KV: überzogene Vorstellungen
Es war zu erwarten, dass die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), die die KVs der Handelsangestellten verhandelt, mit einer Bomben-Forderung ins Rennen geht: 11% Erhöhung der 500.000 KV-Gehälter für Angestellte und Lehrlinge im Handel. Fakt ist, die Gewerkschaft fordert eine Gehaltserhöhung über der durchschnittlichen Inflationsrate von 9,2%. Aber da kamen noch schwere Geschütze nach: Die GPA fordert anstatt der jahrelang ventilierten "leichteren Erreichbarkeit" der sechsten Urlaubswoche nun zusätzliche dauerhafte "Freizeittage", nämlich ab fünf Dienstjahren drei Arbeitstage, ab sieben Dienstjahren zwei Arbeitstage und ab zehn Dienstjahren einen Arbeitstag. Weiters wünschen sich die Arbeitnehmervertreter einen gemeinsamen Sozialpartner-Prozess zur generellen Arbeitszeitverkürzung. Außerdem fordert die Gewerkschaft einen Zuschlag für Mehrarbeitszeiten ab der ersten Stunde der Überschreitung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß hinaus. Für Mitarbeiter mit 30 Dienstjahren solle es zwei Bruttomonatsgehälter und zwei zusätzliche freie Tage als Prämie geben.
Die Arbeitgeberseite hatte kein Angebot vorgelegt. Die Reaktion des Chefverhandlers und Obmanns der Sparte Handel, Dr. Rainer Trefelik, ist klar und deutlich: „Ich bin gelinde gesagt irritiert über die Realitätsferne, die die heutige Verhandlungsrunde beherrscht hat. Die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter scheinen die äußerst schwierige Situation, in der sich die heimischen Handelsbetriebe befinden, völlig zu negieren“, so Trefelik. Die Gewerkschaft solle bis zum nächsten Verhandlungstermin „von den ‚wirtschaftlich nicht darstellbaren‘ Forderungen abrücken“. Eine deutliche Erhöhung der Gehälter bei einer Verringerung der Arbeitszeit sei nicht vorstellbar.
Um die Gespräche nicht losgelöst von den tatsächlichen Gegebenheiten zu führen, sei auch anzuerkennen, dass die Regierung bereits eine Reihe von kaufkraftstärkenden Maßnahmen gesetzt hat. Trefelik erinnert nicht zuletzt an die Abschaffung der kalten Progression und die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung, die dafür sorgen, dass den Arbeitnehmern netto mehr übrig bleibt. „Die enorme Teuerung im Vorjahr stellt eine Ausnahmesituation für uns alle dar. Darauf muss man auch bei den KV-Verhandlungen Rücksicht nehmen“, betont Trefelik. Daher sei Kreativität und Mut gefordert, auch mal neue Wege zu gehen.
Schließlich müsse es vor allem um den Erhalt der Arbeitsplätze gehen. „Die Betriebe zu überfordern und damit noch mehr Schließungen und Insolvenzen samt der dazugehörigen Jobverluste im Handel zu riskieren, kann nicht Ziel der Gewerkschaft sein“, so Trefelik an sein Verhandlungs-Gegenüber.
„Die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung um 11 % würde eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren“ sagt auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Maßnahmen der Regierung gegen die Inflation müssten in die Berechnung des Kollektivvertragsabschlusses eingerechnet werden. "Mit leerem Tank kann man nicht weit fahren. Bei 737 insolventen Handelsunternehmen ist der Tank bereits leer. Die Großinsolvenzen im Handel führten fast zu einer Verdoppelung der gefährdeten Arbeitsplätze von 7635 auf 14.242 betroffene Dienstnehmer. Mittelständer und kleinere Nahversorger sind hier noch gar nicht eingerechnet. Ein zu hoher Abschluss wäre ein Pyrrhussieg, der nach dem Weihnachts- und Umtauschgeschäft ab Ende Jänner zu negativen Arbeitsplatzeffekten führen würde“, kommentiert Rainer Will.
Die nächste Verhandlungsrunde ist für 9. November angesetzt.
Wie war das 2022?
Im Vorjahr lag die als Verhandlungsbasis für den Handelskollektivvertrag herangezogene rollierende Inflation bei 6,9 Prozent. Nach fünf Verhandlungsrunden und einer Streikdrohung einigte man sich auf ein Gehaltsplus von sieben Prozent und mindestens 145 Euro ab 1. Jänner 2023. Damit belief sich die durchschnittliche Erhöhung der KV-Gehälter laut Gewerkschaft auf 7,3 Prozent. Bei den Mindestgehältern betrug die Erhöhung bis zu 8,7 Prozent. Das Vollzeit-Einstiegsgehalt für Handelsangestellte liegt seitdem bei monatlich 1.945 Euro brutto (1.535 Euro netto).