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Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes

Rainer Will: „Aussitzen geht nicht!“

Obwohl der Handel in Österreich für mehr als 700.000 Jobs sorgt, steht er politisch und medial nicht selten auf der Anklagebank. Das will Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will so sicher nicht stehen lassen.

Die Vorzeichen für eine sich erholende Wirtschaft stehen nicht unbedingt rosig. Laut WIFO ist die Wirtschaftsleistung in Österreich im Jahr 2023 um 0,8 % geschrumpft. Damit entwickelte sich die Wirtschaft hierzulande deutlich schwächer als jene der Eurozone (+0,6 %) und sogar schlechter als jene Deutschlands (-0,3 %). Und auch der Ausblick auf 2024/25 sagt, dass sich die heimische Wirtschaft unter dem EU-Durchschnitt entwickeln wird. Traurige Gewissheit ist auch, dass die Kostenentwicklung, die vor allem energiegetrieben ist, über dem EU-Durchschnitt bleiben wird.

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, ist mit Sicherheit kein Pessimist, aber diese Situation setzt auch ihm als Vertreter tausender Handelsbetriebe zu. „Die Lohn-Preis-Spirale ist leider Realität geworden“, erklärt Rainer Will, zwei Monate nach den abgeschlossenen KV-Verhandlungen, die den Handelsunternehmen schon so einiges abfordern. „Die Inflation geht zu langsam zurück. Die bisherigen Maßnahmen greifen zu wenig. Darum fordern wir eine umfassende Anti-Inflations-Strategie.“

Und: „Die Löhne waren ursächlich ja nicht für die Inflation verantwortlich. Es war vorwiegend eine Konsequenz aus massiv steigenden Energiepreisen. Hier muss angedockt werden und ich bin mir sicher: Bei den Landesenergie-Versorgern besteht noch viel Potential, die Preise zu senken. Diese Senkung würde sowohl der Wirtschaft als auch den Konsumenten gut tun“, so Will.

Auch heute sind es noch 50 % höhere Energiekosten als vor der Ukraine-Krise. Rückläufige Preisentwicklungen werden von den Energieversorgern nicht an die Konsumenten weitergegeben. Das drückt die Stimmung und macht klappt die Geldtaschen zu. Gerade kleine Händler haben vielfach das Handtuch geworfen und ihre Geschäfte für immer geschlossen – mehr als 10.000 Handelsbetriebe waren es im Vorjahr, auch aus dem Lebensmittelhandel, der als krisenresistent galt.

Sorge besteht, dass im Vorwahlkampf dieses Superwahljahres der Fokus von den wichtigen wirtschaftlichen Dingen abgleitet. „Deshalb darf auch die Regierung ihre Arbeit im beginnenden Wahlkampf nicht aussetzen und muss sich für die Unternehmen einsetzen!“, so Will. Wie nämlich Inflation entsteht, hängt maßgeblich mit den Staatsausgaben zusammen. „Die Gießkanne der Förderungen in allen Bereichen müsste drastisch zurückgenommen werden“, so Will. Denn durch die Ausgaben des Staates entsteht wiederum weitere Inflation, fordert Will eine Schuldenbremse.

Was hat das alles mit dem Handel zu tun?

Während der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) im Vorjahr ein reales Umsatzminus von 1 % einfuhr, musste der Handel abseits der Grundversorgung sogar ein Minus von 5,6 % verkraften. Am stärksten von den Auswirkungen der Teuerungskrise betroffen ist allerdings der Möbel- und Elektrohandel. In diesem Segment sind die Umsätze 2023 um ganze 11,5 % regelrecht erodiert. Laut einer Mitgliederbefragung des Handelsverbands haben laut Eigenauskunft 34% der Betriebe 2023 mit einem Verlust abgeschlossen, 26% mit einem ausgeglichenen Ergebnis und 40% mit einem Gewinn.

Die negativen Faktoren kommen dabei vor allem aus drei Bereichen:

  • Wirtschaftlich: extrem hohe Kosten (vor allem Energie und Löhne) bei „Pflicht“ als Versorger offen zu halten, hoher Wareneinsatz
  • Politisch: deutlich schlechtere Kompensation der höheren Energiekosten als in anderen Wirtschaftsbereichen, da der Handel nicht im Fokus der Regierung steht
  • Sozial: schlechte Konsumlaune, Erhaltung von Arbeitsplätzen

Nimmt man alleine das Beispiel der Lohnnebenkosten her, so herrscht dringender Handlungsbedarf. 7,2% der Lohnnebenkosten finanzieren die Kommunalsteuer, den Familienlastenausgleichsfonds und die Wohnbauförderung. „Was haben diese Positionen mit den Lohnnebenkosten zu tun?“, fragt sich Rainer Will. „Wir ersuchen dringend, diese Bereiche aus dem allgemeinen Steuerhaushalt zu finanzieren“. „Warum haben in Österreich die Privatangestellten – hier fallen alle Mitarbeiter des Handels hinein – die dritthöchste Lohnabgabenquote in der EU?“ Und genau jetzt in der aktuellen schlechten Wirtschaftsphase wäre es so wichtig, mehr Menschen einstellen zu können. Rainer Will: „Die Entlastung der Arbeitnehmer ist inflationsrelevant und das brächte wieder Vorteile für den Handel. Nebenbei könnte der Staat durch geringere Einnahmen bei den Lohnnebenkosten auch weniger ausgeben, was wiederum die Inflation abfedern würde. Zur Zeit ist jeder, der Vollzeit arbeitet, der eigentliche Verlierer. Aber das kann es auch nicht sein. Wo bleiben die Arbeitsanreize? Für den Handel ist das deshalb so schlimm, da wir eine extrem beschäftigungsintensive Branche sind“.

Hemmschuh Bürokratie

Zu all den wirtschaftlichen Herausforderungen kommt das überbordende Verlangen nach Bürokratie von Seiten der europäischen und auch der österreichischen Politik. „Retail zählt zu den am stärksten regulierten Sektoren in der EU – meine allzeit zitierten Mitvertragsgebühren sind nur ein Bruchteil davon und noch dazu sehr veraltet“, so Will.

In einer Umfrage des Handelsverbandes haben die Händler angegeben, wie sie auf die Krise und ihre Herausforderungen reagieren:

•    Reduktion von Werbespendings (41%; Vorjahr: 44%)
•    Investitionsstopp (35%; Vorjahr: 40%)
•    Expansionsstopp (18%; Vorjahr: 27%)
•    Beantragung von Förderungen (23%; Vorjahr: 26%)
•    Personalabbau (33%; Vorjahr: 25%)
•    Filialschließungen (10%; Vorjahr: 10%)
•    Beendigung der Geschäftstätigkeit (11%; Vorjahr: 9%)

Die Forderungen für 2024

Aus all diesen Gründen fordern Österreichs Händler endlich ernstzunehmende Maßnahmen für ihre Branche: Arbeitsmarktreform und mehr Beschäftigungsanreize; Beschäftigung sichern und Lohnnebenkosten senken; Bürokratieabbau; FairCommerce; Ausgabenbremse des Staates und der Länder.

Rainer Will, der bereits seit 10 Jahren Geschäftsführer des Handelsverbandes ist, abschließend: „Zweckoptimismus ist heute für einen Händler Pflicht, sonst müsste man in der Sekunde zusperren. Der Handel wünscht sich schlichtweg einfachere Rahmenbedingungen, um arbeiten zu können. In den letzten beiden Jahren haben Gastronomie und Hotellerie stark vom Aufholbedarf nach den Einschränkungen der Corona-Jahre profitiert. Jetzt hoffen wir, dass der Trend wieder mehr in Richtung Handel geht. Wenn es so weitergeht wie in den Jahren 2022 und 2023, wo wir bei stark gestiegenen Kosten gleichzeitig sinkende reale Umsätze zu verkraften hatten, werden das viele Betriebe nicht mehr überleben. Vielen ist zu wenig bewusst, dass der Handel mit mehr als 700.000 Beschäftigten der wichtigste Arbeitgeber des Landes ist.  

Lesen Sie detailliert im Handelsverband Zukunftspapier „Österreich handelt!“ die 50 Forderungen

 

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geschrieben am

21.02.2024