche Energie ist eine wichtige Voraussetzung für ökonomisches Wachstum. Seiner Meinung nach ist die wirtschaftliche Aufholjagd ins Stocken geraten. Er sah nicht "mehr Staat als Lösung" – an dessen Interventionen wir uns während der Covid-19- und Energiekrise gewöhnt haben - und plädierte dafür, sich wieder auf mehr private Investitionen und öffentlich-private Partnerschaften zu besinnen.
Matthias Koch betonte in seinem Vortrag die Bedeutung der EU-Recovery and Resilience Facility für die Konjunkturbelebung und Steigerung der Widerstandsfähigkeit gegen Krisen, über die zusätzliche 720 Mrd. Euro an Zuschüssen und Darlehen bereitgestellt werden, um die Auswirkungen der Krise zu mildern und die EU-Länder umweltfreundlicher, digitaler und widerstandsfähiger zu machen. Die Botschaft der EU ist klar: Wir müssen uns neu erfinden – und jetzt ist der beste Zeitpunkt, damit zu beginnen. Valerie Breitenfeld verwies auf die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Polens. Seit 1990 ist das BIP um das Achtfache gestiegen und die polnische Wirtschaft wuchs sogar in Krisenzeiten. Die EU-Mitgliedschaft war für Polen von entscheidender Bedeutung und das Land nutzte die EU-Mittel effektiv zur Modernisierung seiner Infrastruktur. Polen ist das siebtgrößte Exportland für Österreich, mehr als 600 Tochtergesellschaften österreichischer Firmen sind dort vertreten. Mit der erwarteten neuen EU-freundlichen Regierung wird das Ende der Blockierung der RRF-Mittel einen weiteren Impuls für die Wirtschaft geben. Der "Wiederaufbau der Ukraine" ist ein weiterer Faktor, der ausländische Firmen nach Polen lockt, um nach dem Ende des Krieges in einer guten Ausgangsposition zu sein.