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Zerrbilder des Preisanstiegs in den Supermärkten

Zerrbilder des Preisanstiegs im Supermarkt

Tendenziöse Preiserhebungs-Methoden sind im Kampf gegen die Inflation keineswegs hilfreich. Ein Kommentar von Hanspeter Madlberger.

Die daraus resultierende Verwirrung über die Auswirkungen des Preisauftriebs auf die finanzielle Mehrbelastung der Konsumenten erschwert eine wirksame Inflations-Bekämpfungs-Strategie durch Politik, Interessensvertretung und Konsumgüterwirtschaft. Gefragt ist eine methodisch saubere, repräsentative Inflations-Messung, beispielsweise auf Basis der Nielsen-Scannerdaten.

Welches Ausmaß die Konfusion im öffentlichen Inflationsdiskurs bereits erreicht hat, veranschaulicht das Preismonitoring der Arbeiterkammer Wien, die retailreport.at einer Medienaussendung vom Dezember 2022 entnommen hat.

Es geht  konkret um Warenkorb-Erhebungen der AK, die im Dezember 2022 in sieben Wiener Super- und Discountmärkten der Formate Spar, Interspar, Billa, Billa Plus, Penny, Hofer und Lidl  durchgeführt wurden. Preiserhebungen der jeweils billigsten Produkte in 40 Kategorien ergaben, dass dieser Warenkorb im Zeitraum September 2021 bis Dezember 2022 um 41,6% gestiegen ist. Um diese Horror-Inflation „hinzukriegen“, hat die AK tief in die marktforscherische Trickkiste gegriffen.

  • Der Vergleichszeitrum umfasst nicht, wie üblich, ein Jahr, sondern 15 Monate. Je weiter der Basiswert zeitlich zurückliegt, desto höher ist logischerweise die Steigerungsrate.
  • Die Warenauswahl umfasst ausschließlich das Preiseinstiegs-Segment: Also beispielsweise die billigste Sorte Sonnenblumenöl, Teebutter oder Zahnpaste. Qualitätsunterschiede wurden ebenso wenig berücksichtigt, wie der Umstand, dass der Handelsmarken-Anteil in dieser Preisklasse bei Hofer deutlich höher ist, als beispielsweise bei Billa. 
  • Auf die Preisentwicklung bei einem durchschnittlichen Kundeneinkauf in einem Markt der genannten Formate lässt diese AK-Erhebung Rückschlüsse nur in sehr beschränktem Maße zu. Auch der Preis- und Qualitätsabstand zwischen Billig- und Premium-Produkten bleibt unberücksichtigt.
  • Zumal man auch bei der Miteinbeziehung der Aktionspreise sehr selektiv vorging. Aktionen, die an Mengenabnahmen gebunden sind (z.B. 1+1 gratis), blieben ebenso unberücksichtigt, wie Kundenkarten-Begünstigungen (jö Bonus Club) und, so darf vermutet werden,  Sammelpromotions und Wochenend-Warengruppen-Rabatte.

Hofer gibt die Inflation im Preiseinstiegs-Segment vor

Zwei Detailergebnisse dieser Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Preiswettbewerb im Wiener LEH auch in turbulenten Zeiten tadellos funktioniert. Dass der beschriebene Warenkorb in den Märkten der Vollsortimenter Spar, Interspar, Billa und Billa Plus im Schnitt nur um 5% teurer ist, als bei den Discountern Hofer, Lidl und Penny ist angesichts der Kosten- und Leistungs-Unterschiede, wie sie auch zu normalen Zeiten zwischen den beiden Betriebstypen bestehen, voll nachvollziehbar. Bedienungsabteilungen, größere Auswahl, Leergut-Rücknahme, umfassendere Lehrlingsausbildung haben ihren  Preis, unabhängig vom Inflationsgeschehen.

Zweitens ist es ein bekanntes Faktum, dass Discounter-Primus Hofer beim Preiseinstieg mit seinen Eigenmarken häufig den Preis vorgibt, den die Konkurrenz quasi automatisch übernimmt. Kein Wunder also, dass der AK Preismonitor idente Preise aller sieben Märkte bei den billigsten Artikeln in den Warengruppen Tomaten, Mineralwasser, Cola-Getränk, Teebutter, Eier, Reis, Vollmilchschokolade, Penne, passierte Tomaten, Fischstäbchen und Katzenfutter feststellte. Hofer gibt de facto die Inflation im Preiseinstiegs-Segment, insbesondere bei den Budget-Handelsmarken vor. Und trägt damit, speziell im Frischwarenbereich ein hohes Maß an Verantwortung dafür, dass  die Mehrheit der Handelsmarken-Produzenten und mit ihnen deren Lieferanten aus der Landwirtschaft eine faire Inflationsabgeltung erhalten. Wie diese Situation wettbewerbsrechtlich zu bewerten ist, darüber sollte die angekündigte Großuntersuchung der BWB Auskunft geben.

Zurück zum AK-Preismonitor. Für Aufsehen sorgte eine Aussendung der AK Wien, die  sich mit der Preisentwicklung im LEH in den Monaten September/Oktober 2022 befasste.

Erhoben wurden damals die  Preise des Billigsegments in zehn Filialgeschäften und fünf Online-Shops in der Bundeshauptstadt. „Schlimm ist, dass selbst vormals preisgünstige Produkte schon seit längerer Zeit viel mehr kosten“, hob AK-Konsumentenschützerin Gabriele Zgubic in ihrem Kommentar hervor. Der AK-Preismonitor habe auch gezeigt, so Zgubic, dass „preiswerteste Produkte, vor allem Eigenmarken der Geschäfte manchmal nicht mehr verfügbar sind“. Konsumentinnen und Konsumenten könnten da nur mehr ein deutlich teureres Markenprodukt kaufen. Der Branchenbeobachter staunt ob solch subjektiver Wahrnehmungen.

Spar mit niedrigstem Billigartikel-Preisanstieg im LEH

Das September/Oktober Preismonitoring der AK Wien hat mit einer bislang einzigartigen Enthüllung aufzuwarten. In besagter Meldung, die über die APA den Medien zuging, wurde ausgewiesen, wie sich die Billigstpreise für Lebensmittel und Drogeriewaren in den einzelnen Super-, Discount- und Drogeriemarkt-Formaten in mehrmonatigen Zeiträumen verändert, sprich erhöht haben. So war der Erhebung zu entnehmen, dass der Wiener  Spar Supermarkt die 40 beobachteten Preiseinstiegs-Artikel im September 2022, verglichen mit den Preisen von September 2021 um 25,7%  teurer verkaufte. Und damit unter allen LEH-Formaten die niedrigste Teuerungsrate in dieser Preisklasse vorzuweisen hatte. Bei Billa betrug der Preisanstieg 36,9%, bei Hofer 37,5%, Interspar legte um 27,2% zu, Lidl um 34,3%. Klar dass man in Salzburg über diese Bestnote, ausgestellt von  der AK Wien, entzückt war.

Besonders turbulent verlief der Preisanstieg laut AK in den Drogeriemärkten. Das Billigsegment bei Müller wurde von Oktober 21 auf September 22 um 32,4% teuer, im Periodenvergleich Jänner 22 zu September 2  lag jedoch die Müller-Inflation nur bei 12,5%.

Dass solche Preis-Messergebnisse als Momentaufnahmen zu werten sind und damit an wissenschaftlicher Validität stark zu wünschen übrig lassen, liegt auf der Hand. Statt für Transparenz zu sorgen, stiften sie Verwirrung, liefern Munition für polemische Polit-Gefechte. Ebenso mit Vorsicht zu genießen sind Internet-Meinungsumfragen unter Konsumenten zum Thema Inflation, die von Consulting-Firmen  zwecks PR in eigener Sache in Auftrag gegeben und von vielen Medien als Lesefutter mit Handkuss angenommen werden.

Die Problemlösung liegt auf der Hand: Nielsen- und GfK Daten!

Es wäre hoch an der Zeit, dass alle Institutionen, Parteien und Unternehmen, die an einer wirksamen Inflationsbekämpfung im besonders sensiblen Lebensmittel-Sektor interessiert sind, sich für eine hochvalide Inflations-Messung im LEH engagieren. Das perfekte Tool für ein seriöses Preismonitoring  in den Super- und Discountmärkten stünde in Form der Nielsen-Scannerdaten zur Verfügung. Alle Handelsketten, Lidl ausgenommen, nehmen daran teil. Will man sich bei der Inflations-Analyse darüber hinaus auch auf gesicherte MAFO-Daten über das  Einkaufsverhalten der Haushalte stützen, bietet sich das GfK Haushaltspanel als seriöse Quelle an.

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geschrieben am

05.02.2023