NÖM: Konzepte für die Margen
Im Jahr 2000 lieferten noch 5.000 Bauern die Milch ihrer Kühe an die Molkerei mit Sitz in Baden bei Wien. Heute ist es nur mehr die Hälfte. Die Strukturen und Anforderungen haben sich geändert – die Herausforderungen sind deutlich größer geworden, so sieht das auch Alfred Berger. Die Eigentümer – alle aus dem Raiffeisen-Umfeld (MGN und R-Holding Wien/NÖ) – unterstützen die Strategie der drei Säulen: die Marke NÖM, Private Label und die Lohnabfüllung für internationale Markenartikler. Wichtig ist, dass all die Milch – das sind rund 1,2 Mio. Liter am Tag – verarbeitet und in tolle Produkte umgewandelt wird. Immerhin garantiert die NÖM allen ihren Bauern die sichere Abnahme der Milch. Dafür ist nicht mehr nur der heimische Markt ein Garant, sondern mittlerweile gehen mehr als 45% in den Export. „Ich denke, spätestens 2023 wird der Export dem Inlandsumsatz überholen“, so Berger.
Insgesamt machte das Unternehmen im Jahr 2022 einen Umsatz von rund 565 Mio. €. Alleine in Italien wurden fast 200 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet. Das klare Ziel des Unternehmens ist weiterhin mit Mehrwertkonzepten zu wachsen. Dies verlangt, aber dementsprechendes Engagement in den Markt, die Entwicklung und auch Investitionen in Werbung und Technologie. Am Ende sollte ja für alle Beteiligten etwas überbleiben. Vom Bauer, dem Verarbeiter, dem Handel, die Logistik und natürlich im Mittelpunkt – die Konsumenten, mit Produkten, die ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen.
Warum höhere Preise?
Es ist aber nicht so, dass man sich am Ende des Tages im Jahr 2022 bei mehreren notwendigen umgesetzten Preiserhöhungen tatsächlich über eine deutlich höhere Marge freuen kann, denn dieser Mehrumsatzes ist bereits – wie bei vielen anderen Unternehmen auch – in die Mehrkosten (Energie, Rohstoffe,…) und vor allem in den Milchpreis, der den Bauern ausgezahlt wird, geflossen. Allein diese „Zwischenfinanzierung“ ist ein hoher Millionenbetrag, der nicht allein von den Molkereien getragen werden kann.
Dass die Bauern in Europa unterstützt werden müssen, ist klar: gut 50% aller EU-Förderungen gehen direkt oder indirekt in die Landwirtschaft, die Bauern machen jedoch nur mehr 2-3 der Bevölkerung aus. Das klingt zunächst erschreckend hoch, wenn man aber genauer hinterfragt, welche Arbeit hinter Viehzucht und Landwirtschaft steckt, welcher Beitrag für das Klima geleistet wird, so löst sich das Rätsel bald auf. Auch für die NÖM ist diese Verantwortung sehr wichtig und ist im Nachhaltigkeitsprogramm tief verankert.
Aktuell wird zum Beispiel eine neue Produktionshalle mit neuerster Technologie erbaut: „Wir schaffen mit der neuen Halle Möglichkeiten für neue Geschäftsbereiche und natürlich auch für bestehende Kunden und deren Wachstum. Drei neue Abfüllanlagen, wie etwa für Protein oder für Nahrungsergänzungsmittel“, beschreibt Alfred Berger die Investition. „Mit diesen Konzepten kann man Wertschöpfung generieren und gleichzeitig alle neuesten Umweltauflagen befolgen. Nicht umsonst ist die NÖM seit 2016 der erste klimaneutrale Produktionsbetrieb. Aber neben Hightech-Produkten gibt es auch eine riegengroße Platte an Basisprodukten. Der Verkauf klassischer Trinkmilch ist ein reines ‚Geld-Wechseln‘, wenn überhaupt. Daher brauchen die Molkereien erfolgreiche Markenartikel und Produktkonzepte, um die Basisprodukte finanziell zu unterstützen. Wahnsinn betriebswirtschaftlich – aber so ist es leider!“
Wesentliche Säule: Nachhaltigkeit
In der Badener Molkerei wird Nachhaltigkeit schon seit jeher großgeschrieben. Seit 2016 produziert das Unternehmen klimaneutral und viele weitere Maßnahmen sind gefolgt. „Aktuell wird die Flotte gerade elektrisiert. Zudem ist seit 1.1.2020 die dauernde Anbindehaltung in allen bäuerlichen NÖM-Familienbetrieben ausnahmslos verboten, was nur einen Punkt unserer Tierwohlgarantie darstellt“, so Berger. Die NÖM Bauern arbeiten beispielhaft und vorausschauend, und das bereits seit vielen Jahren. Alle 2.500 NÖM Bauern sind ausschließlich Familienbetriebe aus Niederösterreich, dem südlichen Burgenland und der Oststeiermark. Die Pflege aller Kühe findet in kleinen Herden statt und sie bekommen nur bestes Grundfutter aus Österreich und die Eiweißquellen aus Europa. Auf Palmöl und Gentechnik wird verzichtet. Höchste Hygiene- und Gesundheitsstandards sind selbstverständlich.
Und auch am Standort der NÖM ist man in vielerlei Hinsicht Vorreiter: Die Herstellung veredelter Milchprodukte braucht Energie: thermische Energie und Strom für Kälte- und Druckluftanlagen sowie elektrische Anlagen. Die NÖM AG implementierte bereits 2008 ein Energiekonzept, um ihren CO2-Fußabdruck nachhaltig zu reduzieren. Seither werden konsequent und erfolgreich Maßnahmen zur Verringerung des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen umgesetzt. Die NÖM arbeitet mit Wärmerückgewinnung: Abwärmen von Kälte-, Druckluft- und Reinigungsanlagen werden zum Heizen, zur Warmwassererzeugung, zur Raumlufterwärmung und zum Vorwärmen bei einzelnen Produktionsschritten eingesetzt. Das reduziert den Energiebedarf erheblich. Die Kälte- und die Druckluftanlage wurde optimiert und mittels neuer Dampfkesseltechnologie der Brennstoffverbrauch reduziert. Schritt für Schritt wurden alle Beleuchtungen auf LED umgerüstet. Seit 2015 setzt die NÖM auf Ökostrom aus 100 Prozent österreichischer Wasserkraft und seit 2017 auf umweltfreundliches BIO Erdgas.
Beim Wasserverbrauch liegt die Molkerei bei 2,3 m³ pro Tonne Milch im best-in-class Bereich des aktuellen Referenzbereichs, welcher von der Europäischen Kommission für die Milchverarbeitende Industrie veröffentlicht wurde. Zudem werden Abwässer getrennt gesammelt. Mit den Abwässern der NÖM ist es zum Beispiel der Kläranlage in unmittelbarer Nähe möglich, zu gut einem Drittel den Eigenbedarf an thermischer Energie und elektrischem Strom zu decken. Sämtliche Abfälle der NÖM werden getrennt gesammelt, um möglichst viele Stoffe wieder dem Recyclingzyklus zuzuführen.
Viele Weichen gestellt
2021 stellte die NÖM die Weichen für Elektromobilität und installierte 12 E-Ladeinfrastruktur am Standort Baden, um die Unternehmensflotte auf emissionsfreie Mobilität mit einer Business-Charging-Komplettlösung von VERBUND umzustellen.
So effizient wie möglich produzieren ist eine Voraussetzung, um am europäischen Markt erfolgreich zu sein. Die neue Produktionshalle, welche Anfang 2023 aktiv wird, ist eine der modernsten in Europa, die nachhaltigsten Baustandards entspricht und drei innovativen Füllanlagen Platz bieten wird. Zudem wird im Zuge des Bauprojekts eine Photovoltaikanlage errichten, um die Eigenversorgung zu erhöhen.
Die NÖM arbeitet seit Jahren an der Verbesserung der Energieeffizienz und scheut sich nicht davor innovative Schritte zu gehen und sich an diversen Projekten zu beteiligen. Hierzu ist das Unternehmen sehr gut mit Fachleuten und Universitäten vernetzt. In allen Energiebereichen wurden und werden ständig Maßnahmen gesetzt, da die Verarbeitung von Milch auch in der nächsten Zukunft nur mit hohem Energieaufwand funktionieren wird.
Ebenso spielt das Thema „black out“ eine große Rolle, um im Falle des Falles gut vorbereitet zu sein. Hier werden sehr viele Ressourcen verwendet, um gemeinsam mit der Stadt Baden, den Blaulicht Organisationen und dem Bundesheer, für den Fall einen reibungslosen Ablauf dieser Krise sicher zu stellen.
Thema Verpackung
„Zum Thema Verpackung, wissen wir, dass die Nachhaltigkeit der Gebinde, sowie Convenience durch leichte Verpackungen starke Bedürfnisse der Konsumenten sind“, so Berger weiter.
Die NÖM war daher auch die erste Molkerei, die eine 100% rePET Milchflasche präsentierte. Eine Milchflasche, die recycelt und recycelbar ist. Ganz im Sinne der 3 R der Nachhaltigkeit „reduce, recycle und reuse“ schließt die NÖM nun den Kreis der Verpackungswelt und bietet von nun an die NÖM Vollmilch auch in der Mehrweg-Glasflasche an. Das Verpackungskonzept der NÖM besteht darin, alle drei Bereiche von reduce, recycle und reuse abzudecken. Hier steht die Tetra Pak-Packung für reduce (reduzieren), denn diese Packung hat einen geringen Kunststoffanteil und setzt auf nachwachsende Rohstoffe. Die 100% rePET Milchflasche der NÖM besteht aus 100% recyceltem Material, ist durch das transparente PET-Material zu 100 % recycelbar und bildet damit das Feld recycle (wiederverwerten) ab. Mit der neuen Mehrweg-Glasflasche im Sinne von reuse (wiederverwenden) schießt das Unternehmen den Kreis mit einer Mehrweglösung und bietet nun für jede Verpackungsoption einen nachhaltigen Verwertungsweg.
„Wir arbeiten daran dies für viele weitere Produkte auszurollen. Der Prozess ist aber sehr langwierig und extrem teuer und komplex“, so Berger.
Aber mit Investitionen von über 40 Millionen Euro in einem Jahr zeigt sich das Unternehmen sehr zuversichtlich und gut aufgestellt für das Jahr 2023 und die folgenden. „Dass die zwei Eigentümer hier solche Summen zur Verfügung stellen, zeigt das Vertrauen in das Unternehmen und auch, dass Milch und die verschiedensten Milchprodukte noch lange eine große Zukunft vor sich haben!“ so Berger.