METRO/AGM: mit Auflagen genehmigt
Der Zusammenschluss betrifft den Erwerb von AGM durch Metro und wurde am 02.09.2021 bei der Bundeswettbewerbsbehörde („BWB“) angemeldet. Das Fristende von Phase I und für die Stellung eines Prüfantrages an das Kartellgericht war Donnerstag, 30.09.2021. Bei den Ermittlungen durch die BWB wurden wettbewerbliche Bedenken identifiziert, wodurch das Zusammenschlussvorhaben in seiner damaligen Form aus Sicht der Behörde nicht freigabefähig war. Die Anmelder hatten keine Maßnahmen angeboten, um die bestehenden Bedenken auszuräumen. Die BWB als auch die zweite Amtspartei, der Bundeskartellanwalt („BKAnw“), stellten daher am 30.09.2021 jeweils einen Prüfungsantrag an das Kartellgericht (Phase II, 25 Kt 8/21w - 84 verbunden mit 25 Kt 9/21t) und leiteten damit eine vertiefte Prüfung des Zusammenschlusses durch das Kartellgericht ein.
Die BWB begründete ihren Prüfungsantrag im Wesentlichen damit, dass durch den Zusammenschluss im Lebensmittelgroßhandel („LGH“), in dem beide Anmelder aktiv sind, infolge von Marktanteilsadditionen die Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG erfüllt werden würde.
Das KG holte ein Sachverständigengutachten zum relevanten Markt ein. In dem Sachverständigengutachten wurden bezüglich zwei Standorten die wettbewerblichen Bedenken der Behörden geteilt. Die Anmelder haben daraufhin gegenüber dem Kartellgericht strukturelle Auflagen angeboten, um dauerhaft negativen Veränderungen auf den beiden lokalen Märkten entgegenzuwirken. Gegenüber Verhaltensauflagen, die einen anhaltenden Eingriff darstellen, wirken strukturelle Auflagen durch einen einmaligen - meist stärkeren - Eingriff direkt auf die Marktstruktur nach dem Zusammenschluss und sind daher meist auch wirksamer als laufend zu überprüfende Verhaltensauflagen, um die wettbewerblichen Bedenken auszuräumen. Dies war im Anlassfall angezeigt. Die Auflagen betreffen zwei (2) Standorte:
- Bludenz und
- Klagenfurt,
welche nunmehr an Wettbewerber abgegeben werden müssen.
Der Beschluss des Kartellgerichts vom 24.03.2022, zugestellt am 28.03.2022, ist mit Wirkung vom 26.4.2022 rechtskräftig.
Hintergrund
Am 02.09.2021 wurde bei der BWB ein Zusammenschluss angemeldet, wonach Metro Cash & Carry Österreich GmbH („METRO“) in Übereinstimmung mit der REWE Group beabsichtigt, alleinige Kontrolle über die C & C Abholgroßmärkte Gesellschaft m.b.H. („AGM“) zu erwerben.
METRO betreibt in Österreich im LGH zwölf (12) Großhandelsmärkte an den Standorten in
- Dornbirn,
- Graz,
- Klagenfurt,
- Langenzersdorf,
- Linz,
- Rum bei Innsbruck,
- Salzburg,
- St. Pölten,
- Vösendorf,
- Wels,
- Wien-Simmering und
- Wiener Neustadt.
Metro bedient die Kundengruppen HoReCa (Hotels, Restaurants, Bars, Cafes und Cateringunternehmen), Trader (unabhängige Wiederverkäufer wie etwa kleine Lebensmittelläden, Kioske und Tankstellen) sowie professionelle Dienstleistungsunternehmen und Organisationen, beispielsweise Büros und Institutionen.
AGM betreibt den LGH mit Fokus auf die Belieferung von Hotels, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung (HoReCa) in Form eines integrierten Abhol- und Zustellgeschäfts mit derzeit zwölf (12) Standorten in Österreich.
Das Zusammenschlussvorhaben umfasst neun (9) AGM-Großhandelsmärkte, nämlich an den Standorten
- Bludenz,
- Graz,
- Hartberg,
- Klagenfurt,
- Liezen,
- Neusiedl,
- Spittal an der Drau,
- St. Pölten und
- Wiener Neustadt.
Davon müssen zwei (2) AGM-Standorte – Bludenz und Klagenfurt – nun an Wettbewerber abgegeben werden.
Umfangreiche Marktuntersuchung durch die BWB
Um den Markt besser darstellen zu können, führte die BWB in Phase I eine umfangreiche Marktuntersuchung durch, deren Ergebnisse sie auch dem KG zur Verfügung gestellt hat.
Die Marktbefragung wurde zweigeteilt ausgeführt:
- Im ersten Auskunftsverlangen wurden 65 Fragen an rund zehn Vollsortimenter-Wettbewerber von METRO und AGM gestellt. Die Wettbewerber äußerten überwiegend starke Bedenken.
- Das zweite Auskunftsverlangen mit bis zu 87 Fragen (die Fragen reagierten logisch auf bisherige Antworten und lagen in Summe faktisch für jeden Kunden darunter) ging an rund 1.200 große und kleine HoReCa-Kunden. Der Rücklauf mit über 400 Antworten war aus Sicht der BWB sehr hoch und zeigt das Interesse aus dem Markt. Die Bedenken der Kunden unterschieden sich je nach Standort.
Marktabgrenzung
Zum Zweck der Prüfung des Zusammenschlusses befasste sich das Kartellgericht auch im Rahmen des Sachverständigengutachtens mit der Marktabgrenzung und einer möglichen marktbeherrschenden Stellung.
Für die empirische Analyse kamen drei Datenquellen zum Einsatz:
(i) die von der BWB erhobenen Kundenbefragungsdaten;
(ii) Transaktionsdaten auf Produkt-/Monatsebene; und
(iii) Einzeltransaktionsdaten.
Im Anlassfall geht das Kartellgericht von einem sachlich relevanten, gemeinsamen Markt für Zustellung und Abholung im vollsortierten LGH aus. Der räumlich relevante Markt ist lokal mit einem einheitlichen Einzugsgebiet von 75 Straßenkilometern um die Standorte begrenzt.
Das Kartellgericht nahm somit zwar eine Substituierbarkeit zwischen „Abholung“ und „Zustellung“ an, schloss selbiges aber zwischen dem vollsortierten LGH und anderen Bezugsquellen, wie dem LEH, Spezialgroßhändlern oder Lebensmittelherstellern, aus. Für den räumlich relevanten Markt wird aus wettbewerbsökonomischer Sicht eine exogene kilometerabhängige Abgrenzung einer endogen Umsatzgrenze vorgezogen. Das Einzugsgebiet um den jeweiligen Standort wurde durch eine wettbewerbsökonomische Auswertung der Daten mit 75 Straßenkilometern ermittelt.
Aufgrund der geänderten Umstände sowie der von der BWB durchgeführten Markterhebungen, wird der bestehende Standpunkt zur Marktabgrenzung entsprechend anpasst werden (Standpunkt zur Marktabgrenzung im LGH).
Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung
Die Regionen Vorarlberg und Kärnten sind vom vorliegenden Zusammenschluss wettbewerblich am stärksten betroffen. In diesen Regionen kommt es als Folge des Zusammenschlusses zu starken Zunahmen (gemessen am HHI-Delta) der lokalen Marktkonzentration iVm einer signifikanten Überschreitung der 30% Marktanteilsgrenze. Die fusionierte Einheit würde in diesen Märkten einen Marktanteil zwischen 35% und 40% erreichen. Da die Schwelle von 30% in beiden Regionen signifikant überschreiten wurde, löste dies im Anlassfall sowohl für Vorarlberg als auch Kärnten die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung aus („Einzelmarktbeherrschungsvermutung“). Konkret handelte es sich dabei um die Standorte AGM Bludenz/METRO Dornbirn und AGM Klagenfurt/METRO Klagenfurt.
Strukturelle Auflagen
Die von den Antragsgegnerinnen vorgeschlagenen strukturellen Auflagen, die die Standorte AGM Bludenz und AGM Klagenfurt betreffen, führen dazu, dass durch den Zusammenschluss weder eine lokale marktbeherrschende Stellung entsteht noch verstärkt wird. Mit den Auflagen wird dauerhaften negativen Veränderungen auf den beiden lokalen Märkten entgegengewirkt, die eine Übernahme der Standorte der AGM Bludenz und Klagenfurt durch METRO mit sich brächte.
Eine Zusammenfassung der Auflagen finden sich in der Präambel der Auflagen. Um die wettbewerbsökonomische Wirksamkeit der Auflagen zu gewährleisten, sind Teile der Auflagen als „vertraulich“ markiert und werden erst veröffentlicht, nachdem sich die Informationen – nach Auffassung der BWB – nicht mehr nachteilig auf die Wirksamkeit auswirken können:
- Verpflichtungszusagen BWB/Z-5650
„Der Lebensmittelgroßhandel ist für die Gastronomie/Hotellerie und damit auch für den Konsumenten von zentraler Bedeutung. Gerade dieser Bereich ist durch die aktuellen Herausforderungen besonders betroffen. Die BWB hat daher besonderes Augenmerk auf wettbewerbliche Auswirkungen dieser Fusion gelegt. Durch die Auflagen können sowohl die wettbewerblichen Bedenken ausgeräumt werden, als auch bleiben die Standorte für den Wettbewerb erhalten.“, so Dr. Harsdorf-Borsch