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Die Handels-KV-Verhandlungen werden weiter fortgesetzt

KV: Tauziehen geht weiter

Heute, am 15. Dezember 2023, gehen die Kollektivvertragsverhandlungen in die 6. Runde.

Die Hoffnung auf einen Abschluss noch vor Weihnachten besteht nach wie vor. Die 5. Runde der Verhandlungen um den KV der Handelsangestellten endete letzte Woche ergebnislos. Die Forderungen der Gewerkschaft stellen den heimischen Handel heuer vor eine große Herausforderung. Dabei geht es ja um weit mehr Angestellte außerhalb des klassischen Handels, die nach dem Handels-KV beschäftigt sind. Auch deshalb ist dieser Kollektivvertrag von großem Interesse für viele Branchen.

Letzte Woche erhöhten die Arbeitgeber das Angebot auf ein nachhaltiges Plus von 8 %, doch die Gewerkschaft nahm nicht an und ging in weitere Warnstreiks. Handelsobmann Rainer Trefelik: „Eine KV-Erhöhung, wie sie die Gewerkschaft fordert, sei für die Unternehmen „schlicht nicht leistbar“. Die aktuelle Situation im heimischen Handel ist schließlich von sinkenden Umsätzen bei gleichzeitig steigenden Kosten geprägt. Allein im Oktober gab es im Nicht-Lebensmittelhandel ein reales Umsatzminus von 5,6 %.“

„Nachdem die Gewerkschaft Einmalzahlungen so rigoros ablehnt, haben wir eingelenkt und sind auf eine nachhaltige Lösung umgeschwenkt. Es ist für uns daher unverständlich, dass die Gewerkschaft immer noch blockiert. Denn mit unserem Angebot wäre den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im heimischen Handel mit Sicherheit mehr gedient als mit Streiks. Die Gewerkschaft will offenbar lieber Kampfmaßnahmen statt Weihnachtsfrieden“, kritisiert Trefelik.
Kommt es zu keiner Einigung mit der Gewerkschaft, wird die Bundessparte eine Empfehlung für eine nachhaltige Gehaltserhöhung an die Unternehmen abgeben. „Wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeiter durch die Blockadehaltung der Gewerkschaft im Ungewissen gelassen werden, sondern ihnen Sicherheit und Planbarkeit bieten“, sagt Trefelik. 

Helga Fichtinger, Chefverhandlerin der Gewrkschaft dazu: „Eine Empfehlung hat keinerlei rechtliche Verbindlichkeit und würde ein bewährtes System der sozialpartnerschaftlichen Gehaltsfindung, das wesentlich zum Erfolg der österreichischen Wirtschaft beigetragen hat, mutwillig großen Schaden zufügen. Die Leidtragenden wären die Beschäftigten, die vom Goodwill ihrer Arbeitgeber abhängig wären.“ Befristete Streiks und verschiedenste kleine Aktionen fanden bis Donnerstag statt. 

„Wir streiken!“ Aber auch mit Recht?

Allzu oft wird der Streik bloß als politisches Werkzeug gesehen, was aber sagt der österreichische Gesetzgeber dazu?
Rainer Kraft und Birgit Kronberger vom Vorlagenportal klären auf.
„Interessanterweise findet sich in den österreichischen Arbeitsrechtsgesetzen kein dezidiertes Recht auf Streik“, so Rainer Kraft, Geschäftsführer vom Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung. Wie so oft in der Rechtspraxis, geben allerdings übergeordnete Normen auf europäischer Ebene Auskunft. „Artikel 11 der europäischen Menschenrechtskonvention sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor und umfasst nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ebenso ein Grundrecht auf Streik zwecks Erreichung gewerkschaftlicher Ziele“, erklärt Kraft. Überdies hat der EuGH in europarechtlichen Streitfällen ein Grundrecht auf Streik ausdrücklich bestätigt. „Abgeleitet von der europäischen Rechtsprechung ist damit auch im österreichischen Arbeitsrecht ein Recht auf Streik anerkannt“, ergänzt Birgit Kronberger, Geschäftsführerin Vorlagenportal.

Zusammengefasst:

① Welche Gesetzesregelungen zum Thema Streik gibt es?

Das Thema Streik ist lediglich punktuell in wenigen österreichischen Gesetzesbestimmungen angesprochen. Diese bringen deutlich zum Ausdruck, dass sich der Staat gegenüber Streiks neutral verhält.

  • Streiks sind - anders als noch vor einigen Jahrzehnten - gesetzlich ausdrücklich straffrei gestellt. Dies gilt natürlich dann nicht, wenn ein Streik unter Anwendung von Gewalt oder Einschüchterung geführt wird.
  • An von Streiks betroffene Betriebe dürfen keine Arbeitnehmer vermittelt oder überlassen werden; das AMS darf an streikbetroffene Betriebe auch keine Beschäftigungsbewilligungen für ausländische Arbeitskräfte erteilen.
  • Umgekehrt haben streikende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

② Sind Streiks nur dann zulässig, wenn sie von der Gewerkschaft organisiert werden?

In Österreich wird – anders als z.B. in Deutschland - rechtlich nicht zwischen gewerkschaftlichen Streiks und ohne Gewerkschaft stattfindenden Streiks (sog. „Wilder Streik“) unterschieden. Somit sind auch Streiks ohne Unterstützung der Gewerkschaft prinzipiell zulässig, wenn auch in der Praxis eher selten.

③ Können streikende Arbeitnehmer verwarnt, gekündigt oder entlassen werden? 

Die durch Artikel 11 EMRK geschützte Koalitionsfreiheit umfasst auch ein Streikrecht, welches insbesondere im Wege der Gute-Sitten-Klausel (§ 879 ABGB) auf das Dienstverhältnis einwirkt. Daher wird bei Teilnahme von Arbeitnehmern an einem rechtmäßigen die Arbeitspflicht ruhend gestellt, und der Arbeitgeber darf die Niederlegung der Arbeit mit keinen nachteiligen Konsequenzen (Verwarnung, Kündigung, Entlassung) sanktionieren. Spricht der Arbeitgeber trotzdem derlei aus, so ist dies rechtsunwirksam.

④ Haben streikende Arbeitnehmer einen Entgeltanspruch? Wie sieht es mit nicht streikenden Arbeitnehmern aus?

Streikende Arbeitnehmer haben mangels Leistungsbereitschaft keinen Entgeltanspruch und sind demnach von der Sozialversicherung abzumelden. 
Arbeitswillige Arbeitnehmer, die aufgrund des Streiks an ihrer Arbeitsverrichtung gehindert sind, müssen gegenüber dem Arbeitgeber ihre Leistungsbereitschaft erklären, um ihren Entgeltanspruch zu wahren. Der Arbeitnehmer muss seine Diensterbringung dem Arbeitgeber ausdrücklich anbieten, seine Leistungsbereitschaft also klar zu erkennen geben.

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geschrieben am

15.12.2023