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MondayMemo

No Future for Black Friday

Primitive Preisschlachten sind so ziemlich die untauglichsten Mittel, wenn es darum geht, im Jahresendspurt ein betriebswirtschaftliches Ergebnis einzufahren.

Kommentar von Hanspeter Madlberger

Die Promotions im Einzelhandel rund um Black Friday, den ersten langen Weihnachtseinkaufs-Samstag und die heute beginnende Cyber Week liefern den passenden Anlass, das aktuelle Niveau der Marketingaktivitäten in der Branche einem Qualitätstest zu unterziehen. Experten warnen: Primitive Preisschlachten sind so ziemlich die untauglichsten Mittel, wenn es darum geht, im Jahresendspurt ein betriebswirtschaftliches Ergebnis einzufahren, das zur Substanzsicherung der Krisen-geplagten Unternehmen ebenso beiträgt wie zur Finanzierung von Gehaltsaufbesserungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

An Black Friday, Black Week und Cyber Week scheiden sich die Geister. Für Frank Wiebe, Redakteur im Handelsblatt-Finanzressort, ist der amerikanische Verbraucher "mit seinem Geld, seiner Bereitschaft auch zur Verschuldung und seiner Konsumseligkeit einer der wichtigsten Faktoren für die Weltwirtschaft". Und weiter: "Was in dieser Woche und  im bald darauf anschließenden Weihnachtsgeschäft passiert, kann daher Aufschluss geben darüber, ob und vor allem wie tief die Weltwirtschaft in die Rezession gerät".

Dass sich das Schicksal der globalen Wirtschaft an der Tageslosung entscheidet, die Macy´s in New York, Jeff Bezos in Seattle und die Familie Walton mit ihrer Hypermarkt-Kette an diesem Freitag nach Thanksgiving einstreifen, diese Hypothese kann wohl einem makroökonomischen Faktencheck nicht standhalten. In den USA mag diese Zuspitzung Tradition haben, leitet sich doch der Name Black Friday von der Faustregel ab, dass der US-Einzelhandel ab diesem Datum nach elf Verlustmonaten endlich den Turnaround schafft und damit  im Jahresverlauf erstmals schwarze Zahlen schreibt. Ob diese Regel auch heute, im Zeitalter von Online- und Hybrid-Handel noch gilt?

Wird die Bedeutung des Weihnachtsgeschäftes für den Handel überschätzt?

Auf solche Milchmädchen-Rechnungen nach US-Strickmuster greifen auch heimische Branchenvertreter gerne zurück, wenn sie in schöner Regelmäßigkeit Anfang Dezember die Prophezeiung wagen, der Verlauf des kommenden Weihnachtsgeschäfts sei für den Einzelhandel schlechthin Existenz-entscheidend. Sollten heuer auch noch die Dezemberumsätze schlecht laufen, so drohe für 2023 nicht weniger als 6000 Einzelhändlern die Pleite, orakelt der Handelsverband unter Berufung auf eine Blitzumfrage unter seinen Mitgliedern. Und untermauert damit seinen Appell an Vater Staat, er möge möglichst rasch und unbürokratisch an die Handelsfirmen Unterstützungsgelder zur Abgeltung der Energiepreiserhöhungen ausbezahlen. Würden doch laut E-Control Austria-Studie die Stromkosten im EH von 2022 auf 2023 um 486 Millionen Euro steigen.

Auch bei dieser Frage wäre anstatt eines hektischen Daueralarms eine faktengestützte Differenzierung gefragt, wie sie das EHI in seiner jüngst veröffentlichten Studie "Energiemanagement im Einzelhandel 2022" vornimmt. Daraus geht hervor, dass im LEH die Kühlung für 46% des Stromverbrauchs aufkommt, 21% entfallen auf Beleuchtung, 13% auf Klimatisierung und Lüftung. Deutlich niedriger ist die Stromkosten-Belastung im Nonfood-Handel. Hier macht die Beleuchtung 46% des Verbrauchs aus, dahinter folgt die Klimatisierung mit 36%. Übrigens, durch Einsparungen konnte der LEH in Deutschland seinen Stromverbrauch pro Quadratmeter Verkaufsfläche von 2021 auf 2022, wenn auch nur leicht senken: Von 314 auf 308 KWh.

Black Week: Grobschlächtiger Aktionismus

Wahrlich kein Ruhmesblatt für die Marketing-Performance  mancher heimischer  Einzelhändler ist der Tiefpreis-Hammer, der anlässlich von Black Week, Black Friday und Cyber Week aus der Toolbox geholt wird. Als "Fluch und Segen zugleich" bezeichnet HV-Geschäftsführer Rainer Will diesen grobschlächtigen Aktionismus. Einerseits beschere die Black Week dem Einzelhandel Umsätze in Höhe von 450 Millionen Euro, andererseits zwinge die Rabattschlacht viele Geschäfte dazu, ungesunde Aktionspreise auf Kosten der eigenen Marge zu gewähren, um überhaupt Kunden zu gewinnen. Diese vorsintflutliche Promotion-Politik gefährdet die Erträge und schwächt damit die Eigenkapital-Basis des durch vielfältige Krisen herausgeforderten Handels. Sie beschädigt darüber hinaus auch dessen Glaubwürdigkeit. Durchaus ernst zu nehmen sind die lautstarken Proteste von  Arbeiterkammer und anderen Konsumentenschützern, die hinter den Sonderangeboten in Black plumpe Täuschungsmanöver "Profit-gieriger" Händler vermuten.

Berechtigten Anlass zur Kritik bieten vor allem die Mondpreise, die als Maßstab für die Rabatte herangezogen werden. Wenn XXXLutz in diesen Tagen in seiner TV-Werbung Preisnachlässe von bis zu 55% gegenüber "Industriepreisen" auslobt, dann kann von einer seriösen Promotionpolitik wohl nicht mehr die Rede sein. Gemeint sind unverbindliche Preisempfehlungen von Herstellern, die in der Verkaufspraxis so gut wie keine Rolle spielen. Gleiches gilt für Discounter-Sonderangebote, bei denen nicht näher definierte "Fachhandelspreise" als Messlatte für das eigene Rabatte-Ausmaß herangezogen werden. Man darf sich nicht wundern, wenn ob solcher Schlawiner-hafter Praktiken Markenartikler des Körperpflege- und des Gebrauchsgüter-Sektors mit ihren Webshops Cyber Week-Aktionen starten und damit den Handel als Distributionspartner umgehen.

Cyber-Getöse: Der LEH bleibt gelassen

Aufmerksame Beobachter stellen fest, dass der Lebensmittelhandel dem Cyber-Getöse in der werblichen Kommunikation relativ gelassen gegenüber steht. Bei den Supermärkten dominiert in diesen Tagen Aktions-Business as usual. Und man begegnet zumindest in Ansätzen einer zielgruppen- und qualitäts-fokussierten Promotion-Strategie. Special Editions an saisonalen und regionalen Kulinarik-Produkten in Verbindung mit Lieferdienst-Angeboten sind ein Schritt in die richtige Richtung. Und beweisen, dass die am besten organisierten Händler in Sachen Connected Retail und Ladengastronomie Fortschritte machen. Übrigens zwei Themenfelder, die auf der EuroShop 2023 in Düsseldorf ausführlich abgehandelt werden.

Was die vorweihnachtliche  Aktionskalkulation betrifft, darf daran erinnert werden, dass nur die Data-based Analyse des Shopper Journey und des Shopper-Verhaltens am POS den  Schlüssel zu einer ertragsorientierten Preis- und Promotion-Politik liefert. Legendär bleibt das Aktions-Optimierungsmodell (Efficient Promotion), das seinerzeit ex-Nielsen-Manager Rudolf Maurer für Billa/Rewe und dessen Markenartikel-Lieferanten konzipierte. Auch bei den Seminaren für zertifizierte ECR Manager stand dieses Modell für Intelligent Pricing einst am Lehrplan.

Last but not least. Gerade in den Adventwochen 2022 steht die Motivation der Menschen beim Einkauf von Geschenken unter ganz besonderen emotionalen Vorzeichen. Als da sind: Hilfsbereitschaft, Familiensinn, Sozial- und Umweltverantwortung, Regional-Patriotismus, regionale Brauchtumspflege (Sorry, Santa Claus!) und ein Herz für Herberg-suchende Kriegsflüchtlinge. Werbliche Signale mit diesen Inhalten auszusenden, steht als Ausdruck zeitgemäßer Handelskultur im Raum und bietet sich als Alternative zu Black Friday-Rabatt-Krachern an. Wie man das macht, zeigt beispielhaft die eben anlaufende Adeg-Weihnachtskampagne, erdacht von der famosen Werbeagentur "Wien Nord Serviceplan“.

Adeg Weihnachtskampagne

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geschrieben am

28.11.2022