Gute Nerven von Vorteil
Der Wahl-Sieg Donald Trumps zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten hat viel an Zuversicht für die europäische Wirtschaft genommen. Rund um diese Nachricht kam es in den letzten Wochen im regelmäßigen Takt zu Nachrichten, die es immer schwieriger machen zuversichtlich zu sein – auch in der FMCG-Branche: Die Insolvenz von kika/leiner, die Auseinandersetzung zwischen Spar und NÖM, die Hiobsbotschaft über den Abwärtstrend auf der Mariahilferstraße, um nur einige zu nennen.
Dass mit Donald Trump als neuen US-Präsidenten Europa vor einer neuen Herausforderung steht, ist klar. Er formuliert die Isolierung und Selbstliebe der Vereinigten Staaten noch deutlicher als seine ehemalige Gegnerin Kamala Harris. Auch sie wäre dem eigenen Land stärker verbunden gewesen als der Verbesserung der Weltwirtschaft. Was Europa aber tatsächlich Sorgen macht ist die starke Abhängigkeit von Nordamerika. Apple, Google, Meta, Microsoft oder zahlreiche starke Zahlungssysteme, die in Europa verankert sind und zweifelsohne einen guten Job machen, sind US-amerikanische Konzerne. Sieht man im Tunnelblick nur diese Abhängigkeit, so braucht man tatsächlich starke Nerven für die nächsten Jahre. Dass sich aber aus diesen Situationen auch Selbstverwirklichungen und Selbstständigkeiten entwickeln können, wird sehr wenig angesprochen. Europa hat großes Potential, gerade, wenn es um die viel diskutierten Klima-Technologien geht. Nein, die klugen Köpfe leben nicht nur in USA, die gibt es auch bei uns in Europa und in Österreich – es gehört nur mehr Mut dazu die Ideen umzusetzen.
Auch die zahlreichen Insolvenzen – wie jüngst kika/leiner – sind ein Schlag in die Magengrube. Es ist für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaum zu ertragen so knapp vor Weihnachten den Job zu verlieren. Doch in einer Stunde der Wahrheit muss man sich die Frage stellen: sind meine Produkte/meine Dienstleistungen noch so begehrt, dass sie die gewünschten Umsätze bringen? Oder als Konsument: will ich dort einkaufen gehen? Gerade jetzt ist es höchste Zeit für die Politiker Österreichs junger und auch erfolgreicher traditioneller Wirtschaft unter die Arme zu greifen und alteingesessene Steuern und Abgaben neu zu überdenken. Denn wenn diese Kosten es verhindern neue Ideen reifen zu lassen, dann sind wir am falschen Weg.
Sollten so nicht auch moderne Bauern denken?. Ja, sie sind das Rückgrat der österreichischen Landwirtschaft und ohne sie würden wir in einer „Mad Max“-Welt leben. Doch die aktuelle Diskussion zwischen Spar und den Bauern der NÖM ist schwer zu hinterfragen. Abseits von etwaigen politischen Hintergründen aufgrund von bevorstehenden Wahlen ist es fraglich, wieso ein 35%-Eigentümer einer Molkerei ins operative Geschäft der Molkerei – die sich meines Wissens bis heute dazu nicht geäußert hat – eingreift. Denn: man muss die Situation im Gesamtkontext sehen. Da die NÖM über die Logistikschiene NÖM Gast auch als Händler fungiert, müsste sie wissen, dass auch ein Händler auf die Kosten schaut. Den Theaterdonner über die Tages-Medien auszuspielen, damit innerhalb der Branche Schaden anzurichten und dann trotzdem die Milchmengen für die Eigenmarken zu liefern, ist eine Vorgehensweise gemäß dem Motto: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Diskussionen zwischen Handel und Industrie hat es immer gegeben und diese werden auch immer hart sein, aber es empfiehlt sich in Zukunft ein überlegterer Kommunikations-Plan.
Nicht zuletzt sind die richtigen Informationen goldeswert – nicht nur wenn es um Absatzmärkte und Preise bei landwirtschaftlichen Produkten geht. Auch die „totgesagte“ Mariahilferstraße ist in keinem so miesen Zustand, wie durch eine Studie beschrieben. Nein, es sind nicht die Umsätze, die schlecht performen – es sind hauptsächlich die Mieten, die den Händlern auf Wiens größter Einkaufsstraße (mit der Kärntnerstraße/Graben gemeinsam) Kopfschmerzen bereiten. Die Mariahilferstraße ist im Fokus der größten Retailer des Landes – nach wie vor. Dort fahren sie ihre größten Umsätze ein, die dann – wie vom Ur-Hai in einem Biss durch die Mieten aufgefressen werden. 70-80 Euro am Quadratmeter sind Usus, damit ist eine Korrekturphase dringend notwendig. Hannes Lindner von Standort+Markt ortet neben einer künstlichen Hochhaltung der Mietpreise auch durch Untervermietsverträge auch nicht gesprächsbereite Vermieter, die erst bei einer großen Anzahl an Leerständen zum Umdenken kommen werden. Gastronomie und Entertainment werden die Einkaufsstraßen nicht retten, da sich die Branche die hohen Mieten nicht leisten wird können. Und nicht zuletzt besteht durch die Vielzahl an Vermietern auch keine Homogenität, wie sie in einem Einkaufszentrum vorzufinden ist. Deshalb liegen die Leerstandsraten dort im Durchschnitt auch bei 4%. Doch es ist wie bei den Aktionen im Lebensmittelhandel: wer macht den ersten Schritt und setzt seine Miete herab?
Es zeigt sich hier, wie in allen anderen Fällen – erst wenn der Leidensdruck zu groß ist, dann wird gehandelt.
Gabriele Jiresch