Zuviele Verbote und Gebote bei Lebensmitteln
Das aus ursprünglich Frankreich stammende System Nutri-Score ist schwer in Diskussion. Nun hat Italien sogar Bußgeld verhängt.
Das System zur Kennzeichnung des Nährwertprofils eines Lebensmittels, Nutri-Score, steht im Zentrum der Diskussionen zwischen einerseits Europäischem Verbraucherverband, Verbraucherzentralen und einzelnen Abteilungen für Ernährung in europäischen Regierungen (wie etwa die NEK in Österreich) und auf der anderen Seite den Lebensmittelherstellern und auch dem Handel. In Bezug auf den Nutri-Score sind sich die beiden Branchen weitgehend einig.
Noch ist der Nutri-Score ist eine freiwillige Kennzeichnung. Die nationale Einführung von erweiterten Nährwertkennzeichen ist nach geltendem EU-Recht nicht verpflichtend möglich. In Österreich ist der "Nutri-Score" hie und da auf Verpackungen zu sehen – allerdings primär von internationalen Produzenten, da es hierzulande noch keine Regelung zur Verwendung bei Waren gibt, die erstmals in Österreich in Verkehr gebracht wurden.
Probleme hinter der Kennzeichnung
Die Spar hat schon früh damit begonnen den Nutri-Score in Frage zu stellen. Im März 2022 stellte sich der Marktführer im Lebensmittelhandel hinter die Industrie und verlangte ein Überdenken des „Front-of-Pack-Labels“. Spar untermauerte schon damals die Unsinnigkeit des NutriScore mit einem Gutachten der Initiative SIPCAN und Univ.-Prof. Prim. Dir. Dr. Friedrich Hoppichler. Er bringt zwei wesentliche und schließlich detaillierte Themen auf den Punkt:
- NutriScore bezieht sich nur auf verarbeitete Produkte und vergleicht nur innerhalb von einer Warengruppe
- Die Werte beziehen sich immer nur auf 100 Gramm. (wer isst schon 100 Gramm einer Pizza, die oft mit ‚grün‘ gekennzeichnet ist?)
- Süß-, Farb- und Konservierungsstoffe, Palmöl uvm. wirken sich bei der Bewertung nicht negativ aus
- Gesundheitsrelevante Lebensmittelbestandteile wie sekundäre Pflanzenstoffe und Probiotika werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt
- Parameter wie Verarbeitungsgrad, Bio-Qualität oder gentechnikfrei werden ignoriert
Italiens Wettbewerbsbehörde klagt nun
Hinsichtlich des Nutri-Scores dürfte es nicht nur in Österreich vehemente Gegenströmungen geben. Wie die deutsche Lebensmittelzeitung vom 3. Februar 2023 berichtet, schuf Italien Fakten und verhängte erstmals Bußgelder gegen Unternehmen, die das Label aufbringen. Als ersten Fall trifft es die Süßwarenmarke Vivil. Das deutsche Unternehmen musste ein Bußgeld von 10.000 Euro zahlen, wie die LZ berichtet, da er die Bonbons mit dem Nutri-Score gekennzeichnet hatte und es so- laut italienischer Wettbewerbsbehörde – zu Verwirrung der Konsumenten kam. Das Logo wurde aufgebracht, ohne es mit weiteren Erklärungen zu versehen. Aus Sicht von Italiens Wettbewerbsbehörde (die Behörde in Italien ist auch Verbraucherbehörde) sei das ein Verstoß gegen das italienische Verbrauchergesetzbuch. Für den Verbraucher wirke das Produkt als absolut gesund. Die Behörde argumentiert, dass ein hervorgehobener „grüner Score“ die Verbraucher animieren könne, große Mengen solcher Lebensmittel zu konsumieren.
Nun gesellt sich zu dem Thema auch noch die Frage der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU dazu, es wird also spannend. Fakt ist, dass Italien sich als erstes EU-Land gegen das Nähwert-Labeling auflehnt und auch Unterstützer findet.
Und noch eins drauf: Werbeverbot
Die Keulen, die auf Lebensmittelhersteller niederprasseln, hören nicht auf. Wie die APA berichtet, soll nach Plänen des deutschen Ernährungsministers Cem Özdemir an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz gesetzlich beschränkt werden. Unter anderem sollen mit Blick auf Unter-14-Jährige Werbeverbote in "allen für Kinder relevanten Medien" kommen. Demnach soll solche Werbung von 6.00 und 23.00 Uhr unzulässig sein, wenn sie regelmäßig auch von Kindern wahrgenommen werden kann.
"Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können", sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin. Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen hätten beim Kinderschutz versagt. Die Feststellung eines zu hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an Nährwertberechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Unzulässig werden soll auch Außenwerbung auf Plakaten für solche ungesunden Produkte im Umkreis von 100 Metern um Schulen, Kindergärten, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder. SPD, FDP und Grüne hatten in diese Richtung gehende Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart.
Die Tragweite der Forderungen wird einem erst dann bewusst, wenn man erkennt, dass diese auf EU-Ebene umgesetzt werden solle. Vor allem die Industrie und die Werbebranche haben sich diesbezüglich vehement dagegen ausgesprochen, alternative Lösungen wurden vorgeschlagen. Denn: Verbote helfen nicht gegen Übergewicht und falsche Ernährung. Der Ansatz muss anders gesetzt werden, sind sich die Branchenvertreter sicher. Die Diskussionsrunden sind eröffnet.