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Marcel Haraszti, Vorstand der Rewe International AG

Haraszti: Expansion kann auch arm machen

Rewe International Vorstand Marcel Haraszti sprach im Klub der Wirtschaftspublizisten offen über Leid und Freud eines Lebensmittelhändlers in Österreich.

Viele Themen im Bereich Handel und Lebensmittelhandel wurden im Rahmen des Gespräches angeschnitten, hängen blieb zunächst nur das Thema Öffnungszeiten im Handel. Gleich vorweg: dem Rewe International Vorstand Marcel Haraszti würden ein Mehr an sechs Stunden Öffnung in der Woche sehr entgegenkommen. Von 72 auf 78 Stunden – das könnte er sich für seine Märkte sehr gut vorstellen. „Das ließe sich auf die einzelnen Standorte gut verteilen“, so der Handelschef. Damit spricht er auch eine Flexibilisierung angepasst an die einzelnen Standorte an.

Öffnung bei weitem nicht alles

Das Thema Öffnungszeiten war bei weitem nicht alles, was Marcel Haraszti aufs Tapet brachte. Nach vier Jahren Dauerkrise nach Covid, Teuerung und nun im zweiten Jahr Rezession muss man als Händler schon einen langen Atem haben. Es gilt neun Millionen Kunden pro Woche zu bedienen. Sie erlebten einen Preisanstieg im Lebensmittelhandel, auf den auch bei Billa und Billa Plus mit Aktionen geantwortet wurde. Der Aktionsanteil bei Billa liegt bei rund 38% und bei Billa Plus bei 44%.

Auch der Eigenmarkenanteil ist im Steigen und liegt over all bei 33%. „Wir sind nicht stolz auf Prozentsätze, aber auch im Bereich Eigenmarken wachsen wir“, so Haraszti. Apropos Prozentsätze: Marcel Haraszti rechnet – trotz Umsatzwachstum – mit einem minimalen Marktanteilsverlust, da man in Vorarlberg die Billa Plus Märkte an Sutterlüty abgegeben hat.

Dem gegenüber stehen die Kosten. Die KV-Erhöhung von 2023 schlug sich mit mehr als 100 Mio. Euro zu Buche. Auch die energie-Kosten sind nicht wieder auf Vor-Krisen-Niveau zurückgegangen, auch wenn sie seit 2022 wieder gesunken sind. „2020 hatten wir Energiekosten in der Höhe von 58 Mio. Euro, 2022 waren es 120 Mio. Euro und die letzten beiden Jahre lagen wir bei 90 Mio. Euro“, zählt Haraszti auf. Die Energieeffizienzmaßnahmen der jüngsten Vergangenheit kamen genau zur richtigen Zeit.
Und nicht zuletzt investierte der Händler in 1450 neue Pfandsysteme, die trotz Förderung noch immer ein hoher Kostenpunkt waren.

Wie steuert man gegen die hohen Kosten?

Es bedarf eines genauen Betrachtens der Kennzahlen. Die wesentlichen Punkte, um die Kosten gut im Griff zu haben sind Flächenerweiterung (Billa hat eine durchschnittliche Verkaufsfläche von 823 m2), Expansion großer Märkte (23 Billa wurden 2023 eröffnet und 25 sind es 2024), aber auch Schließungen vorzunehmen (17 Märkte waren es 2024, im Jahr 2023 waren es 30). „Es geht um die Erhaltung eines gesunden Netzes“, so Haraszti. Denn: Expansion kann auch arm machen, wenn sie nicht gut überlegt ist. Fakt ist: das Festhalten an unrentablen Standorten ist nicht gut.

Die Rewe investiert in Österreich 520 Mio. Euro. Dazu zählt auch das neue Kaufleute-Modell, das sehr gut ankommt. Ende 2024 sollen es 24 Kaufleute sein, 22 kommen nächstes Jahr dazu. Und es geht weiter, in zwei Jahren sollen auch externe Bewerber aufgenommen werden.

Man setzt auf unterschiedliche Instrumente

Um die Kunden zu erreichen, setzt man auf verschiedene Kanäle. Neben stationär gibt es (nur noch) in den großen Städten Zustellung, die neben der eigenen auch von Foodora übernommen wird. Click & Collect ist nach wie vor ein Erfolgsmodell.

Bei Adeg setzt man auf hybrid-Lösungen, die sich aktuell sehr bewährt haben. Und Marcel Haraszti ist – im Gegensatz zu so manchem seiner Branchenkollegen – ein Befürworter der Boxen. In alle den Entwicklungen stößt sich Marcel Haraszti an einer Sache immer wieder: die Raumordnung und Flächenwidmungspläne. „Wir würden gerne bestehende Flächen – wie etwa aus dem Einrichtungshandel – nutzen, aber das wird uns nicht genehmigt“, so Haraszti. So entstehen seiner Meinung nach Bodenversiegelungs-Probleme, obwohl der Handel hier wahrlich kein Hauptverursacher ist.

Das Sortiment als ein Schlüssel des Erfolges

Wichtig ist auch, was in einem Billa, Billa Plus, Adeg, Penny und Bipa drinnen ist: das Sortiment muss vieles erfüllen. Bio ist nach wie vor ein Trend. Bei Billa ist der Bio-Anteil 12,3%, bei Billa Plus sogar 12,9%. Im Lebensmittelhandel im Durchschnitt ist der Bio-Anteil 11,4%.

Die Eigenmarke Clever klettert steil nach oben. Im Sortiment finden sich rund 900 Clever-Artikel, insgesamt 1000 Artikel zu Diskontpreisen. Die interne Inflation bei Billa quer durch das Sortiment (OHNE Non Food) beträgt nur 0,8%, was auch den Diskontprodukten geschuldet ist.

Frischfleisch ausschließlich aus Österreich ist ein USP. Noch dazu kommen 50% des Frischfleisches aus Tierwohl-Programmen. Vegan wächst weiter, ebenso wie Frische.

Die gute Nachricht für den österreichischen Markt lautet: die Wertschöpfung ist sogar gestiegen, da viel mehr aus Österreich gesourct wird und die Beziehung zur Landwirtschaft eine Gute ist. Auch die Läger sind auf Österreich verteilt und werden immer wieder den neuen Gegebenheiten angepasst (ZB Pfand). Zur Diskussion steht nun eine Neuerrichtung in St. Pölten.

Für das heurige Jahr wünscht sich Marcel Haraszti für sich und den übrigen Handel ein gutes Weihnachtsgeschäft – dabei ist er mit den bisherigen Ergebnissen zuversichtlich.

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geschrieben am

12.12.2024