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Harmonische Mutter-Tochter-Beziehungen? Der Wettbewerb zwischen Rewe, Lidl und Aldi auf dem deutschen Heimmarkt und seine Auswirkungen  auf  das Match zwischen Billa/Penny, Hofer und Lidl in Österreich

Harmonische Mutter-Tochter-Beziehungen? 

Der Wettbewerb zwischen Rewe, Lidl und Aldi auf dem deutschen Heimmarkt und seine Auswirkungen  auf  das Match zwischen Billa/Penny, Hofer und Lidl in Österreich

Bericht: Hanspeter Madlberger

Über die Mega-Herausforderung Inflation reden wir, wenn es wieder etwas kühler wird. Und wenden uns statt dessen einem Problemfeld zu, vor dem die Spitzenvertreter unseres LEH gerne die Augen verschließen und über das sich auch heimische Markenartikler nur mit vorgehaltener Hand äußern: Es geht um den sehr unterschiedlichen Abhängigkeitsgrad der Österreich-Töchter Rewe/Billa, Hofer und Lidl von ihren deutschen Konzernmüttern. Zuverlässiger Kompass beim Durchstöbern dieser Beziehungskisten ist das jüngst erschienene EHI Handelsdaten-Jahrbuch 2022, das über Struktur, Kennzahlen und Profile des Handels in Deutschland, Österreich und der Schweiz profund Auskunft gibt.

Rewe revidiert Österreich-Strategie

Die diesjährige Hauptversammlung des Rewe Aufsichtsrates fand erstmals nicht in  Deutschland, sondern jenseits der Grenze, im Ski-Nobelort Kitzbühel statt. Beobachter deuten dies als Zeichen dafür, dass der Kölner Handelskonzern, zu 100% im Eigentum selbstständiger Kaufleute, im südlichen Nachbarland mit dem Firmenkonstrukt des Billa Kaufmanns ein wettbewerbs- und gesellschaftspolitisches Signal setzen will. Rewe-Genossenschafts-DNA verdrängt Wlaschek-Einzelkämpfer-DNA, würden Genetiker sagen. Der Ausstieg aus dem Gastro-Großhandel und der Ausbau der Großhandels-Belieferung selbstständiger Kaufleute (Adeg, Sutterlüty und Billa) geht in diesen Monaten praktisch zeitgleich über die Bühne. Dadurch nähern sich die Rewe-Vertriebsstrukturen in A jenen in D. Vom Foodservice hat sich Mutter Rewe schon unter Alain Caparros verabschiedet (was den Aufstieg von Transgourmet zur Folge hatte), jetzt  steht das erprobte "Markt-Manager"-Modell der Kölner Pate bei der "Privatisierung" von Billa-Filialen.  

Wie sich das Verhältnis zwischen Köln und Vösendorf mittelfristig verändert hat, darüber gibt der fünf-Jahre Umsatzvergleich des EHI-Booklets Auskunft:  Von 2017 auf 2021

  • stieg der Umsatzanteil der Sparte Vollsortiment national (Supermarkt-Geschäft in Deutschland) von 21,2% auf 26,7%,
  • Hingegen stagnierte der Anteil der  Sparte Vollsortiment International (Billa, Merkur, Bipa und Adeg in A und CEE) in den letzten drei Jahren. 2019 lag er bei 10,1%, 2020 bei 10,4%, 2021 ging er auf 10,1% zurück. Billas Rückzug aus der Ukraine (2020) und Russland (2021) schlägt da zu Buche. Und bei der Marktanteilsentwicklung in Österreich lief in den letzten Jahren auch nicht alles nach Wunsch.

Im Discountgeschäft hat die Rewe mit ihrem Format Penny sowohl in D als auch in A einen schweren Stand gegenüber den beiden Giganten Lidl und Aldi. Hier wie dort ist Penny mit seinem vergleichsweise hohen Markenartikel-Anteil willkommener Distributionspartner für Hersteller von B- und C-Marken. Zuletzt ließ Penny in Deutschland mit kreativ gestalteten City-Shopmodellen aufhorchen. Penny Österreich pflegt Fleisch im Bedienungsverkauf als Alleinstellungsmerkmal im Discount-Sektor. Und leidet unter dem Handicap, die erfolgreichen Billa-Marken Clever und Ja!Natürlich, nicht anbieten zu können. Es ist nun einmal so: Mütter tun sich meist schwer, Erfolgsrezepte ihrer Töchter zu übernehmen.

Den bisher größten Wachstumsschub in der Ära Souque verzeichnet der Rewe Konzern im Jahr 2020. Allein durch die Übernahme der Lekkerland Gruppe stieg der Jahresumsatz um 12,5 Milliarden Euro. Hierzulande verhinderte die Kartellbehörde diesen Expansionsschritt. Das Lekkerland Geschäftsfeld trägt die Bezeichnung Convenience und wird als eigene Sparte ausgewiesen. Souque sieht seither seine Rewe als Nummer Zwei im europäischen LEH. Ob die Rewe dank der zugekauften Convenience-Umsätze  an Nachfragemacht bei der Markenartikelindustrie so massiv zulegt, wie es das Umsatzwachstum suggeriert? Zweifel sind angebracht, weil die Lekkerland-Umsätze in beträchtlichem Ausmaß das Tabakwaren-Geschäft in Deutschland und anderen Ländern (Ergebnis der seinerzeitigen Fusion Lekkerland-Tobaccoland) betreffen.

Hofer ist Musterschüler im Aldi-Reich

Die Partnerschaft zwischen Aldi Süd und Hofer ist eine Erfolgsstory der besonderen Art. Schon im Jahr 1968 kaufte Aldi Süd-Ahnherr Karl Albrecht dem damaligen Discount-Startup Helmut Hofer, der das Unternehmen erst vier Jahre zuvor gegründet hatte, seine Ladenkette ab. Den Namen Hofer beizubehalten, war ein einzigartiger Glücksgriff. Das Branding erfolgte nicht ganz freiwillig, weil es damals in Saalbach-Hinterglemm bereits einen Aldi-Markt gab, der sich vom Namen des Eigentümers Alois Dick, seines Zeichens A&O Großhändler in Saalfelden, ableitete. In ganz Österreich wurde der Name Hofer zum Inbegriff des sprichwörtlichen kleinen Mannes, der gewohnt ist, beim Einkauf zu sparen. "Der Hofer war`s, im Zwanzgerhaus" war der erste Hit des damals blutjungen Wolfgang Ambros. Die aktuelle Hofer-Werbung im TV, treffsicher der Inflations-Diskussion angepasst, lässt die Preiswerbung aller drei Hauptmitbewerber temperamentlos-fad aussehen.

Wie gut das Hofer-Konzept bei Österreichs Konsumenten heute ankommt, lässt sich mit  Zahlen klar belegen. Wir vergleichen den Umsatz pro Filiale zwischen D und A: Im Jahr 2021 erreichte

  • Hofer einen Filialumsatz von 8,41 Millionen Euro,
  • bei Aldi Süd lag dieser Wert nur knapp darüber, nämlich bei 8,49 Millionen
  • Aldi Nord hingegen schaffte nur 5,7 Millionen.

Hinter USA und Großbritannien und vor Australien ist Hofer Österreich die drittgrößte Auslandstochter der Aldi Süd Gruppe. Bezieht man die Umsätze der Aldi Nord-Töchter in diesen Vergleich mit ein, dann rutscht Sattledt auf Rang vier ab. Denn Aldi Frankreich hat in den letzten zehn Jahren die Österreicher überholt.

In Zeiten des Klimawandels avanciert die Nachhaltigkeit zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Dass Hofer der Bio-Gallionsfigur Werner Lampert nach dessen Abgang von Billa eine neue Heimstatt bot, erwies sich rückblickend als Volltreffer. Sein Zurück zum Ursprung-Konzept hat auch für Aldi Süd Modellcharakter.

Lidl: Ebenso erfolgreich wie umstritten

Österreichs Lidl-Manager sind wirklich zu bedauern. Sie machen einen tadellosen Job, müssen sich aber damit abfinden, dass ihre 256 Filialen mit einem Jahresumsatz 2021 von 1,47 Milliarden  Euro sowohl auf dem österreichischen LEH Markt (Volumen von rund 25 Mrd.  Euro) und erst recht innerhalb des europaweiten Lidl-Imperiums (Umsatz 2021 inkl. USA: 73,7 Mrd. Euro) einen sehr bescheidenen Rang einnehmen. Im Gegensatz zu Aldi ist Lidl, eine Tochter der Schwarz-Gruppe, relativ spät, nämlich im Jahr 1999 in den österreichischen  Markt eingetreten. Während Lidl und Aldi in Deutschland und auf vielen anderen europäischen Märkten in Augenhöhe miteinander fighten, macht Hofer hierzulande rund dreimal soviel Umsatz wie Lidl. Beim Umsatz/Filiale erreicht Lidl einen Wert von 5,47 Millionen Euro, das ergibt rund 68% eines Hofer-Filialumsatzes. Klar schlägt sich dieser Unterschied in einer höheren Fixkostenbelastung nieder.

Dass der kleine Lidl Österreich im Schlepptau des europaweit größten LEH Konzerns der Schwarz-Gruppe, die mit den beiden Töchtern Lidl und Kaufland einen Jahresumsatz von rund 100 Milliarden Euros stemmt, bei überregional aufgestellten Private Label-Produzenten und bei nicht wenigen Markenartiklern bessere on-Top-Konditionen lukriert, als manche Händler mit österreichischen Eigentümern, darf vermutet werden.

Pikantes Detail: Lidl Schwester Kaufland ist seit vielen Jahren Mitglied der deutschen Markant, des Zentralregulierungs-Spezialisten, dessen Dienste auch eine Anzahl österreichischer Lebensmittelhändler wie MPreis, Unimarkt, Wedl, Kastner oder Kiennast in Anspruch nehmen. Dass auf dieser Plattform Hauskonditionen ausgetauscht werden, davon ist nicht auszugehen. Bleibt die Erinnerung mancher Nah&Frisch-Großhändler an eine Begegnung mit dem öffentlichkeitsscheuen Dieter Schwarz bei einer internationalen Markant-Tagung. Den letzten Großmeister und den letzten Geheimniskrämer des deutschen Einzelhandels nannte ihn vor Jahren das Manager Magazin. Dass Kaufland bislang um den österreichschen Markt einen Bogen machte, ist ein wahrer Segen für Interspar und Billa Plus. Vor Jahren wäre es fast passiert, als Kaufland kurzzeitig bei Prokaufland(!) in Linz wegen einer Übernahme sondierte....

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geschrieben am

22.07.2022