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Kaufhaus Österreich vorübergehend geschlossen

Das Kaufhaus wird zunächst geschlossen

Das im Herbst 2020 gelaunchte Kaufhaus Österreich schließt seine Pforten, um später für Unternehmer wieder da zu sein. retailreport.at sprach mit Online-Experten Dr. Anton Salesny.

Nicht nur René Benko trennt sich physisch vom Leiner-Gebäude in der Wiener Mariahilferstraße – das Haus wird demnächst abgerissen, um neu errichtet zu werden.
Auch das im Herbst gestartete und damals sehr hoffnungsvolle „Kaufhaus Österreich“, das von WKÖ und Ministerium für Digitalisierung digital errichtet wurde, wird vorübergehend geschlossen. Genau am 9. Februar, am Tag des „Safer Internets“ kamen die ersten Details an Tageslicht.

In einem Gespräch mit dem Kurier bestätigt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, dass die digitale Plattform „Kaufhaus Österreich“ nicht für immer geschlossen, sondern umgebaut wird.

Auf eine Kurier-Anfrage antwortet sie: "Ja, die Suchfunktion war schlecht, daher werden wir sie abdrehen". Schramböck möchte "Kaufhaus Österreich" nun zu einer Plattform für Unternehmer machen. Diese können sich anhand von Tutorials Informationen holen, wie sie ihr e-Commerce-Geschäft ankurbeln können.

Die Plattform soll in den wenigen Wochen ihres Bestehens 12 Millionen Zugriffe verzeichnet haben. Die Zahl der teilnehmenden Unternehmen konnte von anfänglich 1.000 auf 3.000 gesteigert werden. Und dennoch: „Diese Regierung ist einfach heillos überfordert, sie kann auch Digitalisierung nicht, das Kaufhaus Österreich ist ja nicht das erste Projekt, das komplett in den Sand gesetzt wird“, so kommentieren Oppositionsparteien wie die Neos die Schließung des Kaufhaus Österreich.

Viele Fragen kommen auf: Wer zahlt diesen kapitalen Bauchfleck von kolportierten 670.000 Euro? Was passiert mit Kaufhaus Österreich?

retailreport.at hat dazu den ausgewiesenen Online-Experten und Wissenschafter Hon.Prof.(FH) Dr. Anton Salesny befragt:

Was sagen Sie zu dem Versuch, eine Online-Plattform dieser Art ins Leben zu rufen und was hätte man besser machen müssen?

Die Idee gerade für KMUs eine Online-Plattform anzubieten, welche es ihnen ermöglicht einfach Artikel anzubieten, ist an sich sehr positiv zu bewerten. Gerade in Lockdown-Zeiten ist es für diese Unternehmen sehr schwierig Umsätze zu generieren. Eine bekannte Online-Plattform kann durch ihre Strahlkraft zu einer erhöhten Sichtbarkeit des Unternehmens im Netz führen. Wichtig ist es daher bei der Schaffung solcher Lösungen den Konsumenten in den Fokus zu setzen, um echten Mehrwert zu schaffen. Dafür braucht es unter anderem sehr detailliertes Wissen, was der Kunde, wann und wo haben will, vor allem aber wie er Produkte online sucht und welchen Preis er bereit ist dafür zu bezahlen. Hier Investitions- und Entwicklungsentscheidungen ohne ausreichender Berücksichtigung des Konsumentenverhaltens zu treffen, kann schnell ins Auge gehen.

Die Erwartungshaltung der Konsumenten war sicher hoch und lehnte sich klarerweise am Benchmark Amazon an. Sicher eine große Herausforderung.

Nur die Frage aus Kundensicht ist: Warum soll ich von einer gut funktionierenden Lösung auf eine andere neue Lösung umsteigen? Gerade die Erstinvestitionen, wie Kundenkonto anlegen, Zahlungsmittel hinterlegen, … sind sehr hoch, und werden daher kritisch auf Mehrwert geprüft. Wenn der Konsument bei Launch der Plattform bereits auf Suchanfragen unbrauchbare Ergebnisse erhält, stellt sich die Frage nach Kundenkonto und Zahlungsmittel gar nicht und es wird sehr schwierig diesen für einen weiteren Versuch zu begeistern.

Welche Unterschiede zu einem funktionierenden Online-Shop gibt und gab es und kann man aus der Plattform noch etwas machen?

Vorteile etwa von Amazon sind die große Auswahl, der oftmals günstige Preis, die schnelle Lieferung, das gute Kundenservice und das zentrale Kundenkonto, welches einerseits den Einkauf bei Amazon als Verkäufer und andererseits den Kauf bei Händlern am Marketplace ermöglicht. Zusätzlich kann das Kundenkonto bei Händlern die Amazon Pay als Zahlungsmöglichkeit anbieten verwendet werden. Die Zahlungsdaten bleiben aber bei Amazon. Der Kunde erspart sich daher die zusätzliche Eingabe der Kundendaten und der Zahlungsdaten, womit einerseits eine wesentliche Fehlerquelle vermieden werden kann. Andererseits ist diese Lösung aus Sicht des Kunden sehr komfortabel, spart Zeit und bietet erhöhte Sicherheit. Das sind unter anderem alles Gründe, die aus Sicht des Kunden Mehrwert bieten.

Eine vor kurzem durchgeführte repräsentative Studie zum Einkaufsverhalten der Österreicher in Kooperation mit Geschäftsführer Mag. Michael Nitsche (Österreichisches Gallup Institut) zeigt hier deutlich, dass die Wichtigkeit aus Sicht des Konsumenten bei österreichischen Händlern zu kaufen nicht so ausgeprägt ist, wie oftmals gewünscht. So gaben weit weniger als 20% der Onlinekäufer an, ausschließlich bei österreichischen Anbietern zu kaufen. Demgegenüber haben bereits über 40% der Österreicher Zugang zu Amazon Prime.

Inwiefern eine Optimierung der Plattform möglich wäre, hängt aus meiner Sicht etwa von der Programmierung und von den abgeschlossenen Verträgen ab. Besonders wichtig wäre es aber einen Mehrwert leicht erkennbar zu machen und Vertrauen zu schaffen.

Ihr Fazit also?

Wäre das Kaufhaus Österreich in den 90er Jahren, wo Jeff Bezos gerade begonnen hat seine Bücher aus der Garage heraus zu verkaufen, gelauncht worden, wäre es vielleicht Benchmark geworden, die Zeit ist jedoch nicht stehen geblieben.

Hon.Prof.(FH) Dr. Anton Salesny

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geschrieben am

09.02.2021