MAV kritisiert EU-Vorschlag für Lieferkettengesetz
Als ob es nicht schon genug Themen gäbe, die dem Markenartikelverband und der Markenartikelindustrie Sorgen bereiten: ein eventuelles Werbeverbot durch eine Symbiose von Nationaler Ernährundkommission und Medienrichtlinie; das Thema Pfand auf Plastikflaschen; die steigenden Rohstoffpreise und die starke Handelskonzentration in Österreich.
Nun meldet sich Mag. Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbandes zum Thema Lieferkettengesetz zu Wort: „Das ist so nicht umsetzbar – vor allem für kleinere Unternehmen. Wir fordern, dass die Sorgfaltspflichten verhältnismäßig für Unternehmen gestaltet und in der täglichen Praxis auch umsetzbar sein müssen“.
Was meint Thumser konkret: Auf Basis der Initiative der EU zum Lieferkettengesetz (mHRDD - mandatory Human Rights Due-Diligence) soll zukünftig der Produzent – der Hersteller der verpackten Ware - für sämtliche „Verfehlungen“ (legal, klimatechnisch und menschenrechtlich) in der gesamten globalen Lieferkette bis zurück zur Primärproduktion haftbar gemacht werden. Als Maßstab sollen die jeweils rechtlichen Gegebenheiten (soziale Normen, Nachhaltigkeitsnormen etc.) des finalen Produzenten an seinem jeweiligen Standort Geltung finden.
Das vorgesehene Lieferkettengesetz überträgt die Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte auf Unternehmen. „Wir können staatliches Handeln ergänzen, aber nicht ersetzen, weil wir weder in der Lage, noch demokratisch legitimiert sind, in (fremde!) innerstaatliche Hoheitsaufgaben einzugreifen“, fordert Thumser diese hohe Verantwortung mit dem Lieferkettengesetz nicht an Unternehmen abzuschieben. Der Markenartikelverband setzt sich für eine Lösung ein, bei der sich der Staat mit seiner Aufgabe einer kohärenten Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik und die Industrie mit ihren globalen Geschäftsaktivitäten wechselseitig unterstützen.
Geplante Verantwortung nicht umsetzbar
Beim geplanten Lieferkettengesetz wird außer Acht gelassen, dass es nicht nur für kleinere Betriebe unmöglich ist, eine dauernde (!) Kontrolle dritt- und viertgereihter Lieferanten in der Kette zu garantieren. „Das bewährte System der freiwilligen Selbstverpflichtung mit einem Monitoring über den jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, ist ein wesentlicher und fairer Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Situation“, empfiehlt Thumser das bewährte System beizubehalten. Markenartikelunternehmen leisten heute schon durch eine Vielzahl von individuellen Aktivitäten, wie z.B. der permanenten Verwendung von „Fairtrade“-zertifizierten Inhaltsstoffen - einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtssituation. „Wir können auch davon ausgehen, dass in der EU spätestens 2024 einheitlich verbindliche Regelungen für eine Lieferkettengesetz (sog. mandatory Human Rights Due- Diligence) in Kraft treten werden“, unterstreicht Thumser die Forderung des MAV, diese gesamteuropäische Entscheidung abzuwarten.
Unternehmen brauchen praktikable und umsetzbare Rahmenbedingungen
“Wir wollen uns weiterhin mit unseren befreundeten Organisationen dafür einsetzen, dass gerade angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation die Regierenden den Fokus auf die Erholung der Wirtschaft legen. Die Einführung zusätzlicher Verwaltungslasten wäre ein falsches Signal. Auch die Frage, ob und vor allem wie die geplanten Anforderungen überhaupt kontrolliert und geleistet werden können, sollte gestellt und diskutiert werden“, so Günter Thumser zur fehlenden Praktikabilität der geplanten Regelung.
Auch könnte die EU-Initiative unbeabsichtigte Nebeneffekte verursachen: Neuerlich würde die Verantwortung von nationalen Regierungen und deren Rechtssystemen sowie vom Konsumenten zu nationalen Wirtschaftstreibenden verlagert. Die Missbrauchsgefahr gegenüber europäischen Unternehmen durch „Externe“ würde so sprunghaft zunehmen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen wären administrativ gar nicht in der Lage, den hierfür erforderlichen Zusatzaufwand zu bewerkstelligen.
Verantwortung der Konsumenten
Bei der Diskussion vollkommen außer Acht gelassen wird die Verantwortung des Konsumenten, der durch seine Kaufentscheidung den Erfolg von (nachhaltigen) Produkten bestimmt. Nachhaltigkeit und Verantwortliches Handeln sind für Konsumenten heute wichtig, der Unternehmenserfolg ist langfristig davon abhängig. Deshalb orientieren sich Hersteller schon heute an diesen Forderungen der Konsumenten. Es bedarf also keiner neuen, kostentreibenden Forderungen für die Hersteller.