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Negatives Konsumentenverhalten ist ein bekanntes, aber zunehmen- des Problem (auch) im Einzelhandel

Studie: Mitarbeiter als Prellbock

Sie stehen an vorderster Front zum Konsumenten. Dort werden sie auch immer öfter Opfer all jener Kunden, die ihren Frust abladen: die Mitarbeiter im Einzelhandel.

Das Institut für Handel, Absatz und Marketing an der der Linzer JKU unter der Leitung von Dr. Christoph Teller und Dr. Ernst Gittenberger untersuchte in einer Studie das Konsumentenverhalten und seinen Einfluss auf die Mitarbeiter im Handel - speziell nach Corona und der Ukraine-Krise. Fakt ist: immer häufiger sind Handelsangestellte der Prellbock für übelste Launen der Kunden. Auch diese Situation führt dazu, dass sich der Handel mit der Mitarbeitersuche schwer tut.

Der Kunde ist König, aber benimmt er sich auch so?

Die ÖBB vermeldet eine Zunahme der tätlichen Angriffe auf Bedienstete, der Flughafen Wien startet eine Kampagne gegen aggressive Gäste. Von der allgemein akzeptierten Norm abweichendes, negatives Verhalten der Konsumenten ist auch beim Einkaufen keine neue Erscheinung, tritt jedoch seit der Covid-Pandemie bzw. insbesondere seit der „Teuerungskrise“ immer häufiger auf – mit entsprechend negativen Folgen für den stationären Einzelhandel.
34 % der Österreicher (ab 18 Jahre) haben bei ihren Einkäufen seit der Ukraine- Krise (mit der einhergehend steigenden Inflation) häufiger negatives Verhalten bei anderen Konsumenten beobachtet als davor. 

Gegen wen richtet sich negatives Konsumentenverhalten? 

1.) 36 % der Österreicher beobachten beim Einkauf manchmal bis immer, dass andere Kunden Handelsangestellte beschimpfen

Für Mitarbeiter im stationären Einzelhandel stellt schlechtes Benehmen der Konsumenten eine Zusatzbelastung dar. Dies reicht vom harmlosen Unverständnis bei Nicht-Verfügbarkeit von Waren und geht bis zu Beschimpfungen und Drohungen. 63 % der befragten Österreicher (ab 18 Jahre) beobachten beim Einkaufen, dass Konsumenten manchmal bis öfters/immer ihre (negativen) Emotionen bei den Mitarbeitern im Geschäft abladen.

59% finden, dass sich Kunden ungerechtfertigterweise bei Verkäufern beschweren – bis hin zu Beschimpfungen (36 % der Befragten). Speziell persönliche Angriffe führen zu steigender emotionaler Belastung der Handelsangestellten und dies wiederum zu Demotivation und in letzter Konsequenz zu erhöhten Krankenständen sowie Job- und Berufswechsel.

2.) 39 % der Konsumenten fühlen sich manchmal/öfters von anderen Kunden beim Einkauf gestört

Negatives Konsumentenverhalten schreckt andere Kunden ab. Dies reicht vom ungeduldigen Einmischen in Verkaufsgespräche, über den Streit um das letzte verfügbare Produkt bis hin zum Vordrängeln an der Kassa. 42 % der Konsumenten beobachten manchmal bis häufig unfreundliches Verhalten gegenüber anderen Kunden und 26 % sogar Streitigkeiten. Die Folgen sind Unzufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis im Geschäft bis hin zur Abwanderung in den Online-Handel.

3.) 39 % der Konsumenten berichten von Beschädigungen in Geschäften

Ein weit verbreitetes Phänomen ist, Produkte aus dem Regal zunehmen und bei Nicht- Kauf irgendwo im Geschäft abzustellen. Das beobachten 75 % der erwachsenen Österreicher manchmal/öfters bei ihren Einkäufen. 42 % stellen immer wieder fest, dass (einwandfreie) Produkte nach Nutzung unrechtmäßig wieder retourniert werden. 39 % berichten sogar von Beschädigungen von Einrichtungen und Waren im Geschäft, was im Einzelhandel Zusatzkosten verursacht.

„Einerseits entstehen Kosten durch Beschädigungen von Waren oder beim unrechtmäßigem retournieren (einwandfreier) Produkte. Indirekte Kosten fallen an durch Überforderungen, Frustrationen, Depressionen, Krankenstände und in Extremfällen Kündigungen der Handelsangestellten, was gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels eine zentrale Problematik darstellt. Andererseits entstehen finanzielle Verluste durch das Ausbleiben von Kunden, die abweichendes Verhalten in Geschäften miterlebt haben bzw. durch das Abwandern von Konsumenten ins Internet“, erläutert Dr. Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM).

Braucht es einen Konsumenten-Knigge?

„Aufgrund der Teuerungskrise liegen die Nerven in den Versorgungsketten bei Industrie, Handel aber auch bei den Konsumenten blank. Das negative Verhalten von Konsumenten tritt immer häufiger auf und führt zu signifikanten direkten und indirekten Kosten für den stationären Einzelhandel. Das Thema muss breit in der Öffentlichkeit (Stichwort: “Blame and shame“) diskutiert werden, denn es ist nicht alles erlaubt, nur weil der Kunde König ist.

Was ist die Lösung? Ein "Knigge" (Anm: „Benimm-Dich-Buch“) für Konsumenten könnte offensichtliche Problem beseitigen. Aber viel einfacher: Menschlichkeit, Fairness, Empathie, Wertschätzung, Höflichkeit und Ehrlichkeit gegenüber jenen, die gefühlt den schwersten Job der Welt haben – den Handels- und Dienstleistungsangestellten – und das jeden Tag.

Auch das Management im Handel sollte hier selbstbewusst auftreten, nicht alles durchgehen lassen und Mitarbeitern soweit wie möglich schützen. Denn durch negatives Kundenverhalten wird der Einzelhandel als Arbeitgeber unattraktiver. Da hilft auch Employer Branding wenig. Es ist Zeit im Einzelhandel über Sektor- bzw. Branchen-Branding nachzudenken“, resümiert Institutsvorstand Univ.Prof. Dr. Christoph Teller erste Analyseergebnisse des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM).

JKU

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geschrieben am

06.04.2023