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Corona und die Folgewirkungen

Nielsen sieht sich Folgewirkungen an

Bis zur KW 9 hat Nielsen in Österreich bereits einen Überblick geboten. Nun geht es weiter.

Wir setzen die Untersuchungen von Nielsen nun fort (Start: Corona und die Folgewirkungen)

Der Lebensmittelhandel verzeichnet in Kalenderwoche 11 im Vergleich zur Vorjahresperiode ein Umsatzplus von 69,7% über alle Food-Warengruppen hinweg (Basis: LH exkl. H/L). Neben haltbaren Lebensmitteln werden nun auch andere Warengruppen verstärkt gekauft. Darunter beispielsweise CO2-Limonaden, Süßigkeiten, alkoholische Getränke und Käse. Das Plus in diesen Warengruppen deutet darauf hin, dass die Konsumenten sich nicht – wie in Kalenderwoche 9 – einen Vorrat für eine Notfall-Situation anlegen, sondern sich auf den täglichen Konsum in der Quarantäne-Situation vorbereiten. Die ÖsterreicherInnen stellen sich somit darauf ein, weniger häufig einkaufen zu gehen und so wenig wie möglich das Haus zu verlassen.

Der Beginn der Quarantäne-Maßnahmen ab Kalenderwoche 12 dämpft die Nachfrage wieder etwas. An den weiterhin hohen Wachstumsraten lagerfähiger Lebensmittel wie Mehl und Fertiggerichten lässt sich allerdings festmachen, dass nach wie vor Bevorratungskäufe stattfinden. Zusätzlich verlagert sich der ausbleibende Außer-Haus-Konsum durch die Schließung der Gastronomie in den Handel – daher liegt Woche 12 weiterhin 13,1% über dem Vorjahresumsatz.

Ein ähnliches Bild zeigen Drogeriewaren. Hier wird in Kalenderwoche 11 ein Umsatzplus von gar 105,0% gegenüber der Vorjahresperiode erzielt (Basis: LH exkl. H/L + DFH). Und auch hier sehen wir in Kalenderwoche 11 eine Steigerung bei Warengruppen, die in den beiden Wochen zuvor noch kein außergewöhnliches Wachstum zeigten wie beispielsweise Rasur-Produkte. Ab der Phase der Quarantäne verzeichnen die Drug-Warengruppen ebenfalls eine deutlich abgeschwächtes Wachstum. Die Konsumenten kaufen diese allerdings verstärkt im Lebensmittel- als im Drogeriefachhandel.
Diese Entwicklungen am Markt zeugen von großer Verunsicherung der KonsumentInnen hinsichtlich der Versorgungssituation. Für Händler sowie Hersteller stellt diese Ausnahmesituation eine große Herausforderung dar und auch wenn nicht alle Faktoren beeinflusst werden können, ist es wichtig dort anzusetzen, wo es möglich ist.

Wo Hersteller und Händler Einfluss nehmen können

Aufgabe der Händler und Hersteller ist es nun, Vertrauen aufzubauen indem Stetigkeit demonstriert wird. Daher ist es derzeit besonders wichtig in der COVID-19-Kommunikation auf die bestehende Core Brand Identity aufzubauen und diese aufzugreifen: Steht Regionalität, Menschlichkeit, Genuss, Preiskompetenz etc. im Kern meiner Marke, so fokussiere ich mich darauf. Wird beim Konsumenten ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, kann dies zu einer langfristigen Loyalität führen, wenn man sich in besseren Zeiten daran zurückerinnert, welche Marke oder welcher Händler in dieser Zeit der Verunsicherung Halt gegeben hat. 

Sigrid Göttlich, Commercial Director Nielsen Alpine zur Rolle der Handelsunternehmen in den Zeiten der Krise: “Händler sind aktuell gut beraten, sich auf ihre jeweiligen Stärken zu fokussieren, welche im Einklang mit den nun intensivierten Bedürfnissen der Konsumenten stehen. Authentizität, das Vermitteln von Sicherheit bzw. ein wenig Normalität als auch Preiswürdigkeit sind die Gebote der Stunde.” 

In dem Zusammenhang ist auch eine klare Kommunikation zu neuen Maßnahmen im Handel von hoher Wichtigkeit. Die Vorgaben der Regierungen ändern sich laufend, daher ist es eine große Herausforderung für die Händler die Kunden nicht weiter zu verunsichern und klar zu kommunizieren, was nun beim Einkauf erlaubt ist und was nicht. Eine zentrale Plattform, auf der Kunden die aktuellsten Informationen bereitstehen, kann dabei unterstützen. Auf dieser sollten die wichtigsten Kunden-Fragen angesprochen werden, z.B. wie Hygiene-Maßnahmen umgesetzt werden und woran in der Umsetzung derzeit noch gearbeitet wird. Dabei sollte man sich nicht darauf verlassen, dass alle Konsumenten Informationen aus dem Internet abrufen (können). Auch direkt in den Filialen kann beispielsweise mit Aufstellern vor dem Geschäft auf die derzeit geltenden Richtlinien hingewiesen werden. Das können auch kleine Geschäfte bewerkstelligen, die keinen Online-Auftritt mit hohen Reichweiten haben.

Ein Beispiel ist die seit Montag geltende Maskenpflicht im Handel, allerdings nur in Geschäften ab 400 m2 Verkaufsfläche. Kunden wissen daher oft auch heute noch nicht, wo sie zum Tragen einer Maske verpflichtet sind bzw. wie und wo sie eine Maske erhalten. Auch hier kann ein gut sichtbares Hinweisschild helfen, um Verunsicherung und Unstimmigkeiten zwischen den Konsumenten zu vermeiden. Informationen werden derzeit häufig auf A4-Seiten mit viel Text in kleiner Schriftgröße zur Verfügung gestellt. Gerade für ältere Personen, die Informationen nicht im Internet besorgen können, sollten die Richtlinien allerdings komprimiert und gut leserlich zur Verfügung stehen. Zudem haben die Mitarbeiter im Handel eine große Vorbildwirkung und sollten daher tunlichst Masken vorschriftsmäßig tragen.

Eine große Herausforderung ist es derzeit, bei der weiterhin hohen Nachfrage bei bestimmten Warengruppen, möglichst keine Out-Of-Stock-Situationen aufkommen zu lassen. Denn leere Regale fördern die Unsicherheit der Kunden und führen zu weiteren Hamsterkäufen, auch wenn sich längst alle mit Vorräten eingedeckt haben. Ist ein Produkt nicht lieferbar oder ist das Personal mit dem Nachschlichten überfordert, hilft ein Hinweis am Regal, dass hier die Nachfrage besonders hoch ist und Nachschub in Arbeit ist.

Hersteller wiederum sollten sich mit möglichst aktuellen Daten zur Nachfrage auf dem Laufenden halten um so ihre Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Punktuell kann so auf die geänderten Lebensbedingungen reagiert werden z.B. Fokus der Produktion auf größere Gebinde anstatt von Single-Serve-Größen, wenn diese stärker nachgefragt werden. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass Kunden in turbulenten Zeiten, verstärkt auf die Produkte und Marken setzen, die sie kennen und die ihnen das Gefühl der Sicherheit geben – größere Umstellungen des Sortiments sind daher weder für Hersteller noch für Händler ratsam.

Ausblick

“Nachdem die Vorratskäufe nun zum Großteil erledigt sind, werden wir in den kommenden Wochen sehen, was die Konsumenten in Österreich wirklich für den täglichen Bedarf brauchen, wenn die Gastronomie nicht zur Verfügung steht. Der fehlende außer-Haus-Konsum wird nun vom Lebensmittelhandel abgedeckt, daher erwarten wir auch für die kommenden Wochen höhere Umsätze, vor allem bei Sortimenten zum Kochen, Backen und Selbermachen.” meint Sigrid Göttlich.

Doch auch nach der Aufhebung der Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen das Virus wird der österreichische Markt nicht sofort zur Normalität zurückkehren. Das Vertrauen der Konsumenten, sich an öffentlichen Orten aufzuhalten, ist erschüttert, die Verunsicherung wird bis zu einem gewissen Grad bestehen bleiben, bis zuverlässige Medikamente für die Behandlung von COVID-19 oder gar eine Impfung verfügbar sind.

Göttlich weist auf eine “neue Normalität” hin: “Der Konsum, so wie wir ihn kennen, wird sich für längere Zeit nicht normalisieren. Auch nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen werden die Konsumenten mehr zu Hause bleiben und sich entsprechend selbst versorgen anstatt in der Gastronomie – erst wenn das Vertrauen in einen unbedenklichen Aufenthalt an öffentlichen Orten wieder wächst, werden wir langsam zu einem neuen Normalzustand zurückkehren. Bis dahin wird der Lebensmittelhandel die veränderten Konsummuster auffangen.”

Zusammenfassend gilt es also das Vertrauen der Konsumenten schrittweise wieder aufzubauen, um wieder in die Normalität zurückzukehren. Ob es in der “neuen Normalität” langfristig geänderte Konsummuster gibt, hängt dabei auch von den Herstellern und Händlern ab und der Tatsache ob sie es geschafft haben, die Loyalität in der Krisenzeit aufzubauen und die sich ergebenden Chancen zu nutzen.

Food Warengruppen
Drug Warengruppen

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geschrieben am

09.04.2020