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Krise der großen Marken?

Top Ten Markenartikler in der Wachstumskrise? Es rumort in der Beziehungskiste zwischen Industrie und Handel. In der EU, in Deutschland , bei uns in Österreich. Für jede Menge Zündstoff sorgt der Nielsen FMCG Report Westeuropa 2017, der retailreport.at vorliegt und den unsere Abonnenten kostenfrei herunterladen können (siehe Data).

Kommentar: Dr. Hanspeter Madlberger

Die Studie beleuchtet die FMCG-Branche in elf europäischen Ländern, nämlich in Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Italien, Niederlande, Belgien, Österreich, Portugal, der Schweiz und Norwegen. Grundtenor  diese Wettbewerbsszenarios: Eine Phalanx von Handelsmarken bestimmt das Marktwachstum und setzt damit die großen Herstellermarken gewaltig unter Druck. 

Der besondere Framing-Trick der Studie: Das FMCG-Sortiment wird in drei Gruppen unterteilt:

O Sämtliche Private Labels(Handelsmarken). Ihr Westeuropa-Marktanteil  beträgt 36,1%,sie kommen für 51%des Marktwachstums 2016/2017  aufIhr Schwerpunkt liegt im Frischwaren-Bereich, der  allein 45% des Gesamtwachstums generiert.

O Die Herstellermarken der Top Ten Markenartikler. Dazu zählen, gereiht nach dem Umsatz: Nestlé, Unilever, Procter & Gamble, Coca-Cola, Mondelez, Danone, Mars, Ferrero, Pepsico und L’Òréal. Diese zehn  Multis erreichen zusammen in Westeuropa nur einen FMCG-Marktanteil von 17% und tragen nur 1%(!)  zum Wachstum des Gesamtmarktes bei.

O Die  Herstellermarken aller anderen FMCG-Produzenten. Der Bogen spannt sichvon den Platzhirschen in einzelnen Ländern (Berglandmilch, NÖM in Österreich, Emmi in der Schweiz, Henkel, Beiersdorf , Oetker in Deutschland  etc.) über die zahlreichen Private Label-Lohnproduzenten  bis zu  den KMUs im Lebensmittelgewerbe. Ihr akkumulierter Marktanteil beträgt 46,9%,ihr Beitrag zum Marktwachstum liegt bei 48%. Gewinner und Verlierer sind in diesem Topf „alle anderen“ bunt gemischt.

Einzig und allein  im Getränkeregal,speziell im AF-Bereich zeigen die Markenartikler unvermindert Markenstärke und damit Marktgestaltungs-Kompetenz. Das größte absolute Umsatzplus 2016/2017 unter den Markenartikel-Multis verzeichnete 2017 in den elf Ländern Pepsico vor Inbev, Coca-Cola und Diageo. 

Promotions schwächeln als Wachstumstreiber

Für einen weiterer Aufreger sorgt Nielsen mit der Feststellung, dass 80% des Wachstums auf Umsatzsteigerungen im Kurant-Geschäft („non-promo-sales“) zurückzuführen sei. Durch Preisaktionen den eigenen Umsatz anzukurbeln und damit auch den Gesamtmarkt zum Wachsen zu bringen, diese traditionelle Erfolgsformel der Markenartikler ist, wenn man der Nielsen-Analyse Glauben schenkt, recht obsolet geworden. Was den LEH in Österreich betrifft, relativiert die jüngst veröffentlichte Action Focus -Studie diesen Befund.  Sie bescheinigt nämlich den Handels- und Exklusivmarken im heimischen LEH/DFH einen stark steigenden Aktionsanteil. Dieser habe sich seit dem Jahr 2000 fast verdreifacht. im Gegenzug sei der Promo-Anteil der Industriemarken in diesem Zeitraum um fast 20%Punkte  zurückgegangen. 

Zu recht interessanten Ergebnissen kommt die Nielsen-Studie beim Splitting der Umsatzentwicklung 2016/2017 in Höhe von +2,1%  nach dem Wert- und dem Mengenwachstum. 2017 dominierte europaweit das Wertwachstum (+1,9%)  während die verkauften Mengen nahezu stagnierten (+0,2%),  in manchen Ländern wie Deutschland oder Vereinigten Königreich sogar rückläufig waren. Wertwachstum mit Preiserhöhungen gleich zu setzen, wäre freilich ein unverzeihlicher Kurzschluss. Wenn die Konsumenten  vermehr  zur teureren Bio-Milch statt zur billigen konventionellen Milch greifen, kann man wohl nicht von Preiserhöhungen seitens des Handels oder der Produzenten sprechen. 

Nielsen-Ländervergleich mit vielen Schönheitsfehlern

Die Schwachstelle der Studie: Die Daten aus den elf Ländern sind nur sehr bedingt mit einander vergleichbar, weil Nielsen je nach Land das Universum des Einzelhandels sehr unterschiedlich definiert.  In Großbritannien und der Schweiz sind die Lebensmittel-Discounter (Aldi und Lidl) beim FMCG-Einzelhandel  nicht berücksichtigt, in Österreich bleiben die Drogeriemärkte außer Betracht. In Frankreich werden alle Nahversorger (unter 400m2) ausgespart, dafür sind dort die Umsätze der E-Drives  inkludiert. Ausgeklammert sind generell die Umsätze der Convenience Stores  z.B. in Form der Tankstellen-Shops.  

Bei den Aussagen, die Nielsen mit Bezug auf  einzelne Warengruppen trifft, ist anzumerken, dass ein großer Teil des Frischgeschäftes von der Studie nicht erfasst wird. Nämlich Frischwaren mit variablem Gewicht, dazu zählen große Teile des Obst- und Gemüse-, des Frischfleisch- und des Wurstsortiments sowie Frischwaren wie Käse und Feinkost aus der Bedienungstheke. Nicht erfasst sind auch Wein und Tabakwaren sowie  „Nonfood 2“ mit Warengruppen wie Bücher, Zeitschriften, Spielzeug, Textilien, Haushaltswaren wie Kerzen, Spielzeug und Textilien. 

Das führt zum kuriosen Ergebnis, dass der FMCG-Report Westeuropa  den österreichischen FMCG-Markt 2017 mit rund 11 Milliarden € ausweist, während  die aktuelle Aussendung von Nielsen Österreich den  heimischen LEH-Markt 2017  mit 22,7 Mrd. € beziffert. Darin enthalten ist der DFH-Markt  mit 1,9 Mrd. €. %. Möglicherweise  liegt es an dieser unterschiedlichen Betrachtungsweise, dass  Österreichs FMCG-Markt  im Westeuropa- Report gegenüber der Schweiz schlechte Figur macht. Der FMCG-Gesamtmarkt der Eidgenossen ist mit 20 Mrd. € (ohne Discounter) veranschlagt, jener der Österreicher mit, wie erwähnt, 11 Milliarden € (ohne DFH). Logischer Schluss: Viele heimische Lebensmittel- und Getränkeproduzenten kaufen keine Nielsen-Daten, der Big Data-Schatz ist daher nicht ganz so big.

Auch bezüglich des Marktanteils 2017 der Handelsmarken in unserem Land kommen die Autoren des Reports Westeuropa  und Nielsen Österreich zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die 11-Länder-Studie weist für den FMCG-Einzelhandel in Österreich einen Private Label-Anteil von 36,1% aus, Nielsen Österreich beziffert den Handelsmarken-Anteil 2017 (allerdings ohne Hofer/Lidl)  mit über 21%. Und das PLMA-Handbuch 2018, das sich auf Nielsen-Daten beruft, vermeldet einen Wertanteil 2017 der Handelsmarken in Österreich  von 31.3% und einen Mengenanteil von  43.1%. 

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geschrieben am

20.07.2018