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Erich Werndl (Geschäftsführer KANTAR Info Research Austria), Klaudia Kopeinig (Vertriebsleitung B2C GoodMills Österreich), Jürgen Brettschneider (Geschäftsführer Mautner Markhof), Christoph Zoister (CEO & Gründer MARK.SENZE).

Marken im Umbruch

FMCG-Branche Österreichs zwischen Krisendruck und Neuausrichtung.

Die österreichische Konsumgüterbranche steht unter hohem Druck. Steigende Rohstoffpreise, anhaltende Inflation, wachsende Preissensibilität der Konsumenten und eine zunehmend dominante Position des Handels stellen Hersteller von Markenartikeln vor tiefgreifende strukturelle Herausforderungen. Eine aktuelle Branchenstudie von MARK.SENZE und Kantar Info Research Austria mit dem Titel „Marke am Limit?“ gibt Einblicke in Lage, Reaktionen und Perspektiven von 46 Entscheidungsträgern aus der heimischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie.

Inflation verändert Konsumverhalten

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben angespannt. Mit einem Verbraucherpreisindex von 127,3 Punkten im März 2025 liegt die Inflation 27 % über dem Niveau von 2020. Entsprechend beobachten 78 % der Befragten signifikante Änderungen im Konsumverhalten. Zwei Drittel berichten von einer stark gestiegenen Preissensibilität – insbesondere kleinere Marken spüren diesen Druck deutlich.

Handelspartnerschaften: Zwischen Kooperation und Druck

Die Beziehung zwischen Industrie und Handel wird differenziert bewertet: Während 48 % das Verhältnis als positiv einschätzen, sehen 20 % darin eine Herausforderung. Als größte Problemfelder gelten Preisdruck (67 %), mangelnde Listungsbereitschaft (59 %) und der Wettbewerb durch Handelsmarken (57 %). Auch zunehmende Komplexität in Vertragsverhandlungen und gestiegene Forderungen nach Aktionsrabatten belasten die Zusammenarbeit.

Wachsender Einfluss der Handelsmarken

Handelsmarken gewinnen weiter an Bedeutung und werden als zentrale Herausforderung wahrgenommen. Bei fast 40 % der Befragten liegt ihr Umsatzanteil in bestimmten Kategorien bereits über 30 %. Besonders betroffen sind Segmente wie Frische, Molkereiprodukte und Grundnahrungsmittel. Drei Viertel der Markenartikler berichten von Regalflächenverlusten – selbst Premiumprodukte sind nicht ausgenommen. Zudem verspüren 33 % erheblichen Druck, Regalplatz für Handelsmarken bereitzustellen. Während der Vertrieb die Bedrohung durch Eigenmarken deutlich sieht (82 %), schätzt das Marketing die Lage weniger kritisch ein (53 %). Diese Diskrepanz erschwert eine kohärente strategische Reaktion.

Aktionsorientierung unterminiert Markenwert

Rund 50 % der Unternehmen weisen Aktionsanteile von über 30 % am Gesamtumsatz auf, in einigen Fällen sogar über 50 %. Zwar gelten Promotions für 55 % der Befragten als effektives Volumeninstrument, doch langfristig führen hohe Rabattquoten zu Wertverlusten: 50 % sehen den Markenwert gefährdet, 28 % registrieren eine Verwässerung der Preiswahrnehmung. Der Druck durch den Handel kollidiert zunehmend mit Rentabilitätszielen – 70 % empfinden diesen Spagat als große Herausforderung.

Kostensteigerungen untergraben Rentabilität

Die gestiegenen Kosten haben für 85 % der Unternehmen negative Auswirkungen auf die Profitabilität. Zwar haben fast alle Hersteller Preissteigerungen umgesetzt, doch nur 10 % konnten damit die Mehrkosten vollständig kompensieren. Zwei Drittel erreichten eine Deckung von maximal 80 %, bei jedem Fünften liegt diese sogar unter 50 %. Diese Diskrepanz offenbart strukturelle Schwächen in der Verhandlungsposition und Preisgestaltung.

Vier strategische Reaktionen auf den Wandel

Die Studie identifiziert vier zentrale Reaktionsmuster in der Branche:

  1. Verlagerung auf Eigenmarkenproduktion
    64 % der hybriden Hersteller planen eine verstärkte Produktion von Handelsmarken – ein betriebswirtschaftlich logischer Schritt, der jedoch langfristig die eigene Markenstärke schwächen kann.

  2. Anpassung der Preisstrategie
    Rund 80 % der Unternehmen haben ihre Preisstrategien verändert – zumeist zugunsten höherer Aktionsanteile (52 %) oder intensiverer Rabattierungen (26 %). Wo keine Bedrohung durch Eigenmarken wahrgenommen wird, bleibt die Strategie oft unverändert.

  3. Diversifizierung der Vertriebskanäle
    Über 50 % der Hersteller haben ihre Vertriebswege erweitert – vor allem Richtung Discounter (63 %), Export (42 %) und Direct-to-Consumer (42 %). Diese Entwicklung steht für eine strategische Öffnung über den klassischen LEH hinaus.

  4. Investitionen in Markenstärkung
    60 % der Markenartikler intensivieren ihre Kommunikationsmaßnahmen, 50 % setzen auf Nachhaltigkeit, 40 % auf Differenzierung. Zugleich steigt der Aktionsdruck weiter – 54 % sehen darin einen notwendigen, aber teuren Weg zur Sicherung der Markentreue.

Verhalten optimistisch trotz schwieriger Rahmenbedingungen

Trotz der Herausforderungen blicken viele Unternehmen positiv in die Zukunft. 39 % der Befragten bewerten die Wachstumsaussichten ihrer Marke als gut, 41 % als neutral. Nur 20 % zeigen sich pessimistisch. Die Ergebnisse zeigen: Die österreichische FMCG-Branche erkennt nicht nur Risiken, sondern auch Potenziale für strategische Neuausrichtung, Innovation und Differenzierung.

Fazit: Wendepunkt statt Endpunkt

Die Studie macht deutlich: Es gibt keinen einheitlichen Lösungsweg. Vielmehr müssen Unternehmen strategisch klar agieren, interne Silos zwischen Marketing und Vertrieb auflösen und ihren Fokus auf Differenzierung und Markenwert legen. Nur wer langfristig denkt und investiert, wird sich im dynamischen Marktumfeld behaupten können.

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geschrieben am

23.05.2025