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Kartellgericht gibt grünes Licht für  Konzentrationsschub im Gastro-Großhandel

AGM/Metro: Kartellgericht gibt grünes Licht

Kommentar zum Metro/AGM-Deal von Hanspeter Madlberger: Das Kartellgericht gibt grünes Licht zum Konzentrationsschub im Gastro-Großhandel.

Metro Österreich darf sieben AGM Märkte mit angeschlossenem Gastro-Zustellservice von der Rewe International übernehmen und weiterführen. Muss jedoch die beiden AGM Standorte Klagenfurt und Bludenz unter Einhaltung umfangreicher Auflagen an Mitbewerber vermieten oder veräußern. Dieses Urteil hat das österreichische Kartellgericht dieser Tage erlassen, nachdem die Bundeswettbewerbsbehörde im September vergangenen Jahres an den beantragten Veräußerungs-Deal deutlich strengere Maßstäbe angelegt hatte. Damals meldete die BWB bei mindestens vier AGM-Standorten ernste wettbewerbsrechtliche Bedenken an und reichte deshalb den Fall an das Kartellgericht weiter.

Einzugsradius von 30 auf 75 km erweitert

Wie kam es dazu, dass seitens der Behörden  innerhalb von acht Monaten die Anzahl der genehmigten Standort-Übernahmen von fünf auf sieben erhöht wurde? Die BWB argumentiert in diesem Zusammenhang mit einer geänderten Rechtsgrundlage.

  • In ihrer Stellungnahme vom Herbst 2021 ging die BWB bei ihrer Marktdefinition (die ihrerseits Grundlage für die Ermittlung des Marktanteils ist) noch von einem Einzugsradius von 30 Straßenkilometern für den Abhol-LGH und einen Radius von 100 km für den Zustell-LGH aus. Die C&C-Abholung ziele auf das Geschäft mit Kleinkunden, die  Zustellung auf jenes mit Großkunden, hieß es da. Diese 30 km-Formel kam seinerzeit zur Anwendung, als die Behörde die Übernahme von C&C-Standorten des steirischen Großhändlers Nussbaumer durch die Pfeiffer-Gruppe zu prüfen hatte und nur unter strengen Auflagen genehmigte.
  • Der entsprechende Passus in der aktuellen Aussendung der BWB, veröffentlicht am 25.4. 2022 lautet hingegen:
    "Im Anlassfall geht das Kartellgericht von einem sachlich relevanten gemeinsamen Markt für Zustellung und Abholung im vollsortierten LGH aus. Der räumlich relevante Markt ist lokal auf ein einheitliches Einzugsgebiet von 75 Straßenkilometern um die Standorte begrenzt".

Eine Zusammenlegung der  Betriebe AGM Bludenz und Metro Dornbirn sowie AGM Klagenfurt und Metro Klagenfurt führt unter Heranziehung der  neuen Marktdefinition, zum Ergebnis, dass in den Regionen Vorarlberg und Kärnten der gemeinsame Markteil von AGM zwischen 35% und 40% betragen würde, wodurch das wettbewerbsrechtlich zulässige Limit von 30% überschritten würde. Bei den sieben anderen, zur Übergabe an Metro eingereichten AGM-Standorten wird gemäß dieser Berechnungsmethode die 30% Marktanteils-Grenze nicht überschritten. So bekam auch die Zusammenlegung der beiden Märkte von AGM und Metro in Wiener Neustadt und in St. Pölten grünes Licht. Was auf Mitbewerberseite, gelinde gesagt, für große Verwunderung sorgte.

Das Gutachten aus Berlin

Auf die neue Rechtsgrundlage stützt sich das kartellrechtlichen Gutachten, das der Ökonom Dr. Rainer Nitsche, Managing Director der E.CA. Economics GmbH mit Sitz in Berlin im Auftrag des österreichischen Kartellgerichts erstellte. Nitsche hat da, wohl zur Freude von Metro und Rewe, und zum Leidwesen der Mitbewerber, ganze, hochprofessionelle Arbeit geleistet. Economics umfasst ein Team von über 40 Consultants und ist auf Fragen der europäischen Wettbewerbspolitik und Wettbewerbs-Gesetzgebung spezialisiert. Das Unternehmen hat seinerzeit einen Merger zwischen Edeka und Tengelmann begleitet. Aktuell scheint die Rewe auf der Kundenliste von Economics auf. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Rewe in Köln zur Zeit über den Erwerb eines Pakets von ehemals in Metro-Eigentum befindlichen Real-Märkten verhandelt. Somit deutet einiges darauf hin, dass der Deal zwischen AGM und Metro von den jeweiligen Headquarters in Köln und Düsseldorf eingefädelt wurde.

Neben den geänderten räumlichen Marktabgrenzungs-Kriterien bietet auch die reichlich unscharfe Branchenabgrenzung seitens der Kartellbehörden viel Interpretationsspielraum für die Begutachtung des angestrebten AGM-Metro-Deals. Einerseits ist vom vollsortierten Lebensmittelgroßhandel (LGH) die Rede. Im wesentlichen aber geht es um die Lieferungen an die Gastronomie, die in diesen für sie so schwierigen Zeiten vor einem übermächtigen Marktpartner geschützt werden soll. Wenn Metro sieben AGM Märkte übernimmt, dann steigt der Metro-Marktanteil  im Gastro-GH überproportional, weil der Umsatzanteil der HoReCa (Hotels, Restaurants, Catering)-Kunden bei AGM infolge des hohen Zustellanteils von über 50%  nahezu 100% beträgt. Während Metro in den C&C Märkten neben HoReCa auch kleine Einzelhändler und sonstige gewerbliche Kunden bedient und nur einen Gastro-Zustellanteil von geschätzten 15% aufweist. Einschätzungen des HoReCa-Anteils bei Metro klaffen weit auseinander.

Was passiert mit AGM Klagenfurt und AGM Bludenz?

Angesichts der sehr komplizierten Auflagen betreffend Veräußerung bzw. Vermietung wird es voraussichtlich geraume Zeit dauern, bis Mitbewerber die beiden Standorte übernehmen. In Bludenz sind die Optionen überschaubar. Der Standort versorgt die Gastronomie im Arlberg-Gebiet und im Montafon, da böte sich eine Übernahme durch die Firma Wedl (Markant) an. Die Metro bleibt Hausherr im Rheintal mit dem Markt in Dornbirn. Transgourmet versorgt von Schwarzach aus die Bodensee-Region und den Bregenzerwald. In Klagenfurt könnte neben den bekannten "Verdächtigen" (Transgourmet, Kastner, Eurogast-Gruppe) auch die selbstständige Adeg Genossenschaft Wolfsberg zuschlagen, die in Ostkärnten bereits zwei C&C Märkte betreibt und sich nach dem Vorbild der Pinzgauer AGM-Kollegen als Einkaufspartner der Eurogast anschließen könnte.

Startsignal zur Wettlauf um AGM-Kunden

Wie stark letzten Endes der Konzentrationsschub im heimischen Gastro-GH ausfällt und ob es dem C&C-Urgestein Metro durch die Übernahme der sieben AGM Betriebe gelingt, dem Hauptmitbewerber Transgourmet die Marktführerschaft im Gastro-GH zu entreißen, lässt sich zur Zeit schwer abschätzen. Der Erfolg des Deals hängt vor allem davon ab, in welchem Ausmaß die Zustellkunden der von Metro übernommenen AGM Betriebe bereit sind, langfristige und umfassende Lieferverträge mit dem neuen Eigentümer einzugehen. Branchenkenner zeigen sich davon überzeugt, dass schon in Hinblick auf die anlaufende Sommersaison die Akquisitions-Truppen der Metro-Mitbewerber  ausschwärmen werden, um bisherige AGM-Zustellkunden aus der Gastronomie zum "Fahnenwechsel" zu überreden. Ein Triathlon mit den Disziplinen Preis, Sortiment und Service.

Vieles spricht dafür, dass vor allem mittelständische Gastro-Großhändler mit einer breiten Palette an  herkunftssicheren Regional-Sortimenten und einer flexiblen, Service-orientierten Kundenbetreuung exzellente Chancen haben, ein schönes Stück vom AGM-Umsatzkuchen an Land zu ziehen. Kundenbindung hat im Zustellgeschäft einen ganz anderen Stellenwert als im C&C-Bereich, dem traditionellen Tummelplatz der Rosinen-Picker. Der Wettbewerb im Gastro-GH bleibt auch nach dem Konzentrationsschub spannend.

Kommentar: Hanspeter Madlberger

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geschrieben am

29.04.2022