Foodservice vom Lebensmittelhändler
Bericht: Dr. Hanspeter Madlberger
In Zeiten von Corona und Online-Retailing gewinnt die Verschränkung von Lebensmittelhandel und Zustell-Gastronomie rasant an Bedeutung. Und eröffnet Feinkost-Kaufleuten und -Filialisten, deren Angebot auf Convenience, Kulinarik und regionale Lebensmittel fokussiert ist, saftige Wachstumschancen. Das sagt Martin Gaber, Österreich-Repräsentant von Jos de Vries, dem renommierten niederländischen Consultingunternehmen für Store Design und Store Branding im Gespräch mit retailreport.at.
Gabers Erfolgsformel hört sich einfach an: Zwei Vertriebssysteme, nämlich das Foodservice (auf Deutsch, die Hauszustellung von Lebensmitteln und fertigem Essen) und das klassische Food-Retail-Geschäft sollen mittels digitaler Tools nahtlos zu einer Angebotseinheit, zu einer 360- Grad-Lebensmittel-Vollversorgung zusammengefügt werden. Das Konzept ist einfach, nennt sich Ready to Eat und steht für ein Foodservice, das Mahlzeiten und Snacks vom Supermarkt verzehrfertig an die Kundenadresse liefert. Ready to Eat ist drauf und dran, sich als erfolgsträchtige Alternative zu den üppig wuchernden Gastronomie-Zustelldiensten wie Lieferando und den Foodservice-Programmen von Fastfood-Ketten sowie Haubenköchen zu etablieren.
Gefrorene Pizza fürs Büro kann man bereits im Billa Onlineshop bestellen, die Lieferung einer fertigen, frisch zubereiteten und heißen Pizza ins Home Office ist da wohl der nächste logische Schritt. In Zusammenarbeit mit Jos de Vries haben die niederländische Supermarktkette Jumbo und das deutsche Verbrauchermarkt-Familienunternehmen Globus Ready-to-Eat-Systeme installiert. Ein breiter Rollout des Modells läuft in französischen Shell-Tankstellen-Shops. Als preiswerte Coffeeshop-Alternative zu Starbucks präsentiert sich das Bravo Café der Bravo Supermarktkette in Aserbaidschan. Wenn Nonfood-Händler wie z.B.Einrichtungshäuser ihre gut eingeführte Ladengastronomie (Stichwort: Ikea) in Richtung Hauszustellung erweitern, spricht man bei Jos de Vries von Store to Door.
Derlei Inspirierendes über den Eintritt des Ladenhandels in digitale Welten bietet das Jos de Vries-Jahrbuch 2020 mit dem programmatischen Titel: From Place to Space. Das Jahrbuch steht Interessenten aus dem Handel kostenlos als PDF-Format zur Verfügung, retailreport.at leitet Ihre Bestellung gerne an Martin Gaber weiter.
Die Wurzeln der Allianz von Food Retailing und Foodservice liegen im US-amerikanischen Ladentyp der Grocerants, die ihrerseits die Tradition italienischer Delikatessenhändler wie Dean & DeLuca neu interpretieren. Übrigens, vor 20 Jahren reiste eine handverlesene Schar österreichischer Feinkosthändler und Supermarkt-Manager mit Gaber nach New York, um im Warenhaus-Oldie Macy's im Herzen von Manhattan die damals nagelneue, für einen Grocerant typische Home Meal Replacement-Abteilung zu studieren.
Verzahnung von Offline und Online
Supermarktketten verfügen im Foodservice-Wettbewerb in der Regel über die bessere digitale Grundausstattung. Sortiment und Einkauf, Kommunikation und Preispolitik werden durch den Zugriff auf einen reichen Schatz an Artikel- und Kundendaten gesteuert. Connected Retail, jene E-Commerce-Strategie die auch vom EHI dem stationären Handel empfohlen wird, zielt auf die synergetische Verzahnung von Online- und Offline-Verkauf ab.
Gaber nennt dazu konkrete Beispiele: Die Sortimente der realen und der virtuellen Shops sind idealerweise nicht deckungsgleich, sondern komplementär. Standortspezifische Produkte, wie lokale und regionale Frischwaren gehören ins Ladenregal, Spezialartikel, maßgeschneidert für einzelne Zielgruppen sind im virtuellen Regal besser aufgehoben. Große Unterschiede bestehen auch zwischen der Verbrauchernachfrage im urbanen und jener im ländlichen Raum. Aber auch zwischen den Warenkorb-Inhalten der Preiskäufer und jenen der öko-bewegten Premiumkäufer. Und, was die Last Mile-Logistik betrifft: Ready to Eat bzw. Store to Door als Zustellsysteme und Click & Collect als Abholsystem ergänzen einander auf perfekte Weise. Seine Aufgabe als Consultant sieht Gaber darin, Händler beim Umstieg der stationären Geschäfte in die ebenso chancen- wie risikoreiche Brave New Omnichannel-World zu begleiten.
Touchpoints stärken Kundenloyalität
Online- und Offline-Verkauf im Wechselspiel zielen darauf ab, bei den angepeilten Shoppertypen die Kundenloyalität zu steigern und auf diese Weise die Umsätze anzukurbeln. Noch besteht, wie Gaber anmerkt, akuter Handlungsbedarf bei der Erarbeitung valider Loyalitäts-Indikatoren. Anhaltspunkte für den Händler, wie sich die Kundenloyalität entwickelt, liefert die Beobachtung der Shopper Journey. Der hybride, weil im doppelten Sinn mobile Shopper entscheidet zu Hause oder unterwegs, welche Einkaufsstätte er aufsucht, ob er im Webshop oder auf einer Plattform, beim nächstgelegenen Supermarkt, im City-Feinkostladen, beim Discounter im Fachmarktzentrum oder im Verbrauchermarkt einer suburbanen Shopping Mall einkauft. Mit der Wahl der Einkaufsstätte ist die Shopper Journey noch lange nicht beendet, denn im Ladeninneren geht es für Kund*in darum, für welches Produkt, für welche Marke, für welchen Conveniencegrad (von Ready to Cook bis Ready to Eat), für welche Preislage, für welchen Nachhaltigkeits-Standard (Bio, Tierwohl, Regional, Klimaneutral, Fairtrade etc.) sie/er sich entscheidet.
Jeder Händler steht vor der großen Marketing-Herausforderung, auf die, mit soviel Abbiege-Optionen ausgestattete Shopper Journey seines Kundenkreises einzuwirken. Die Lösung dieses Problems liegt in der Kommunikation über Touchpoints. Reale Touchpoints im Laden zu inszenieren, mit Platzierungen, Verkostungsstationen und instore-Werbung, die Kaufimpulse auslösen, dieses Handwerk hatten Ladendesigner wie Jos de Vries immer schon drauf. Mit dem Vormarsch des Onlinehandels steht der Multichannel -Retailer vor der Aufgabe, den reisefreudigen Kunden, sprich dessen Smartphone, schon vorher über die eigene Website, über Apps, Plattform-Präsenz, Social Media-Botschaften und Influencer-Postings abzuholen und den Dialog zu eröffnen. Beratungs-Kompetenz in dieser anspruchsvollen Disziplin konnte Martin Gaber in den letzten Jahren bei Kunden aus dem Baumarkt- und dem Lagerhaus-Bereich beweisen.