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Promotion dämpfen Inflation, schreibt Hanspeter Madlberger

Promotions dämpfen die Inflation

Erfreulich: Promotion-Anteile in Supermärkten steigen auch heuer. Unerfreulich: Handelsmarken-Price-off verdrängt Kurantgeschäft. Trading Down beschädigt Markenartikel-Umsätze.

Bericht: Hanspeter Madlberger

Die Marktforschung belegt es schwarz auf weiß. Die anhaltend hohe Aktionitis im heimischen LEH trägt wesentlich zur Inflationsdämpfung im Jahr 2023 bei. Nutznießer sind die Konsumenten-Haushalte, die durch Aktionskäufe ihre private Inflationsrate spürbar absenken können. Die Rechnung für diesen Dienst an der Allgemeinheit zahlen die Lebensmittelhändler, die auf Marge verzichten, um über die Aktionen den Umsatzrückgang in Grenzen zu halten. Und auf diese Weise ihren Beitrag dazu leisten, dass Wertschöpfung (= Wirtschaftswachstum) und Arbeitsplätze in diesen schwierigen Zeiten gesichert werden. Gleiches gilt auch für jene vielen  Produzenten, die sich mit ihren Key Accounts im Handel auf maßvolle Preiserhöhungen verständigen. Preiserhöhungen, die anderseits entlang der Lieferkette notwendig sind, um die enorm gestiegene Energiepreise betriebswirtschaftlich zu verkraften..

Dieses wirtschaftswissenschaftlich abgesicherte Faktum der Inflations-dämpfenden Wirkung von Promotions sei jenen Politikern ins Stammbuch geschrieben, die die üppigen Aktionsangebote als „Augenauswischerei“ Gewinn-geiler Konzerne abtun. Diese krasse Fehleinschätzung beruht vor allem auf den äußerst problematischen Inflations-Messungen seitens der Arbeiterkammer, die den Preissenkungs-Effekt der Aktionen auf völlig unzulängliche Art und Weise berücksichtigt. Zuletzt haben Rewe International-Vorstand Marcel Haraszti im Klub der Wirtschaftspublizisten und Eurospar-Kaufmann Christian Prauchner, Spitzenfunktionär des Lebensmittel-Einzelhandels in der Wirtschaftskammer, in einem offenen Brief an einen SPÖ-Abgeordneten dieses Lebensmittelhändler-Bashing sachlich entkräftet und als unfair angeprangert. retailreport.at berichtete darüber.

Nielsen IQ: Steigende Promo-Anteile bei wichtigen Warengruppen
 

Chart NielsenIQ


Kernaussage dieses Charts, das uns NielsenIQ dankenswerterweise zur Verfügung stellte: Von der KW 20 im Mai 2022 bis zur KW 20 im Mai 2023 sind im heimischen LEH die Aktionsanteile in den  Warengruppen: Molkereiprodukte, Grundnahrungsmittel, Convenience, Heißgetränke und Pikante Snacks gestiegen. Bei Alkoholischen Getränken und Tiefkühlkost blieben die Promotion-Anteile annähernd auf gleichem Niveau. Leichte Rückgänge waren bei AF-Getränken und Süßwaren zu beobachten. Fazit: Nach dem Rückgang in den zwölf Monaten 2021/2022 ist die Aktionsintensität zuletzt fast wieder auf das Niveau von 2020/2021 zurückgekehrt.

 

GfK Consumer Panel: Aktionskäufe stiegen bei Hersteller- und bei Handelsmarken

 

GfK Chart1


Der Befund von NielsenIQ über die Aktionsgeschehen im heimischen Food & Drug-Einzelhandel wird durch das GfK Consumer Panel vollinhaltlich bestätigt und um einen wesentlichen Aspekt bereichert. Die GfK-Daten vergleichen die Aktionseinkäufe der  Haushalte in den Jahren 2021 und 2022, sind daher nicht ganz so taufrisch wie jene von Nielsen IQ. Hingegen werden die Aktionsanteile von Herstellermarken und von Handelsmarken separat ausgewiesen. Bei den Markenartikeln stieg der Aktionsanteil im Jahresvergleich von 43,4% auf 45,4%  und erreichte damit einen neuen Rekordwert. Ein Plus von 2,1%-Punkten. Bei den Handelsmarken ist der Aktionsanteil naturgemäß viel niedriger, bedingt durch die Tatsache, dass die Preiseinstiegs-Eigenmarken der Discounter aber auch jene der Supermarkt-Ketten primär auf Dauer (Tief-)preise setzen.

Anders verhält es sich bei den Premium-Handelsmarken insbesondere bei den Bio-Eigenmarken. Um den LOHAS-Shoppertyp vor dem Hintergrund einer steigenden Inflation bei der Stange zu halten, setzten die Handelsgruppen schon 2022 verstärkt auf zeitlich  befristete Price off-Angebote von Bio-Eigenmarken. Und verstärken auf diese Weise den ohnehin schon massiven Trend weg  von den „teuren“ Markenartikeln hin zu den preiswerteren Private Labels.

In D boomen Handelsmarken-Promotions

Steigende Promotion-Anteile bei Handelsmarken, diese Entwicklung kommt einer Mega-Herausforderung für die Aktionsstrategie des Markenartikel-Sektors gleich. In Deutschland, wo die Aktionitis laut GfK im ersten Quartal 2022 noch bei einem Anteil von 18,8% lag und damit rund halb so hoch war, wie bei uns, erwies sich die Hyperinflation als massiver Promotion-Booster. Im ersten Quartal 2023 explodierten die Handelsmarken-Aktionen förmlich, legten um 49,9% (!) zu. Promotions mit Herstellermarken hingegen erhöhten sich nur um 15,9%, Die Kurantverkäufe der Markenklassiker stagnierten trotz der rasanten Inflation auf Vorjahresniveau, gingen, also mengenmäßig deutlich zurück.

Wir halten nüchtern fest: Sonderangebote bei Eigenmarken verstärken den Shift von den Hersteller- zu den Handelsmarken und dieser, von der Inflation befeuerte Trend greift aller Voraussicht nach allmählich von der deutschen auf die österreichische Handelslandschaft über. Auch wenn hierzulande die Promotions für Herstellermarken derzeit noch dominieren.

GfK bringt es auf den Punkt: Preisfokus gewinnt, einerseits durch das Wachstum bei den Preiseinstiegs-Handelsmarken und die Aktionen bei Hersteller- und Handelsmarken. Herstellermarke verliert, weil die Umsätze zu Kurantpreisen tendenziell rückläufig sind.

Trading Down-Effekt: beschädigt das Markenartikel-Geschäft
 

GfK Chart2


Es kommt, speziell für die Markenartikler, noch schlimmer. Der vom GfK Consumer Panel erhobene Trading Down-Effekt besagt: Viele Shopper reagieren auf die hohe Inflation, indem sie auf preisgünstigere Produkte ausweichen. Vom hochpreisigen Markenartikel zur billigeren Handelsmarke. Der Trading Down Effekt hat zur Folge, dass die Inflation im LEH und im DFH niedriger ist, als die allgemeine Inflation bei den Fast Moving Consumer Goods.
Trading Down bedeutet aber auch einen zusätzlichen Aderlass für das Markenartikel-Kurantgeschäft der Supermärkte.

 

Sand im Getriebe der Aktions-Kooperation

Eine Schieflage, die nur durch eine umfassende Reform der Marketing-Kooperation zwischen den Super/Verbrauchermärkten und ihren Partner aus der Markenartikelindustrie ausgeräumt werden kann. Eine breite Auswahl an attraktiven Herstellermarken hilft den Vollsortimentern, im Verdrängungswettbewerb mit den Discountern. Im Idealfall stärkt sie die Markenloyalität und steigert  den Durchschnittseinkauf  beim Vollsortimenter.

Dabei kommt dem Revival des seinerzeit von ECR entwickelten Demand Side Moduls „Efficient Promotion“ zentrale Bedeutung zu. Zwar durchkreuzen Discounter, beispielsweise mit Aktionen für Markenbiere diese Strategie. Andererseits aber eröffnen eine Multi-Channel-Kommunikation mit den Smartphone-Shoppern in Verbindung mit intelligenten Aktionsdisplays und einer KI-gestützten Logistik dem Markenartikel-Aktionsverkauf im Supermarkt neue Optionen. Die Zeit drängt, denn auf Erzeugerseite wächst der Druck, spätestens zum Herbststart die sinkenden Absatzmengen durch steigende Aktionsverkäufe zu kompensieren.

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geschrieben am

30.06.2023