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Veganer Fleischersatz war das Thema eines Flights beim Rewe Stakeholderforum 2020.

Rewe Group Stakeholder Forum im Zeichen von Corona

Das Leitthema des diesjährigen Rewe Stakeholderforums war "The New Green Economy" – Nachhaltigkeit als Wirtschaftsmotor. Das diesjährige Spezialthema: Veganer Fleischersatz, besonders gefragt in der Klimakrise.

von Dr. Hanspeter Madlberger

Überschattet von der alles beherrschenden COVID-19-Krise ging am 20. 10. das 15. Stakeholder-Forum, nein nicht über die Bühne, sondern über den digitalen Streaming-Kanal. 400 Rewe-Interessierte loggten sich ein. Ungeachtet der Pandemie sich der viel größeren Herausforderung, nämlich der ungestüm herandräuenden Klima-Krise zu stellen und markttaugliche Nachhaltigkeitsstrategien anzupacken, so lautete die Kursvorgabe von Captain Marcel Haraszti. Seine Ansage, mit vielen kleinen Schritten auf eine New Green Economy anzusteuern, fand den Beifall der zugeschalteten Umweltministerin Leonore Gewessler, umweltbewegter NGOs, sowie der Markenartikler Unilever, Procter, Essity, Brau Union, Berglandmilch und LGV (Gärtner Gemüse und Sonnen Gemüse), die sich heuer als Partner für das Forum engagierten. Für die Multis lag der Schwerpunkt der Kooperation beim Bipa-Sortiment mit Körperpflege und Haushaltshygiene. Heimische Rewe-Lieferpartner hingegen sind traditionell auf ihre Stakeholder-Funktion bei den Frischwarengruppen fokussiert.

Beyond Meat ist in Österreich angekommen

Vor diesem Hintergrund durfte man gespannt sein, wie die Ausführungen des Keynote Speakers Chuck Muth, Chief Growth Officer des US-Produzenten Beyond Meat, dessen vegetarische Fleischersatzprodukte (Beyond Burger, Beyond Sausage, Beyond Mince) auch bei Merkur und in ausgewählten Billa-Filialen erhältlich sind, beim Forum ankommen würden. Wer erwartet hatte, Österreichs Fleischwirtschaft würde sich dieser Diskussion stellen, wurde enttäuscht. „Ned amoi ignorier`n“,  so lässt sich der Response heimischer Schnitzellieferanten zusammenfassen, den man als aufmerksamer Info-Fischer am Stakeholder-Stream gewinnen konnte. Kongeniale Schützenhilfe kam aus Straßburg, wo ausgerechnet an diesem Dienstag die Parole ausgegeben wurde, Bezeichnungen wie „Wurst“ oder „Burger“ dürften ausschließlich tierischen Produkten vorbehalten sein. Wohl ein Pyrrhussieg der europäischen Fleischwirtschaft, die damit offenbar im Wettbewerb mit der in den USA bereits hoch entwickelten Fleischersatz-Produktion einen legistischen Schutzwall aufbauen will.

Hannes Royer kontert: Vegan ist nicht regional

Einzige Stimme aus der Landwirtschaft, die sich zum Topthema des Forums äußerte, war Hannes Royer, Biobauer aus Schladming und Initiator der verdienstvollen Plattform „Land schafft Leben“, bei der auch die Rewe neben Hofer, Lidl und anderen Handelsgruppen mitmacht. Royer lieferte mit seinem Statement die Pointe des Tages: Veganer Fleischersatz sei ganz und gar nicht nachhaltig, weil die Rohstoffe dafür nicht aus regionaler, sondern aus globaler Produktion stammten. Hauptrohstoff von Produkten à la Beyond Meat seien Erbsen, die würden hauptsächlich in Frankreich produziert, als  Lieferant von Bio-Erbsen hingegen hätte Kanada nahezu eine Monopolstelle inne. Ob die Forums-Partner der LGV diesen Vorwurf auf sich sitzen lassen? 
In der heimischen Milchwirtschaft zeigt die Veggie-Abwehrfront ohnehin schon Zerfallserscheinungen. NÖM bewirbt aktuell seinen rein pflanzlichen Kakaodrink, mit dem Hinweis „mit Hafer zu 100% aus Österreich“. Die Badener folgen damit dem Beispiel der Berglandmilch.

Für die  wachsende  Zahl der „Vegan-Fleisch“-Aficionados in der heimischen Konsumentenschaft entwickelte die Rewe die Eigenmarke Vega Vita, die aktuell ein Sortiment von 70 Artikeln umfasst. 50% davon sind auch bio-zertifiziert. Eine Nische innerhalb der Veggie-Nische bedient das bei Rewe gelistete Startup Rebel Meat mit seinen tiefgekühlten Bio Burger Paddies (Laberln). Rebel Meat-Co-Founder Cornelia Habacher erläuterte die Rezeptur der Bio Burger: Das Produkt besteht zu 50% aus heimischem Bio-Rindfleisch und zu 50% aus ebenfalls heimischen Bio-Kräutersaitlingen, Bio-Hirse und Bio-Gewürzen sowie Salz und Wasser. 100%ig vegane Fleischersatz-Produkte würde von den meisten Verbrauchern als „hardcore“ abgelehnt, mutmaßt Habacher.

Der Siegeszug von Beyond Meat, von Corona noch befeuert

Steht Rebel Meat solcherart für die nicht untypische, österreichische Kompromissformel im Nachhaltigkeits- und Ernährungs-Disput rund um tierisches und pflanzliches Essen, so verkörpert Beyond Meat einen nicht mehr zu übersehenden, globalen Trend der  Lebensmittelindustrie. Beyond Meat wurde 2009 von Ethan Brown gegründet und brachte 2013 die ersten Hühnerfleisch-Ersatzprodukte unter der Bezeichnung Beyond Chicken auf den Markt. Im selben Jahr folgte das Produkt Beyond Beef. Beyond Sausage ist seit 2018 in den Vereinigten Staaten erhältlich.

Wie Keynote-Speaker Chuck Muth ausführte, liegt die Grundidee seines Unternehmens darin, tierisches Fleisch auf seine Bestandteile hin zu analysieren und diese aus pflanzlichen Rohstoffen nachzubauen. „Redefining Meat“, heißt die Strategie. Die veganen Fleischersatzprodukte bestehen hauptsächlich aus einer Mischung von Wasser, Erbsenprotein-Isolat, verschiedenen pflanzlichen Ölen, Mineralstoffen wie Eisen, sowie Geschmacks- und Farbstoffen. Gegenüber Faschiertem (bei 80 % Fleisch- und 20 % Fettanteil) enthalten pflanzliche Fleisch-Alternativen ebenso viele Proteine, aber 50%  weniger gesättigte Fettsäuren und kein Cholesterol. Sie sind frei von Gluten und gentechnisch veränderten Organismen. 6,9% des Umsatzes  wendet Beyond Meat für Forschung und Entwicklung auf.

Muth nannte drei Gründe, warum pflanzliche Alternativen zu Fleisch als besonders umweltschonend gelten: Erstens, der positive Einfluss auf das Klima (weniger CO2 und Methan), zweitens, eine globale Ressourcenschonung in der Landwirtschaft und, drittens, weniger Tierleid ermöglicht durch die Verringerung der Massentierhaltung.

Aktuell wird Beyond Meat bereits in 85 Ländern angeboten, darunter auch in Österreich. Tesco in UK und in Deutschland Geflügelfleisch-Marktführer Wesjohann leisteten Pionierarbeit bei der Einführung in Europa. Schrittmacher unter den Fastfood-Ketten war 2019 Kentucky Fried Chicken, McDonalds testet die veganen Paddies seit September 2019.

Im vergangenen Jahr lag der Gesamtumsatz von Beyond Meat bei rund 300 Millionen Dollar. Im Juni 2020 startete man die Produktion in Europa, in einer Fabrik des Partners Zandbergen (Niederlande), ein konzerneigener Betrieb in Enschede ist in Planung. 

Die Corona-Krise bescherte den veganen Burgern heuer einen enormen Umsatzschub, insbesondere deshalb, weil, in den USA viele Fleischfabriken als Covid-19-Infektionsherde eingestuft und geschlossen wurden. Wie Muth berichtete, stiegen schon im ersten Quartal die Umsätze im Jahresvergleich um 141 Prozent auf 97,1 Millionen Dollar (89,6 Millionen Euro). Und nach Verlusten in Millionenhöhe in den vorangegangenen Jahren  gelang heuer der Schritt in die Gewinnzone, was von der Börse entsprechend honoriert wurde.  

Blick in eine, wenn auch ungewisse Zukunft jenseits des tierischen Fleisches: Noch sind pflanzliche Burger ein zartes Pflänzchen in den Fleisch-SB-Regalen heimischer Supermärkte. Laut einer Barclays-Studie machen derzeit Fleischersatzprodukte mit einem Volumen von etwa 14 Milliarden Dollar gerade einmal 1 Prozent des rund 1,4 Billionen Dollar schweren weltweiten Fleischmarktes aus. Bis 2029 soll dieser Anteil auf 10 Prozent und ein Volumen von rund 140 Milliarden Dollar steigen.

Fleischersatz bleibt auf dem Speisezettel

Traut man diesen Prognosen, dann blickt auch die Vieh- und Fleischwirtschaft unserer Alpenrepublik spannenden Zeiten entgegen. Ansätze, wie diese Herausforderungen von den Wertschöpfungsketten „vom Hof zum Teller“ mit ökonomischem Hausverstand und ökologischer Verantwortung gemeistert werden können, kamen auf dem Rewe Nachhaltigkeits-Forum zur Sprache. Höhere Qualität, geringe Quantität bei der Fleischproduktion so lautet die von allen Stakeholdern bekräftigte  Generalformel. “Österreichs Landwirtschaft besteht zu rund 50% aus Weideland, damit ist die Viehzucht von herausragender Bedeutung. Einerseits  als Existenzgrundlage unserer Bauern und andererseits  als unverzichtbarer Pfeiler der Lebensmittelversorgung in unserem Land“, betonte Royer.

Und die Rolle der Rewe bei diesem langen Marsch in eine New Green Economy, beyond Corona? Tanja Dietrich-Hübner, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit in der Rewe International AG, nannte als Leuchtturm-Projekt die Aktion „Blühendes Österreich“, die vor allem das Ziel verfolgt, die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren (Schmetterlinge, Bienen!) im Lande zu schützen. Am Ufer des Wörthersees läuft da ein Naturschutz-Programm, in das die Rewe schon etliche Millionen Euro investierte. Das Rewe-Programm „Fair zum Tier“ veranschaulicht, dass ein erweitertes Angebot an Tierwohl-Fleisch die Zusammenarbeit innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette vom Schweine- und Rinderbauern bis zum Konsumenten bedarf. Gleiches gilt für den mühsamen Ausbau des Bio-Fleisch-Angebots in den Supermärkten von Billa, Merkur, Adeg und Penny.      

Elke Wilgmann, Vorstandsdirektorin  der Billa AG für das Ressort Consumer, betonte die Marketing-Aspekte einer Green Economy. Oberstes Gebot ist die 100%ige Kundenorientierung. Nachhaltige  Lebensmittel müssen für alle Kunden leistbar sein, die Ökologisierung muss daher auf allen Preis- und Qualitätsebenen, von Clever bis Ja!Natürlich, voranschreiten. An spannenden Themen für künftige Stakeholder-Foren mangelt es wahrlich nicht.

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geschrieben am

23.10.2020