LH steht unter Strompreis-Schock
Der Lebensmittel-Nahversorgung im ländlichen Raum droht 2023 ein dramatischer Kahlschlag, wenn der Staat nicht schleunigst Maßnahmen zur nachhaltigen Senkung der Strompreise ergreift. Andernfalls droht eine Schließungswelle im Einzelhandel, die zur Folge haben kann, dass die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorgung von derzeit 600 auf über 1000 steigen wird.
Diese Warnung, die am Freitag vergangener Woche die erfolgreichen Lebensmittel-Kaufleute und engagierten Kammerfunktionäre Johann Peter Buchmüller (Adeg), Christian Prauchner (Spar) und Wolfgang Benischko (Nah &Frisch), assistiert von Nah&Frisch-Großhändler Christof Kastner und Unimarkt-Franchisegeber Andreas Haider, aussprachen, ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Es kommt selten vor, dass Unternehmer in ihrem "Nebenberuf" als Interessensvertreter ihre Forderungen an die öffentlichen Hand so profund mit harten Fakten aus der eigenen Firma untermauern: Zu normalen Zeiten erzielt Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der WKO, der in Pöchlarn einen Eurospar und in Gresten sowie in Ybbsitz je einen Spar Supermarkt betreibt, einen steuerlichen Jahresgewinn von rund 150.000 Euro. Bei Stromkosten, die zuletzt 131.000 Euro betrugen. Für 2023 muss er auf Grund der von der EVN angekündigten Tariferhöhungen mit Stromkosten in Höhe von 499.000 Euro rechnen. Wird dieses Horrorszenario Wirklichkeit, dann droht somit dem bislang prosperierenden Unternehmen für das kommende Jahr ein Verlust in Höhe von über 200.000 Euro.
Gar von einer sich abzeichnenden Verzehnfachung (!) der Stromkosten berichtet Buchmüller, Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg, der im Großraum der Festspielstadt zwei Adeg Märkte betreibt: Sein Stromlieferant, die Salzburg AG kündigte an, sie werde den Preis für eine Kilowattstunde von 5,7 Cent auf 59 Cent anheben. Buchmüller: "Bisher betrugen meine Energiekosten 0,6% vom Umsatz, für die nahe Zukunft droht ein Anstieg auf 3,5%." Die Kaufleute sind sich einig: Eine entsprechende Anhebung des Preisniveaus sei aus Wettbewerbsgründen nicht praktizierbar. Schon heuer würden die Discounter dank ihrer aggressiven Preis- und Aktionspolitik beim Umsatz deutlich zulegen.
Knappe Gewinnspanne im LH macht Strompreis-Erhöhung so brisant
Christof Kastner bringt den betriebswirtschaftlichen Supergau auf den Punkt, den der anrollende Strompreis-Tsunami für den mittelständischen LEH mit sich bringt: Zu normalen Zeiten schafft ein Lebensmittelkaufmann im Durchschnitt einen Gewinn in Höhe von einem Prozent des Umsatzes. Auch die Energiekosten waren bisher mit rund einem Umsatzprozent zu veranschlagen. Wenn diese um das Drei- bis Vierfache steigen, würde nicht nur der Gewinn komplett aufgefressen, darüber hinaus sei mit Verlusten in Höhe von einigen Umsatzprozenten zu rechnen.
Ein ganz spezifisches Alarmsignal sendet Wolfgang Benischko, Nah &Frisch Kaufmann mit zwei Standorten in Oberösterreich und Vizeobmann des LH-Bundesgremiums aus: Er plane mit kommenden Jahreswechsel in den Ruhestand zu treten. Aber er könne und wolle es nicht verantworten, seinen Nachfolgern eine durch die Strompreis-Explosion hochverschuldete Firma zu übergeben. Allein steuerrechtlich wäre das der reinste Horror.
Andreas Haider, seit Mai 2021 nach einem Management Buyout Alleineigentümer der Unimarkt Gruppe (Jahresumsatz 2021: 432 Millionen Euro), berichtet, dass von seinen 70 Franchise-Kaufleuten heuer bereits fünf wegen der Stromkosten-Steigerung ihre Verträge mit Unimarkt gekündigt hätten.
Selbstständige Lebensmittelkaufleute kommen auf rund 10% Marktanteil
In Kollegenkreisen zählen Prauchner, Buchmüller und Benischko zu den Großen des selbstständigen, organisierten Lebensmittel-Einzelhandels. Ebenso wie der beim Pressegespräch anwesende, bereits im Ruhestand befindliche Spar Kaufmann Josef Uher aus dem Wechselgebiet. Seine beiden Töchter Birgit und Astrid betreiben einen 1200m2 Eurospar in Reichenau an der Rax und einen 1400 m2 Eurospar in Bad Erlach. Übrigens, dieser Markt verfügt bereits über eine Fotovoltaik-Anlage mit einer Fläche von 1600m2. Insgesamt beschäftigt das Familienunternehmen Uher 60 Mitarbeiterinnen.
Wenn man davon ausgeht, dass rund 90% des LEH-Umsatzes in Österreich auf die Filialsysteme entfällt, bleibt der Marktanteil von 10%, für den die Kaufleute von Spar, Adeg, Nah&Frisch und Unimarkt zusammen mit dem "Rewe-Solitär" Sutterlüty im Ländle und den kleinen, nicht organisierten im C&C einkaufenden Einzelhändlern aufkommen, ein überaus wertvolles Regulativ im Wettbewerb. Andersrum: Ohne die Spar Kaufleute hätte die Spar Gruppe die Marktführerschaft wohl kaum gestemmt. Und es sind die großen Ketten-Kaufleute, die sich mit ihren Super- und Verbrauchermärkten für die Markenartikelindustrie als hochwillkommene "alternative" Absatzpartner anbieten, wenn Zentraleinkäufer einer Listung unüberwindbare Hindernisse in den Weg legen.
Kette reloaded: Super- und Verbrauchermarkt-Kaufleute sichern Handelskonzernen entscheidende Marktanteile
Mit ihren 2500 Betrieben stellen die heimischen LEH-Kettenkaufleute eine synergetische Ergänzung zu den Filialsystemen der Handelsriesen Spar und Rewe sowie den Gastro-Großhandlungen selbstständigen Markant Großhändler dar. Als Handelskette reloaded könnte man diese Systempartnerschaft im zweistufigen Lebensmittelhandel bezeichnen. Diese Kaufleute bilden das Rückgrat der Nahversorgung im ländlichen Raum und gelten in den Dörfern und Marktgemeinden als bedeutende Arbeitgeber. Je kleiner das Einzugsgebiet, desto wichtiger ist, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, die Anreicherung des Lebensmittel-Warenangebots durch diverse Dienstleistungen wie Lotto/Toto-Annahme, Postpartnerschaft, Imbiss-Gastronomie, etc. Die dörfliche Rundum-Versorgung, ein Thema, dessen sich die Nah&Frisch Marketingservice Gesellschaft unter Hannes Wuchterl gezielt annimmt. Vom eingangs erwähnten Kahlschlag wäre die Nah&Frisch Gruppe demnach besonders betroffen.
Gerade beim öffentlichen Dialog über Maßnahmen zur Bekämpfung der Energiekrise und ihrer Inflationsfolgen kommt der Wortmeldung der Lebensmittel-Kaufleute auf Kammerebene besondere Bedeutung zu. Die Auswirkungen der komplexen Wirtschaftskrise sind von Branche zu Branche, von Wirtschaftsstufe sehr verschieden. Lebensmittelhändler mit ihrem hohen Umsatzanteil an kühlbedürftigen Frischwaren und TK-Sortimenten leiden ungleich stärker unter der Stromkosten-Explosion als Nonfood-Händler. Vollsortimenter haben eine viel komplexere Kostenstruktur als Discounter, man denke nur an ungleich höhere Personalkosten-Belastung. Weil aber die "Handelsriesen" aus allen möglichen Richtungen gleichsam reflexartig mit dem Vorwurf des Marktmacht-Missbrauchs konfrontiert werden, erfüllen die Kettenkaufleute als glaubwürdige Absender der Strompreis-Notsignale eine besondere Funktion in der Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Branche.