Lorencz: "Wir sind keine Insel"
Endstation für Weizen: Durch den Krieg in der Ukraine stecken die Weizenlieferungen aus der Ukraine in den Rest der Welt – vornehmlich Europa, aber auch viele Entwicklungsländer - fest. Man spricht von 25 Mio. Tonnen. Die Häfen sind blockiert, die Bevölkerung erlebt den Albtraum des Krieges und hat natürlich andere Themen im Kopf, als das übrige Europa mit Getreide zu versorgen und nicht zuletzt möchte die Ukraine den Rohstoff zum eigenen Bedarf lagern. Andere Länder wie Indien wollten als Weizenlieferant einspringen. Indien ist von dem Vorhaben aber wieder abgekommen, da aufgrund der Witterung eine schlechte Ernte erwartet wird.
Österreich spürt die Ernte- und Lieferausfälle bereits deutlich durch höhere Abnehmer- und Endverbraucherpreise. Obwohl noch 85% des Getreides in Österreich selbst angebaut werden, haben sich die Getreidepreise in den letzten Monaten mehr als verdoppelt.
Daneben gibt es weitere Problembereiche, die nicht im Fokus der Endkonsumenten liegen: Futtermittel und Düngemittel.
„Die Futtermittel für landwirtschaftliche Tiere sind im Normalfall in Österreich kein Problem, wenn es gute Ernten und regelmäßige Versorgung gibt“, erklärt DI Anka Lorencz, WKO-Bundesinnungsgeschäftsführerin für Lebensmittelgewerbe und Leiterin des Koordinationsbüros Fleischwirtschaft. „Doch wir leben in Österreich auf keiner Insel und sind von der Weltwirtschaft abhängig. Europa hat bei Eiweißfuttermittel ein Delta von 15 Mio. Tonnen, davon kommen im Regelfall über 8 Mio. Tonnen aus der Ukraine“, so Lorencz. Durch ein Horten der Ware in verschiedenen Ländern und ein anderes Einkaufsverhalten der dortigen Futtermittelhersteller war der Markt komplett aus den Fugen geraten. „Zu Beginn waren meine Mitglieder natürlich verzweifelt, wir hatten nur mehr für wenige Tage Futtermittelreserven - zum Glück konnten in letzter Minute zusätzliche Quellen erschlossen werden“, so Lorencz. Energietechnisch ist die Produktion von Mischfuttermitteln in Österreich praktisch zu 100% vom Gas abhängig. Womit man auch in Zukunft rechnen muss, sind lange Transportzeiten, sofern ein Frächter gefunden werden kann. .
„Und auch die Preise steigen in der gewerblichen Lebensmittelproduktion, wir sehen aktuell etwa bei Bäckern im Geschäft eine Steigerung pro Semmel von 13-15% am Endprodukt“. Nun ist jeder Hersteller angehalten für sich die Preise neu zu berechnen. Denn: nicht nur die Rohstoffe, eben auch die vierfachen Energiekosten macht das Hersteller-Leben zurzeit schwer. „Die Lebensmittelproduktion steht in Österreich an 10. Stelle beim Verbrauch fossiler Brennstoffe, da ist der Transport noch gar nicht eingerechnet. Alternativen sind kurzfristig unmöglich: Backöfen brauchen fast 300 Grad Celsius, das schafft Fernwärme gar nicht.“ Dazu kommen extreme Kostensteigerungen bei Verpackung und Logistik. Anka Lorencz vertritt unter anderem 7200 Lebensmittelbetriebe. Ein Viertel davon sind EPUs.
Nicht das Ende der Fahnenstange
Für die Standesvertreterin ist jedoch die Preisdebatte nur ein Rädchen im aktuellen Themenkreis ihrer Mitglieder. „Es geht schon lange um viel mehr: wie geht die Fleischbranche mit dem Thema „vegan“ um? Handelt es sich bei der Bezeichnung von veganen Fleischprodukten um Irreführung? Hier ist die Gesetzgebung sehr gefragt, eine Lösung zu finden und wir unterstützen tatkräftig“, so Lorencz. In Deutschland gibt es Richtlinien, in Frankreich wird die Verwendung von Wurstnamen für vegane Imitate gänzlich verboten, in Österreich sucht man noch nach einer Lösung.
Ein weiteres sehr wichtiges Thema ist der Arbeitskräftemangel innerhalb der Branche. Er reicht von Lehrlingen bis hin zu Fachkräften. „Vor allem Hilfskräfte, aber auch Fachleute fehlen an allen Ecken und Enden“, beschreibt Lorencz die Situation. Mit ein Grund ist die neue Einstellung der jungen Leute zum Thema Arbeit. „Man muss Antworten auf die Forderungen der ‚Work Life Balance‘ finden. So wird das Thema 4-Tage-Woche bereits in einigen Betrieben diskutiert, um Anreize – speziell für Pendler - zu schaffen“, meint Anka Lorencz abschließend.