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DasTeam in Wiener Neudorf für Rewe: v.l.n.r.: Harald Mießner, Michael Paterno, Marcel Haraszti, Elke Wilgmann, Robert Nagele und Erich Szuchy.

Rewe Group startklar für Coronomic-Strategie

Was läuft in Deutschland und Österreich bei Öko- und Regional-Marketing?

Bericht: Dr. Hanspeter Madlberger

Die Corona Pandemie stellt die Wirtschaft quer durch alle Branchen vor neue, bisher ungeahnte Herausforderungen. Global, in Europa und hierzulande. Coronomics nennt sich die neue Disziplin, die  herausfinden will, wie sich die Wirtschaft unter dem Vorzeichen von Corona verändert, wo die Risiken- und Chancenpotentiale liegen, welche Strategien zur Bewältigung der Krise jetzt auf politischer Ebene, in den Branchenverbänden, vor allem aber in den einzelnen Firmen gefragt sind.

Dem  „systemrelevanten“  Wirtschaftszweig der Lebensmittelwirtschaft und damit unseren Bauern, Verarbeitern, Lebensmittelhändlern und Gastwirten hat Coronomics bereits eine klare Trendansage zu bieten: Frischprodukte aus der Region und  nachhaltig erzeugte Lebensmittel werden von Corona-besorgten Konsumenten auf längere Sicht deutlich stärker nachgefragt. Das sagte nicht nur dm-Chef Christoph Werner (43) gegenüber der Sonntags-FAZ vom 5.7., Das bestätigen auch April- und Mai-Untersuchungen namhafter Marktforscher. Weil sich aber Öko- und Regionalherkunfts-Marketing nicht im Schnellverfahren in den Firmen implementieren lassen, ist die Bestandsaufnahme der bisherigen Erfolge in diesen beiden Fächern die Grundlage für die Einschätzung künftiger Markterfolge im Post-Corona-Szenario.

So betrachtet, liefert der seit wenigen Tagen vorliegende  Nachhaltigkeitsbericht der Rewe Group ideales Anschauungsmaterial: Wie Corona-fit ist der bedeutendste Lebensmittel-Vollversorger im deutschsprachigen Raum? Für uns Ösis besonders interessant: Wie unterscheiden sich die Öko- und Regionalitätsaktivitäten  der Rewe in Wiener Neudorf von jenen in Köln? Was kann sich Marcel H. von Lionel S. abkupfern und umgekehrt?

Erstes Kapitel: Bio

Ja, natürlich haben die Österreicher bei Bio einen satten Vorsprung: 

o 2019 betrug der Umsatzanteil  des Ja!Natürlich -Sortiments (mit  1.100  Artikeln) am Gesamtumsatz von Billa und Merkur  6,8%, (das sind um 0,1% Punkte mehr 2018).

o  Bei Rewe und Penny in D hingegen lag 2019 der Anteil sämtlicher Bio-Produkte (Hersteller- und Eigenmarken) bei 6% (2018: 5%).  Ja!Natürlich kommt hierzulande für 25 bis 30% des Gesamtumsatzes der Rewe  mit Private Labels auf, bei der Mutter macht  REWE Bio nur 13%  des Eigenmarken-Geschäfts aus. Fällig ist da ein Kompliment an Martina Hörmer, die mit Jahreswechsel von der Eigenmarken-Chefin zur „Marken-Botschafterin“ der Rewe umsteigen wird.

o  Besonders hoch, wenn auch zuletzt leicht rückläufig ist hierzulande der Umsatzanteil von Ja!Natürlich bei Obst und Gemüse:  Er lag 2019 bei 17,1% (2018: 17,7%).

o Nachzügler in Sachen Bio sind diesseits und jenseits der Grenze die Penny-Märkte. In Deutschland steuert Penny Naturgut nur 5% zum gesamten Eigenmarkenumsatzes des Diskontformats beiEcht B!o schafft bei den Penny Märkten in Österreich gerade einmal 2,0%  Umsatzanteil. Besser aufgestellt ist Echt B!o bei Obst und Gemüse mit einem Umsatzanteil von 7,2% (Tendenz steigend). Dennoch muss man feststellen: Die Penny-Bio-Eigenmarke tut sich schwer gegenüber der Konkurrenz im eigenen Unternehmen. Aber auch gegenüber Hofers Zurück zum Ursprung und Spar Natur Pur.

Bemerkenswert: Beim Bio-Geschäft  der Kölner kommt der Zusammenarbeit mit der Herstellermarke Naturland besondere Bedeutung zu. Der Markeninhaber Naturland ist ein internationaler Öko-Verband, dem 65.000 Bauern, Imker und Fischzüchter in 58 Ländern angehören. Mitbewerber Lidl pflegt eine  Partnerschaft mit dem Produzentenverband Bioland und dessen gleichnamiger Marke, die Edeka setzt auf Demeter als  Bio-Herstellermarke. Österreichs Agrarier und ihr Verband Bio Austria haben schon vor Jahrzehnten den Aufbau von Bio-Produzentenmarken gründlich vergeigt.

Warum unsere Rewe von Pro Planet auf Blühendes Österreich umstieg 

Forciert von Köln, ein ungeliebtes Kind in Wiener Neudorf: Das ist Pro Planet, die Nachhaltigkeits-Eigenmarke der Rewe Group für konventionelle Lebensmittel. Bis Ende 2025 sollen 25% der Eigenmarken von Rewe und Penny das Pro Planet-Label tragen. In Österreich wurde das Pro Planet Konzept, das sich von Anfang  an nicht richtig durchsetzen konnte, im Jahr 2017 gründlich überarbeitet und auf die Warengruppen  Obst, Gemüse, Eier und Wein

fokussiert. Nach Analyse von nicht weniger als zehn Öko-Indikatoren (C02-Fußabdruck, Wasserverbrauch, Energieverbrauch  etc.) kam es 2018 zum  de facto-Aus für das Pro Planet Label. An dessen stelle trat die Initiative Blühendes Österreich“, die sich die Förderung regionaler Wertschöpfung, gepaart mit Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt zum Ziel setzte. 2019 waren nur mehr vereinzelte Artikel mit dem Pro Planet-Label am Markt. 

Tierwohl-Initiativen: Rewe Köln dreht an vielen Rädchen

Mit dem Corona-Desaster bei Tönnies entwickelt sich in D wie in A die Diskussion über die ökologischen, gesundheitlichen und ethischen Aspekte der Fleischwirtschaft  zu einem gesellschaftspolitischen Flächenbrand. Die Industrienation Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Schweineexporteur nach den USA. Grundlage ist eine Massentierhaltung, die sich auf enorme  Futtermittelimporte aus Südamerika  stützt. Die verheerenden Auswirkungen auf das Weltklima (Sojaanbau in abgeholzten Amazonas-Gebieten) sind aktenkundig. Neben den ökologischen  Aspekten der Fleischproduktion nehmen die ethischen  Aspekte der  Massentierhaltung in der öffentlichen Diskussion immer breiteren Raum ein. Auch in Österreich, wo sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober dieser Tage beim  „Fleischgipfel“   für kurze, also regionale Lebendviehtransporte aussprach. 

Maßnahmen für eine verbesserte Tierhaltung nehmen im Nachhaltigkeitsbericht der Rewe Köln breiten Raum ein. Folgenden Themen werden konzeptionell angegangen:

o Keine unbetäubte Ferkelkastration

o Die Marke Strohwohl  für Fleisch aus einer Schweinehaltung, bei der den Tieren doppelt soviel Platz zugesprochen wird,  wie gesetzlich vorgeschrieben ist. Ernährung mit gentechnikfreiem Futter ist Pflicht.

o Verhinderung von Kückentötung durch Aufzucht männlicher Kücken (Exklusivmarke Spitz & Bube für Bio-Eier, aus "Bruderhahnaufzucht" ) und Geschlechterbestimmung im Brutei.  Mit dem SELEGGT-Verfahren wird das Geschlecht des Kückens bereits im Brutei ermittelt. Nur weibliche Bruteier werden dann  ausgebrütet. Seit Jahresbeginn  2020 bieten alle  rund 5500 Rewe- und Penny-Märkte diese respeggt-Freiland-Eier an.

Early Feeding für mehr Tierwohl bei frischgeschlüpften Mastkücken. Während in klassischen Brutschränken einzelne Tiere  bis zu 36 Stunden unterversorgt sind und durch Dehydrierung  bis zu 10% ihres Schlupfgewichts verlieren und an Vitalität einbüßen, wird dieses Tierleid durch zwei innovative Verfahren verhindert. Beim HatchCare-Verfahren rutschen die  Kücken gleich nach dem Schlüpfen  in einen gesonderten Korb wo sie  ungehindert Trinkwasser und Futter aufnehmen können. Beim „Schlupf im Stall“-System schlupfen die Kücken direkt im Maststall. Rewe erwartet von den Lieferanten, dass sie diese Early-Feeding.-Verfahren  sukzessive einführen.

o Verzicht auf Käfigeier  und auf Schnabelkürzen.

o Vermarktung von Weidemilch für mehr Tierwohl in der Milchkuhhaltung. Bei der Weidehaltung  stehen die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden der Weide Bei ESL-Milch  in den Rewe Mopro-Abteilungen lag der Anteil  der Weidemilch  im Jahr 2019 bei 19,95%.

o Zucht einer neuen Putenrasse für ökologischere Geflügelmast. Aktuell  stammen 95% der weltweiten Bio-Putenzucht aus zwei Betrieben, die ausschließlich auf Hybridzüchtung resultieren. 

Rewe Bio  unterstützt das Alternativ System von  Biofino, welches auf eine Kreuzung  von englischen Freilandputen der Rasse Auburn  mit einer konventionellen Hybridrasse setzt. Diese neue Rasse  zeichnet sich durch  größere Robustheit infolge langsameren Wachstums aus.

o Last but not least: Sogar für Wachteleier und Büffelmilch hat Rewe spezielle Tierwohl-Auflagen entwickelt.

Billa: Fair zum Tier mit Vier Pfoten

Nicht so umfangreich, aber durchaus beachtlich sind die Tierwohl-Initiativen der Rewe in Österreich. Billa war lange vor den deutschen Kollegen Vorreiter beim Verzicht auf Eier aus Legebatterien. Die Bio Auflagen für die Marke Ja!Natürlich inkludieren hohe Tierwohl-Auflagen für  Fleisch, Mopro und Eier.  Die  bei uns praktizierte Milchwirtschaft mit ihrem hohen Bio- und Heumilch-Anteil braucht auch in Sachen Tierwohl den Vergleich mit  Deutschland nicht zu scheuen. 

Im konventionellen Fleisch-Bereich läuft aktuell die Billa Initiative Fair zum Tier. Sie beinhaltet ein Siegel für höhere, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Standards bei der Tierhaltung. Konkret geht es dabei, speziell bei der Schweinemast um mehr Platz, eingestreute Liegeflächen, Stroh zum Austoben. Wichtige Auflage:  Es sind nur notwendige operative Eingriffe erlaubt, diese dürfen nur unter Betäubung des Tieres vorgenommen werden. Weiters regelt das Programm den Auslauf für Freilandeier-Legehennen und die Gockelaufzucht. Ein Expertenbeirat, in dem auch der Verein Vier Pfoten vertreten ist, kontrolliert das gesamte Maßnahmenpaket. 

Regionale Produkte: Landmarkt der Rewe Hessen setzt neue Maßstäbe

Gerade in Corona Zeiten und speziell seitens der österreichischen Agrarpolitik, die in der Türkis-Grünen Regierung zur Chefsache avancierte, ertönt lautstark der Ruf nach dem Angebot von mehr Lebensmitteln aus der jeweiligen Region. Regionalsortimente zählen schon seit einigen Jahren zu den herausragenden Wettbewerbsfaktoren im rotweißroten Einzelhandel. Regionalität: Ein spannender Dreikampf zwischen Rewe, Spar und Hofer im LEH.

Da geht es zunächst um die Kennzeichnung regionaler Produkte. Rewe Deutschland ist seit 2012  Mitglied im Trägerverein  Regionalfenster e.V.  und hatte 2019 nicht weniger als 463 Regionalfenster-Artikel im Sortiment. Rewe Österreich  fährt seit 2014 in den Billa, Merkur, Adeg- und Sütterlüty Märkten die Eigenmarke-Range  Da komm ich her. Sie umfasste 2019 261  Artikel der Warengruppen Obst, Gemüse und Eier. Beim grünen Sortiment wird das Zusammenspiel von  Saisonalität und regionaler Herkunft ausgelobt. Bei  Penny Österreich läuft das nationale (und somit nicht regionale)  Eigenmarken-Programm  Ich bin Österreich: Es umfasste  Ende 2019 rund  420 Produkte,  deren Zutaten zu 100% aus Österreich stammen und die nach typisch österreichischer Rezeptur hergestellt werden. 

Mit den Regionalitäts-Eigenmarken des Handels hat Österreichs Agrarpolitik wenig Freude. Sie setzt mit großem Nachdruck auf die Direktvermarktung von Lebensmitteln aus bäuerlicher Produktion.  Durch Programme wie Genussregionen Österreich und  das neue Netzwerk Kulinarik.  

Wie regionales Herkunftsmarketing von Landwirten und Einzelhändlern auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind, zeigt  das Modell Landmarkt, entwickelt von  der Rewe Region Mitte in Hessen. Unter der Marke Landmarkt verkaufen Bauernhöfe der Vereinigung der  Hessischen Direktvermarkter e.V. (VDH)  ihre Produkte in  310 Rewe-Märkten  des Bundeslandes Hessen. Das  Landmarkt-Sortiment umfasst mittlerweile über 3.200 Artikel. „Lokalitätsbeauftragte“ der Rewe veranstalten Meetings, wo die Bauern ihre Ware präsentieren können. 

Christian Jochum, Top-Agrarmarketing-Experte der heimischen Landwirtschaftskammer, der sich auch bei der kürzlich veranstalteten Agrarminister-Videokonferenz über Regionale Produkte zu Wort meldete, lobte im Anschluss daran gegenüber dem RetailReport  das Landmarkt-Konzept der Rewe Mitte als beispielhaften Ansatz für eine verbesserte Absatzkooperation zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel. 

Anzumerken ist: Besser als jedes Filialsystem können selbstständige Kaufleute als regionale Absatzmittler  für Lebensmittel von nahe gelegenen Bauernhöfen agieren. Das trifft auf die Adeg Kaufleute in Österreich ebenso zu wie auf die Rewe-Einzelhändler in Hessen. Und bei Sutterlüty, an dessen  Firma die Rewe einen 24,9%-Anteil hält, ist regionales Herkunftsmarketing ohnehin  längst Business as usual. 

 

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geschrieben am

10.07.2020