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Hintergründe der Signa Holding GmbH Insolvenz

Hintergründe der Signa Holding GmbH Insolvenz

Immobilientycoon Benko scheiterte als Einzelhändler. Ein Bericht von Hanspeter Madlberger.

Alle Kommentatoren  in den Tageszeitungen sind sich einig: Steigende Zinsen, sinkende Nachfrage nach innerstädtischen Geschäftsräumen und, daraus resultierend, sinkende Mieterträge führten zu einem dramatischen Wertverfall der Signa-Immobilien. Das Märchen vom Betongold, das ein buntes Investorenvolk an Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Baukonzernen, Unternehmerdynastien, Markenartikel-Topmanagern und Berater-Legenden dazu veranlasste Kapital, bei Signa Real Estate  anzulegen, brach wie ein Kartenhaus zusammen.

Aber das Konjunkturtief der Immobilienbranche war in letzter Konsequenz nicht die Hauptursache der Signa-Pleite. Der genetische Defekt, der am Ende die Signa Holding GmbH. als Dachgesellschaft in die Insolvenz und das Firmengeflecht Signa in eine existenzbedrohende Krise stürzte, war die enge Verflechtung zwischen den  beiden Unternehmenssparten Signa Retail und Signa Real Estate.

Der Immobilien-Entwickler Rene Benko stellte in über 20 Jahren sensationell innovative Projekte auf die Beine. Aber in seinem Zweitberuf als Einzelhändler legte der Tiroler eine glatte Null-Nummer hin. Die Chronik von Signa Retail, eine Ansammlung von strategischen Fehleinschätzungen, schwer wiegenden Managementfehlern und Pannen, die in Pleiten mündeten. Der größte Fehlschlag war, rückblickend betrachtet, die Übernahme von Karstadt und Kaufhof, Deutschlands größter Warenhauskette. In Österreich scheiterte die Signa Gruppe als Möbelhändler (Kika Leiner), in  den USA mit der Insolvenz von Signa Sports Limited, einem  eSport Händler. In Deutschland musste GKK die einst renommierte Fachhandelsfirma SportScheck (34 Standorte in Citylage) in die Insolvenz schicken. Knapp zuvor wurde ein Verkauf von SportScheck an das britische Modehaus Frazers angekündigt. Die Betriebe waren erst drei Jahre zuvor von Signa erworben  worden. Ebenso ein Fehlschlag war die Franchise-Zusammenarbeit von Signa mit der Feinkost-Grocerant-Kette Eataly im Zentrum von München. In der Schweiz und in Österreich kam die Benko-Truppe gar nicht erst dazu, Eataly-Franchisebetriebe zu eröffnen. 

Supergau: Galeria Karstadt Kaufhof muss verkauft werden

Der größtmögliche Supergau der Signa Retail-Teilkonzerns aber ist der sich abzeichnende Notverkauf der Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), mit dem Branchenexperten nach der Insolvenz der Signa Holding durch die Bank rechnen. Die Welt am Sonntag vom 3.12. beschreibt die  Funktion, die GKK innerhalb des Signa Imperiums zu erfüllen hatte: Jedenfalls endete nach knapp zehn Jahren eine Ära, in der die deutschen Warenhäuser vor allem einen Lebenszweck hatten und der lag nicht im Handel. Sie waren Mieter für zahlreiche Benko-Immobilien.“ 

Die Einzelhandelssparte Signa Retail wurde also als Mittel zum Zweck instrumentalisiert, nämlich, um den Wert der Signa Real Estate-Immobilien zu steigern. Wie Der Standard berichtete, seien bei der Übernahme der Galeria Warenhäuser durch Signa die Mieten verdoppelt worden. Der deutsche Handelsexperte Gerrit Heinemann war es, der diesen Bewertungstrick publik gemacht hat.

Die Rendite einer Handels-Immobilie und damit die Amortisation einer Investition in ein City Warenhaus oder in eine innerstädtische Shopping Mall steht und fällt mit den langfristig fließenden Miet- oder Pachteinnahmen. Im Idealfall besitzt die Signa Real Estate die Warenhaus-Immobilie, bzw. namhafte Anteile daran, das betreffende Handelsunternehmen, das die Mieten bezahlt, befindet sich an einer ganz anderen Stelle im Firmenorganigramm, nämlich im Geschäftsfeld Signa Retail. Auf diese Weise lassen sich Gewinne und damit Firmenbewertungen zwischen Immobilien- und Retailsektor hin und her schieben. Bei den Handelskonzernen ist das Changieren zwischen operativem Geschäft und Immobilien-Eigentum nicht ungewöhnlich. Und funktioniert so lange, als der Verkauf von Waren und Dienstleistungen an die Kundschaft professionell betrieben wird und trotz der erhöhten Mieten Gewinne abwirft.

Karstadt und Kaufhof: Schon vor der Übernahme sanierungsreif

Die stark überhöhten Mieten in der eigenen Kalkulation unterzubringen, wäre selbst für ein kerngesundes Einzelhandelsunternehmen kaum verkraftbar. Total überfordert aber war von dieser Mietenbelastung die in einer äußerst prekären Schieflage befindliche GKK-Warenhaus-Gruppe. Jahrzehnte hindurch haben die innerstädtischen Warenhäuser an Attraktivität bei den Konsumenten und damit an Umsatz- und Ertragspower eingebüsst. Signa konnte Karstadt zu einem Schnäppchenpreis übernehmen, weil das Unternehmen sich unter seinem früheren Kurzzeit-Eigentümer Nicolas Berggruen in der Zeit von 2010 bis 2014 aus der Insolvenzfalle nicht befreien konnte. Die Kaufhof Warenhäuser, die ursprünglich im Besitz der Metro Gruppe waren, gingen deshalb billig an Signa, weil der vorherige Kurzzeit-Eigentümer, die kanadische Hudson’s Bay Company (HBC) die chronischen Verlustquelle loswerden wollte.   

Wertschöpfung kommt vom operativen Geschäft und nicht durch Immobilen-Bewertungstricks

Man kann es nicht genug betonen: Die Immobilie per se kreiert noch keine Wertschöpfung. Diese wird von Unternehmen erwirtschaftet, die den Standort einer Immobilie und ihre Ausstattung als ergänzenden Marketingmix-Faktor einsetzen, um aus der Verbindung von Primärleistung (Sortiment, Preisniveau, Service und Beratung) und Standort-Vorteil Wettbewerbsvorteile zu erzielen, die unterm Strich für Ertragskraft und steigenden Unternehmenswert sorgen. Benkos Kardinalfehler: Er hat übersehen, wie sehr sich der Wert einer Immobilie in letzter Konsequenz über die Ertragskraft definiert, die von den Handels- oder Dienstleistungsbetrieben (z.B. Restaurants) also den Benutzern der Immobilie ausgeht. Dazu kommt: Frequenzstarke Handelsbetriebe nutzen ihre Kunden-Akquisitionskraft, um mit den Immobilieneigentümern bzw. den Zentren-Betreibern möglichst niedrige Mieten aus zu verhandeln.

KaDeWe Luxus-Warenhäuser, ein Sonderfall, mit GKK nicht vergleichbar

Benkos Strategie der Kombination von Retail und Immobilien-Investment war extrem speziell und elitär. Sozusagen das Gegenteil von Diskont. Das Dream Team einer win-win-Partnerschaft  zwischen Händler und  Immobilien-Investor ist im System Signa eine Luxus-Store Brand eingemietet in einem Luxuswarenhaus in weltstädtischer IA Lage: In dieser sehr spezifischen Konstellation erwirtschaftet der Händler so hohe Margen, um daraus hohe Mieten  an den Investor zahlen zu können, was wiederum in die Rendite der Immobilie einzahlt.

Der Haken an der Sache: In ganz Europa gibt es nur wenige Luxus-Konsumtempel in den Cities von Millionenstädten, auf die all diese Kriterien zutreffen. Im Portfolio von Signa Prime sind das die Einzelhandelsbetriebe der  KaDeWe Group mit den Häusern KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München. Der elitäre KaDeWe-Klub soll in Zukunft um die in Umbau befindlichen Häuser Alte Akademie in München und Carsh (bislang ein Warenhaus der Kaufhof-Gruppe) in Düsseldorf, sowie, ab 2025 das Lamarr am unteren Ende der Wiener Mariahilferstraße/Ecke Museumsquartier erweitert werden.  

Central Group bei KaDeWe Group im Aufwind

Schönheitsfehler der Signa-Beteiligung an der KaDeWe-Group: Sie befindet sich nur zu 49,9% im  Eigentum von Benkos Signa Premium. Darüber hinaus hält diese Konzerntochter einen 50%-Kapitalanteil an den Globus Warenhäusern in der Schweiz und  neuerdings nur mehr einen Minderheitsanteil an den jüngst erworbenen Warenhäusern der Selfridges Group in Großbritannien. Zwischen La Rinascente und Selfridges besteht eine starke Management-Achse in der Person des Warenhausexperten Vittorio Radice, der in beiden Firmen in Spitzenfunktion tätig war. Jetzt gehen Branchenexperten davon aus, dass die Signa Holding im Zuge der Insolvenz-Abwicklung gezwungen sein wird, ihre Hälfte- bzw. Minderheits-Beteiligungen an den Edel-Warenhäusern und -Projekten in Deutschland, der Schweiz und Österreich abzustoßen. Logischer Kaufaspirant ist die thailändische Central-Gruppe, ihr gehören nämlich bereits die restlichen Anteile an den genannten Häusern. Darüber hinaus besitzt die Central Group die traditionsreiche italienische Warenhauskette La Rinascente. Im Juni 2015 nahm Benko die Central Group als 50% Gesellschafter der drei KaDeWe Group herein und übergab dem neuen Partner auch die operative Führung der Luxushäuser. Haupteigentümerin der Central Group ist die thailändische Händlerfamilie Chirathivat, Konzernvorsitzender ist Tos Chirathivat, Enkel des Gründers.

Innenstadt-Krise, Warenhaus-Krise: Signa fand keine Lösungsansätze

Dass der Signa Retail Sparte die Sanierung  der Einzelhandelsmärkte, insbesondere jene von GKK total misslang, ist im Wesentlichen auf zwei Umstände zurückzuführen. Erstens: Es fehlte ein zukunftsträchtiges Marketingkonzept  für die City Warenhäuser, abseits der Luxus-Schiene von KaDeWe. Innovative Ladenformate waren nur in bescheidenen Ansätzen erkennbar. Da war da und dort von  Mixed Use Konzepten die Rede. City Einkaufsgalerien (angelegt  nach dem Shop in the Shop Prinzip) mit weniger Einzelhandel-Fläche, mehr Gastronomie, dazu  öffentliche Einrichtungen wie Ärztezentren, Logistik Hubs, Freizeitanlagen, Kinderspielplätze, parkförmige Dachterrassen. Auch für Lamarr kündigte man ein Mixed Use  Modell dieser Art an.

Der große Nachteil einer solchen Konzeption: Von Zielgruppen-fokussierter Handelslandschaft mit Leitbetreiben sowohl für den Mode-, für den Wohn- und Freizeit- wie auch für den Lebensmittel-Delikatessenbedarf einer kaufkräftigen Mittelschicht und einem daraus abgeleiteten ganzheitlichen Einkaufserlebnis war in diesem Allerwelts-Mischmasch nicht die Rede. Zugegeben, ein Teil der Umsatzeinbrüche bei GKK war Corona-bedingt,  ein beträchtlicher Teil aber war selbstverschuldet, Folge der Konzeptlosigkeit und der fehlgeschlagenen  Reformversuche.

Die Entwicklung von GKK in den letzten  Jahren, geriet solcherart zu einem einzigen Desaster. Zweimal wurde das Unternehmen in Insolvenz geschickt, der deutsche Staat leistete rund 500 Millionen an Corona-Zuschüssen. Die Zahl der Filialen und damit die Umsätze schrumpften dramatisch. Der Beitrag von Signa zur Revitalisierung der deutschen Innenstädte blieb bescheiden. Die Overhead-Kosten  stiegen rasant, die Zusammenlegung der Zentralen von Karstadt und Kaufhof blieb Stückwerk. Bei GKK in D ebenso wie bei Kika Leiner in A blieben die Online-Umsätze auf  Niedrigstniveau. Dass dieser Schrumpfkurs bei den Lieferanten zu Konditionsverschlechterungen führte, darf angenommen werden. 

Krisenmanager, dringend gesucht

Zweiter gravierender Mangel. Es fehlte bislang an Top-Handelsmanagern, denen man hätte zutrauen dürfen, dass sie in der Lage waren, angeschlagenen Filialsysteme in leistungsstarke und innovative Umsatzmotoren zu verwandeln, die auch Omnichannel Retailing hätten  drauf haben müssen. Aber weder Dieter Berninghaus, oberster Signa Retail Chef mit Sitz in Zürich, noch Stephan Fanderl, (Spross einer Edeka Kaufmannsfamilie  aus Bayern), in der Zeit von 2018 bis 2022 hauptverantwortlich für Karstadt und anschließend  für GKK, gelang der entscheidende Kurswechsel. Zwischen Berninghaus und Benko soll es zuletzt zu großen Differenzen gekommen sein. Im März dieses Jahres soll, laut Manager Magazin, Benko versucht haben, für die angeschlagenen Signa Retail eine Doppelspitze zu installieren,  indem er dem ehemaligen Kurzzeit-CEO der Rewe Köln und späteren Migros Manager Berninghaus den ehemaligen Hofer- und Müller-Manager Günther Helm als erfahrenen Einzelhandels-Profi zur Seite stellen wollte. Der Plan scheiterte, weil Helm mittlerweile bei einem Handelskonzern in Saudi Arabien angeheuert hatte. Angesichts der jüngsten Entwicklungen bei der Signa Holding dürfte Helm diese Entscheidung nicht bereut haben. Und wie es bei Globus in der Schweiz weitergeht, die Berninghaus von seiner früheren Migros-Tätigkeit her gut kennt, hängt auch ein dickes Fragezeichen. 

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geschrieben am

06.12.2023