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Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes

Will: "Hoffnung kommt im Frühsommer"

Von Corona nahtlos in die nächste Krise - der Handel hatte es nicht leicht und braucht Entlastung, so wie andere Branchen auch. Ein Gespräch mit Handelsverband Geschäftsführer Rainer Will.

Seit 8 Jahren ist Rainer Will Geschäftsführer des Handelsverbandes, drei Jahre davon waren wohl die sportlichsten jemals in seinem Berufsleben: 2020, 2021 und 2022 – von der Covid-Phase nahtlos in den Kriegszustand in Europa. „Prozesse und Lösungen, die in der ersten Corona-Zeit aus dem Stegreif entstanden sind, haben heute einen festen Platz in der Gesellschaft gefunden. Dabei spreche ich von Lieferketten- und Lagerbestandsmanagement, , Blackout-Prävention und Ablaufplänen zur regionalen Versorgung“, so Rainer Will. „Mit starker Unterstützung des Handelsverbandes wurden für viele dieser Themen legistische Fundamente geschaffen, die Bestand haben“.

Welche Brisanz es hat, diese konkreten gesetzlichen Rahmen zu schaffen, zeigte sich, als NACH Corona ohne Verzögerung der Krieg in der Ukraine ausbrach und sich viele Effekte daraus für die Bevölkerung und Politik noch verschärften. Die Spitze des Eisberges ist wohl die oft zitierte Inflation. Hier ist auch von Seiten des Handelsverbandes so lange auf die Politik eingetrommelt worden, bis man vor Weihnachten endlich reagiert hat. Für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2023 wird der neue Energiekostenzuschuss II gelten, der sich weitgehend am EU-Beihilferahmen orientiert und somit auch endlich den heimischen Handel besser mitberücksichtigt. Das große ABER: viele Händler bleiben auf den hohen Kosten von 2022 sitzen. „Auch wenn man dem Gaspreisdeckel einiges positives abgewinnen kann, so fordern wir weiterhin Fairness für alle österreichischen Unternehmen im Zusammenhang mit dem Energiekostenzuschuss – sowohl für Handel, als auch Industrie. Positiv ist, dass sowohl Österreich als auch ganz Europa enorme Mengen an Gas eingespart haben. Die Einsparungen liegen bei etwa 10%, nun hat der Prozess der Nachhaltigkeit eine neue Substanz bekommen“, so Rainer Will.

Inflation – der Pferdefuß

Für alle Bereiche ist jedoch die Teuerung ein großer Brocken, den es zu verdauen gilt. Denn: der Kreislauf ist nie enden wollend: Energie, Konsumgüter, Verkehr – alles wird teurer, demnach hält sich der Konsument mit den Ausgaben zurück und somit fehlen Handel und Industrie wieder Umsätze, die wiederum wichtig sind für Löhne und Gehälter und für Investitionen. „Es hat sich nicht nur die Lebensmittelproduktion verteuert, nun kam auch mit 15. Dezember eine Zinsanpassung der EZB dazu. Da war die Erhöhung im November 2022 ein ‚Lercherl‘ dagegen. Nun steigen Mieten und Fremdfinanzierungen massiv an. Fremdes Geld hat wieder einen Preis, den spürt der Mittelstand am meisten“, so Will. Die Kernbereiche Gas, Heizöl, Fernwärme und Treibstoff waren die Haupttreiber der Inflation und lösten viele Teuerungen aus. „Und natürlich musste die EZB bei den Zinsen etwas tun, aber für die fremdfinanzierte Wirtschaft hat sich kurzfristig das Kapital sehr verteuert“, so der Sprecher des Handels.

Hoffnung kommt im Frühsommer

Für Rainer Will ist eine Sache jedoch sehr wichtig: dass am Ende des Tages Besserung in Sicht ist. „Wir haben die große Hoffnung, dass sich ab Frühsommer eine deutliche Verbesserung der Konsumstimmung einstellt. In den nächsten Monaten wird sich die Lage entspannen, mit etwas Verzögerung, denn auf den Weltmärkten spürt man schon sanfte Erleichterungen“, so Will. „Deshalb ist einer unserer wichtigsten Appelle an die Banken: Zeigt, dass Ihr JETZT Finanzierungs-Partner seid und dem Handel die Treue schwört“, so Will und er bekräftigt den Appell mit einer Umfrage unter den Händlern. In der kommt heraus, dass 40% aktuell ihre Investitionen stoppen, 27% die Expansionen und 44% ihre Werbespendings. 25% planen einen Personalabbau und 10% Filialschließungen. Und ja, es ist für große Unternehmen unter Umständen einfacher, eine Konzernfinanzierung zur Überbrückung zu bekommen, als für kleine Händler, die von Banken finanziert werden – aber: die Kosten sind für alle gleich. Auch wenn der Endspurt 2022 gut war, so kommt real ein Umsatzminus raus, wenn es um das gesamte Jahr des Handels geht“, zeigt Will auf.

Konsument braucht ein Erlebnis

Denn was der Konsument jetzt braucht, sind gute Nachrichten, gute Laune und ein Erlebnis und Entertainment im Handel. „Das ist aber ‚im Eck‘, wie man so schön sagt“, so Will. Ja, die ersten vier Monate werden herausfordernd, aber der Aufschwung und die Trendwende werden kommen“.

Team zum Durchstarten

Und nicht zuletzt belastet die Personalsituation in Österreich die Unternehmen. Jede zweite Firma in Österreich hatte einen Verlust im Jahr 2022 und braucht nun vor allem ein gutes Team, um wieder durchzustarten. In der aktuellen Debatte geht es jedoch um die Frage: wo sind die Mitarbeiter? Wo sind gute Leute? „Wir erziehen gerade die ‚Generation geringfügig‘“ befürchtet Rainer Will und untermauert dies mit Zahlen. Bei 1800 Euro brutto, erhält man 1454 Euro netto. Ist man arbeitslos, so bekommt man 900 Euro netto plus 500 Euro geringfügig und landet nahezu am gleichen Niveau.

Auch in höheren Etagen ist das ähnlich: Bei 3000 Euro brutto bekommt man 2100 Euro netto, als arbeitslos gemeldeter 1360 Euro plus 500 Euro geringfügig. Das Delta wird mehr oder weniger durch Boni wie den Teuerungsausgleich ersetzt. „35.000 offene Stellen im Handel sind neu zu besetzen, das ist eine Menge und nicht jeder Händler kann sich eine eigene Abteilung leisten, die sich um Employer Branding kümmert“, zeigt Will auf.

Alles hängt vom Faktor ARBEIT ab, der Spaß im Handel ist seit drei Jahren vorbei, ist sich der Handelsvertreter sicher. „Wir hoffen, er kommt bald wieder zurück“.

Die Forderungen

Auch wenn der Handelsverband die Zukunft  durchaus optimistisch sieht, so gibt es doch einige Forderungen, die man umgesetzt haben möchte, damit der Aufschwung gelingt:

  1. Entschädigung des Handels für die Energie-Mehrkosten in 2022 analog zur Industrie!
  2. Umsetzung der überfälligen Arbeitsmarktreform, um dem Personalmangel entgegenzuwirken!
  3. Durchgängige Abgaben- und Gebührenreform (u.a. Abschaffung der Mietvertragsgebühr)!
  4. Weitere substanzielle Senkung der Lohnnebenkosten!
  5. Steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital!
  6. Flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung in ganz Österreich (ganztägig & leistbar für alle Kinder ab dem 1. Lebensjahr)!
  7. Erweiterung der Zuverdienstgrenzen für Pensionisten am Arbeitsmarktes!
     

Bei einigen Themen war man zuletzt sehr erfolgreich, zwei jüngste Errungenschaften seien hier erwähnt:

  1. Um die Kompetenz des Lebensmittelhandels in Bezug auf Regionalität und Bio hervorzuheben, hat der Handelsverband mit NielsenIQ und der GAW Wirtschaftsforschung eine Untersuchung gestartet, die die Mehrwerte und Wertschöpfung für Österreich hervorhebt. "Unsere Studie belegt erstmals, dass der österreichische Lebensmittelhandel mit einem Regionalanteil von 83,8 % im Kernsortiment nicht nur ein wichtiger Wachstums- und Jobmotor ist, sondern als verlässlicher Partner der heimischen Landwirtschaft auch ein Garant für Regionalität und Lebensqualität im Land", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. 
  2. Seit 1. Jänner 2023 sind auch zwei neue Regelungen in Kraft: Plattformen dürfen nur mehr Händler listen, die in Bezug auf Abfall einer Systemanbindung angehören. Wenn die Plattform nicht sicherstellt, dass die Vorgaben der Verpackungsverordnung durch ihre gelisteten Händler eingehalten werden, so muss der Marktplatz eine Strafe zahlen. Und: es braucht für ausländische Händler einen Bevollmächtigten, der für die Behörden in Österreich ansprechbar ist.

In diesem Sinne würde die Umsetzung der sieben Reformvorschläge dazu beitragen, dass auch Mittelständer wieder in die schwarzen Zahlen kommen.

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geschrieben am

20.01.2023