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MondayMemo

Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik

Gerade in der disruptiven Phase der österreichischen und europäischen Wirtschaft spielt Wettbewerbsrecht eine entscheidende Rolle.

Welche Rolle kann Wettbewerbspolitik in Zeiten wie diesen spielen? In einer Podiumsdiskussion gingen vor etwas mehr als einer Woche Alexander Winterstein, Europäische Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, Axel Kühner, Vorstandsvorsitzender der Greiner AG, sowie Natalie Harsdorf-Borsch, interimistische Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde, dieser Frage nach.

Bundesminister und Key Note Speaker Martin Kocher legt einen wesentlichen Blick auf diese disruptive Phase der Wirtschaft und Gesellschaft: jede Prognose hinsichtlich Energiepreise ist zwar zum Scheitern verurteilt, was man aber sagen kann ist, dass die Preise in Zukunft höher bleiben werden, als noch vor dem 24. Februar 2022. Gute Nachricht: In diesem Tempo wird es mit den Erhöhungen wohl nicht weitergehen.

Die Gretchenfrage lautet allerdings: wenn Europa weiterhin vor diesen Herausforderungen stehen wird – Energiepreise, Lieferketten, Digitalisierung – dann brauchen Führungskräfte nicht nur drei Gehirne, einen 72-Stunden-Tag und Multitasking-Fähigkeiten eines Roboters, sie müssen sich auch Sorgen um die Internationale Wettbewerbsfähigkeiten ihrer Unternehmen machen. Denn: das KMU-geprägte Land Österreich und auch die hier ansässigen großen Player müssen sich international orientieren, um wettbewerbsfähig und ertragreich zu sein. Die Erfolge ausschließlich in Österreich zu suchen, rentiert sich für viele Firmen nicht annähernd. Ein gut funktionierender Binnenmarkt ist die notwendige Basis, aber die internationalen Gewässer sind mehr als die Butter auf dem Brot. Und es ist besser ein europäisches/österreichisches Unternehmen feiert seine Erfolge im Export nach Amerika und Asien, als umgekehrt.

Alexander Winterstein erläutert die Situation folgendermaßen: Wettbewerbspolitik ist auch gleichzeitig Sozialpolitik, denn die Wirtschaftsräume und Märkte sind für die Konsumenten da. Dabei kann man ohne weiteres in der EU und auch in Österreich selbstbewusster sein „alle anderen sind das auch“, so Axel Kühner von der Greiner AG. Er weiß, wovon er spricht, Greiner ist ein Global Player. Für ihn ist Wettbewerbsrecht in der Europäischen Union wichtig. Es ist aber auch oftmals unvorhersehbar, wenn es um die endgültige Entscheidung im Zusammenhang mit beispielsweise einer Fusion geht: erst nach einem Antrag werden Kunden und Mitbewerber befragt, deren Meinungen einen großen Einfluss auf die Letzt-Entscheidung haben – für manche Unternehmen ist diese Durststrecke nur schwer durchzustehen.

Gerade in der aktuellen Diskussion rund um Preisverhandlungen zwischen Industrie und Handel stellte sich die Frage, wie Wettbewerb(-srecht) und Inflation zusammenwirken: niedriger Wettbewerb hat eine höhere Inflation zur Folge und schadet somit dem Konsumenten. Ein funktionierender Wettbewerb hält Märkte offen. In einer Krise wie dieser ist der Markt zwar anfälliger für die Bildung von Kartellen, auf der anderen Seite destabilisiert er auch langfristige altbekannte Kartelle. Für die Wettbewerbshüter ist Marktmacht ein Treiber der Inflationsentwicklung.

Fasst man nun all diese theoretischen Punkte zusammen, so erkennt man rasch, dass all die Themen, die eine BWB als Vertreter der Wettbewerbshüter aufgreift, in erster Linie wichtig für den Konsumenten sind.  Erste Priorität gilt dem Wohle des Verbrauchers, hört man vom Podium. Welche Produkte mit welchen Margen wo angeboten werden, steht im Zentrum der Interessen von BWB & Co. Und das anwesende Publikum fragt sich ergänzend: wieso greift man dann nicht bei Streit zwischen internationalen Herstellern und Händlern in Österreich ein?

Eines ist jedenfalls sicher: die Arbeit wird allen, die sich mit Wettbewerbsrecht in Europa befassen, nicht so schnell ausgehen.

Gabriele Jiresch

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geschrieben am

17.10.2022