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Kearney-Studie „Locking up the last mile“

Kearney-Studie „Locking up the last mile“

Steigende Zustellkosten, Fahrermangel, hohe Kraftstoffpreise und Vorschriften zur Dekarbonisierung des Verkehrs machen die klassische Hauszustellung an Privatkunden zunehmend unrentabel.

Laut der Studie „Locking up the last mile“ der globalen Unternehmensberatung Kearney lassen die Kosten für die „Letzte Meile“ die Margen der Logistiker schmelzen. Im schlimmsten Fall droht sogar ein Ende der kostenlosen Zustellung für Privatkunden. „Mit über 50 % der Lieferkosten ist die letzte Meile bis zur Haustüre des Kunden mit Abstand der teuerste Teil und die Hauszustellung die am wenigsten effiziente Zustellart", so Sven Rutkowsky, Partner bei Kearney und Leiter der europäischen Transportation PracticeDie Lösung könnte der Ausbau von automatisierten Paketboxen, sogenannten „Automated Parcel Machines“, sein, wo Pakete der Nachbarschaft gesammelt werden und der Kunde die „Letzte Meile“ selber schultern muss.  „Wir haben errechnet, dass eine Lieferung, die beispielsweise 3,50 Euro kostet, im Mittel bei der Nutzung einer Paketbox statt der Hauszustellung rund einen Euro pro Paket spart. Die Gewinnspanne steigt dabei um etwa 30 Prozentpunkte", ergänzt Rutkowsky.

15-mal weniger Gesamtemissionen 

Automatisierte Paketboxen sparen nicht nur Kosten, sie schonen auch die Umwelt. Für Logistikunternehmen sind solche Standorte nämlich deutlich umweltfreundlicher als Lieferungen direkt zum Kunden, da sie die Anzahl der erforderlichen Lieferfahrten und gefahrenen Kilometer massiv reduzieren. Zudem mehren sich auch die Forderungen, Stadtzentren in Nullemissionszonen zu verwandeln oder die Elektrifizierung kommerzieller Flotten zu erzwingen. Wenn die Verbraucher die Paketboxen bequem ohne Pkw, ohne Umwege erreichen können und das Fahrzeug, mit dem ein Schließfach beliefert wird, umweltfreundlich ist, können die Gesamtemissionen 15-mal niedriger sein als bei Zustellung desselben Pakets direkt an die Haustür, schätzen die Autoren.

400.000 zusätzliche Paketboxen in Europa

Je größer die Paketboxennetzwerke werden, desto bequemer werden sie für die Kunden. Dieser „Schwungradeffekt“ könnte sich als besonders ausgeprägt für „First Mover"-Anbieter und Marktführer erweisen. Diese können frühzeitig Markenbekanntheit, Kundentreue und Skaleneffekte aufbauen und sich die günstigsten und kosteneffizientesten Standorte sichern. „2022 sind Paketboxennetze in allen europäischen Ländern um 3.000 bis 6.000 Paketboxen pro Land gewachsen. Wir schätzen das Potenzial für ein Wachstum von etwa 400.000 zusätzlichen Paketboxen auf dem gesamten Kontinent“, so Rutkowsky.

Droht ein Paketbox-Monopol?

Um neue Standorte zu erschließen, gibt es zunehmend Absprachen mit Immobilienunternehmen sowie neue Angebote neutraler Paketboxensysteme, wie sie etwa DHL in Deutschland gerade angekündigt hat. Damit soll das bestehende Netzwerk erweitert werden – auch wenn die Bereitschaft anderer Paketdienste, diese zu nutzen, aufgrund der Preishoheit und vielfältiger Diskriminierungsmöglichkeiten des APM-Systembetreibers nicht groß sein dürfte. Auch sind Regulierungen denkbar, die die Einbindung der Paketboxen von Dritten in die Apps der Paketdienstleister erzwingen. „Viel weniger wahrscheinlich ist eine Zwangsmonopolisierung der letzten Meile, bei der die Gemeinden Zustellgebiete oder Paketboxengebiete ausschreiben und an nur einen Dienstleister vergeben, über den dann alle anderen Systeme lokal verteilen müssen“, erläutert Sven Rutkowsky. Dies erzeuge zu viel Ineffizienz in der Logistik und unnötige Administration.

Klar ist: Das Zeitalter der Haustürbelieferung ohne Preisaufschlag für Privatkunden nähert sich dem Ende. Das Rennen um die Marktführerschaft in der Out-of-Home-Zustellung ist eröffnet. 

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geschrieben am

22.05.2024