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Recht(s) kräftige Urteile im Kartellrecht

Recht(s) kräftige Urteile

Ein Zitat besagt: Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen. Im Falle der Kartellstrafen eine nicht zu unterschätzende Aussage. Aktuell sind einige Bälle in der Luft.

In vorgrauen Zeiten galt die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde mancherorts als zahnloser Tiger. Dieses Bild ist längst Geschichte. Mit dem Rewe-Urteil des OGH, das auf Grundlagen der BWB basiert, setzen sich nun wirklich alle Unternehmen eingehend mit Wettbewerbsrecht, Kartellrecht und unfairen Handelspraktiken auseinander.

Der Hintergrund kurz erläutert: Im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 20. September 2022 hatte – damals Merkur, heute Billa Plus - Verkaufsflächen im Einkaufszentrum WELAS Park in Wels übernommen. Dies geschah durch den Abschluss eines langfristigen Pachtvertrags, ohne dass zuvor eine Freigabe durch die BWB eingeholt wurde. Erst während des laufenden Verfahrens, am 23. August 2022, reichte Rewe die erforderliche Anmeldung nach.​ Der OGH sah in der Nichtmeldung einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Kartellrecht und hat im Februar 2025 eine Rekord-Kartellstrafe von 70 Millionen Euro gegen die Rewe International AG verhängt. Dies stellt die bislang höchste in Österreich ausgesprochene Kartellstrafe dar. Der OGH betont, dass Geldbußen nach dem Kartellgesetz sowohl präventive als auch repressive Zwecke verfolgen und daher eine angemessene Höhe erfordern, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die Festsetzung der Strafe orientierte sich am Jahresumsatz der deutschen Rewe-Gruppe von über 92 Milliarden Euro im Jahr 2023. Die Kartell-Strafrahmenobergrenze beträgt bis zu 10 Prozent des Umsatzes, also bis zu 9 Milliarden Euro.

Auch unter Juristen sorgt die Strafe für Aufsehen. Verfassungsexperte Heinz Mayer schrieb in einem Standard-Kommentar, dass der OGH "eine verfassungswidrige extensive Interpretation vorgenommen habe". Der OGH-Beschluss gründe somit "auf einer verfassungswidrigen Entscheidung" und sei "daher ebenso verfassungswidrig wie diese".
Für den Kartellrechtsexperten Peter Stockenhuber von der Universität Wien kann das Uteil nachvollziehen. "Der OGH korrigiert nur ein krasses Fehlurteil des Kartellgerichts“. Einen Zusammenschluss nicht bei der BWB anzumelden, sei "kein Kavaliersdelikt." Das Kartellobergericht sage seit längerem in Richtung des Kartellgerichts, "dass Kartellstrafen auf ein internationales Niveau angehoben werden sollen", so Stockenhuber.

Rewe lässt das Urteil nicht auf sich sitzen

Anlässlich des Bilanz-Jahresgesprächs der Rewe in Österreich drückte Vorstand Marcel Haraszti seine Bedenken aus: „Diese Strafe heißt nichts Gutes für Unternehmen in Österreich. Es entsteht eine Rechtsunsicherheit“. Bürokratie und der Umgang mit Gesetzen sind heute schon alleine schlimm genug, wenn nun die Rechts-Strafen exorbitant hoch sind, so ist das für die Wirtschaft kein gutes Zeichen. Die Strafe wurde schon bezahlt, aber die Rewe Group hat eine Individualbeschwerde beim EUGH eingereicht. Das Ende ist natürlich noch offen. „Fakt ist, dass wir uns von Strafen in unserem Tun nicht ablenken lassen“, so Haraszti abschließend.

Auch dm drogeriemarkt spürt Rechtskraft

Die BWB ist in Bezug auf Kartellrecht und unfaire Handelspraktiken sehr aktiv. „Wie beim Abschluss der Branchenuntersuchung im Bereich Lebensmittel angekündigt, werden unfaire Handelspraktiken von der BWB prioritär verfolgt. Wettbewerb bedeutet auch Fairness gegenüber weniger marktmächtigen Vertragspartnern und Unternehmen“, so BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf. Der jüngste Fall aus dem Handelsbereich betraf dm drogeriemarkt. Die BWB brachte einen Antrag auf Verhängung angemessener Geldbußen an das Kartellgericht ein. Die 20 beantragten Bußgelder betreffen den Bereich der unlauteren Handelspraktiken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelprodukten. dm drogeriemarkt kooperiert vollumfänglich, das Verfahren ist im Laufen.

MPreis: noch immer keine Entscheidung

Schon im November 2023 brachte die BWB in 16 Fällen Geldbußenanträge gegen MPreis beim Kartellgericht ein - wegen Verstößen gegen das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG). Die BWB erhielt Informationen, wonach MPreis an Lieferanten von Agrar- und Lebensmittelprodukten sogenannte Proforma-Rechnungen über unterschiedlich hohe Pauschalbeträge versandt habe, wobei die verlangten Zahlungen nicht im Zusammenhang mit den von diesen gekauften Produkten standen. Konkret wurden von MPreis Zahlungen zur Unterstützung eines Transformationsprozesses im MPreis Unternehmen gefordert.

Dieses Verfahren ist schon seit längerer Zeit unterbrochen, aber nicht abgeschlossen. Da die UTP-Richtlinien EU-Regelungen sind, möchte das OLG Wien als Kartellgericht wissen, ob es ausreicht, eine einzige Strafe zu verhängen, wenn ein Unternehmen am selben Tag vielen Lieferanten ähnliche Zahlungsaufforderungen schickt. Oder ob jede Aufforderung einzeln bestraft werden muss – also 16 einzelne Strafen? Außerdem geht es darum, ob die Höchststrafe von 500.000 Euro in Österreich im Einklang mit dem EU-Recht steht.

Im vorliegenden Fall handelt es sich also um ein Vorabentscheidungsersuchen, wann das Verfahren weitergeführt wird, ist noch offen.

Brau Union – ebenfalls noch offen

Das Kartellverfahren gegen die Brau Union Österreich befindet sich derzeit in einem fortgeschrittenen Stadium. Die BWB wirft dem Unternehmen vor, seine marktbeherrschende Stellung missbraucht zu haben, um den Wettbewerb auf dem österreichischen Biermarkt zu beschränken.​
Im Juni 2024 stellte die BWB beim Kartellgericht einen Antrag auf Verhängung einer angemessenen Geldbuße gegen die Brau Union (Heineken Tochter). Die Vorwürfe umfassen unter anderem:​

  • Wettbewerbsbeschränkende Alleinbezugsverpflichtungen und Markenzwang
  • Kopplungsbindungen sowie Markt- und Kundengruppenaufteilungen
  • Austausch strategischer Daten mit Wettbewerbern
  • Wettbewerbsbeschränkender Behinderungsmissbrauch​

Diese Praktiken sollen darauf abgezielt haben, den Markteintritt konkurrierender Bierhersteller zu beschränken und bestehende Getränkehändler vom Markt zu verdrängen. ​

Aktueller Stand des Verfahrens

Am 11. Februar 2025 fand der erste Verhandlungstag am Wiener Kartellgericht statt. Die vorsitzende Richterin Ramona Wieser kritisierte die mangelnde Klarheit des 260-seitigen Antrags der BWB und forderte eine übersichtliche Darstellung des verpönten Verhaltens. Die BWB kündigte daraufhin an, den Antrag zu überarbeiten und die Verstöße präziser darzustellen. ​Beide Parteien signalisierten Bereitschaft, über Verpflichtungszusagen zu sprechen, um das Verfahren möglicherweise außergerichtlich beizulegen. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 3. Juni 2025 im Wiener Justizpalast angesetzt. ​

Mögliche Konsequenzen

Auch hier gilt: sollte das Kartellgericht die Vorwürfe bestätigen, könnte eine Geldbuße von bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes verhängt werden. Bei einem Umsatz von über 926 Millionen Euro im Jahr 2023 könnte dies eine Strafe in zweistelliger Millionenhöhe bedeuten. Obwohl die Muttergesellschaft Heineken nicht direkt von den Ermittlungen betroffen ist, könnte sie im Falle einer Verurteilung mithaften. ​

Die Brau Union bestreitet die Vorwürfe und betont, dass die Zusammenarbeit mit Getränke-Logistikpartnern keine kartellrechtlichen Probleme aufweise. Das Unternehmen zeigt sich jedoch offen für Gespräche mit der BWB, um die Angelegenheit zu klären.​

Spannend ist die Tatsache, dass Heineken in Griechenland ein ähnliches Thema hatte: Athenian Brewery (Heineken Tochter) wurde 2015 von der griechischen Wettbewerbsbehörde zu einer Geldstrafe von 31,5 Millionen Euro verurteilt, weil sie Händler unter Druck gesetzt hatte, ihre Marken zu bevorzugen.

Auch dieses Verfahren wird in der Branche mit Spannung verfolgt, da es potenziell weitreichende Auswirkungen auf den österreichischen Biermarkt und die Handelspraktiken haben könnte.​

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geschrieben am

30.04.2025