Preisvergleiche: Von Körberlgeld keine Spur
Jedes Mal, wenn die Arbeiterkammer (AK) und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) die Vergleichszahlen des Lebensmittelhandels zwischen Österreich und Deutschland veröffentlichen, stehen die angesprochenen Händler vor einem Rätsel. Warum patzt man immer wieder mit System eine Branche an? Warum werden dabei die Fundamente der Datenerhebung verschleiert? Warum liefern AK und VKI keine konkreten Daten, auch nicht auf Anfrage? All das macht die Überprüfung der Objektivität der Studien übermäßig schwierig. Ja, die österreichischen Lebensmittel sind teurer im Vergleich zu Deutschland, aber NICHT, weil sich der Handel ein Körberlgeld verdient, sondern aufgrund anderer harter Fakten. Diese hat der Handelsverband zusammengefasst, um Klarheit zu schaffen. Im Prinzip gilt auch: Es ist bedauerlich, dass die AK-Vergleiche immer nur den Preis ins Rampenlicht rücken und die Qualität ignoriert wird.
BWB bestätigt - Österreich nicht am teuersten
Der heimische Lebensmittelhandel nahm zwei Jahre lang sinkende Umsätze (inflationsbereinigt -3,2% in 2022, -1,0% in 2023, 2024 sind die realen Umsätze im LEH wieder um 1,7 % gewachsen) bei einer sehr geringen tatsächlichen Rentabilität von durchschnittlich 0,5% bis 2,5% des Umsatzes hin. Dies wurde auch von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in ihrer Untersuchung der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette klar bestätigt.
Im EU-Vergleich lagen die Lebensmittelpreise in Österreich 2023 laut Eurostat um 7% über dem Preisniveau der deutschen Nachbarn. Was aber immer gerne unter den Tisch gekehrt wird ist, dass zahlreiche andere Länder deutlich teurer sind als Österreich. Spitzenreiter ist wenig überraschend die Schweiz, aber auch in Island, Norwegen, Luxemburg, Dänemark, Irland und Finnland sind die Lebensmittel im Supermarkt teurer, in weiteren Ländern wie Frankreich oder Malta auf dem gleichen Niveau wie in Österreich.
„Das Preisniveau bei Nahrungsmitteln ist bei uns auch von 2022 auf 2023 weniger stark gestiegen als im EU-Schnitt. Mit anderen Worten: Der Lebensmitteleinzelhandel hat in diesen beiden Jahren inflationsdämpfend agiert. Auch im Gesamtjahr 2024 lag die Inflation bei Lebensmitteln in Österreich mit 2,1% unter der allgemeinen Inflation von 2,9%. Diese Entwicklung hat sich auch im Jänner 2025 fortgesetzt, wie die Statistik Austria inzwischen bekanntgegeben hat“, erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.
Marktstruktur
Österreich hat im Vergleich zu Deutschland einen komplett andere Marktstruktur. Das beginnt beim Einkauf: Es macht einen Unterschied, ob man für 9 Mio. Menschen Waren einkauft oder für 84 Mio. Menschen. Dazu kommen die Skaleneffekte, die auf den Preis umgelegt einen Unterschied machen: Logistik und Vertrieb sind hier die wesentlichsten Faktoren.
Hohe Filialdichte
Kritisiert wird von AK und VKI oftmals die hohe Filialdichte, die die Preise angeblich in die Höhe schnellen lässt. Fakt ist jedoch: Österreich hat eine sehr gute Nahversorgung in einer herausfordernden Geo- und Topografie. „Lassen Sie uns vergleichen: Deutschland hat 83 Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohner. Österreich hingegen nur sechs. Deutschland kann auf 633 Mittelstädte mit mehr als 20.000 Einwohner verweisen, während Österreich davon 22 zählt“, so Rainer Will. All das macht sich in der Preisbilanz durch Logistik und Vertrieb bemerkbar. Fazit: Deutschland hat 14 Mal so viele Großstädte wie Österreich und 29 Mal so viele Mittelstädte wie wir. „Somit können deutsche Lebensmittelhändler in der Logistik viel effizienter und effektiver arbeiten, weil sie mit einem Mal viel mehr Filialen abdecken“, so Will.
Auch die Verteilungskosten sind unterschiedlich: Deutschland hat 238 Einwohner/km2 und Österreich „nur“ 109 Einwohner/km2. „Das liegt an unserer Topografie, die wir auch nicht missen wollen. Und nicht zuletzt: Wollen Sie einem kleinen Ort in den Bergen den Nahversorger wegnehmen?“, fragt Will berechtigt.
Das Lohnniveau – eine finanzielle Herausforderung
Im Europa-Vergleich liegt Österreich bei den durchschnittlichen Personalkosten pro beschäftigter Person im Lebensmitteleinzelhandel laut Eurostat an zweiter Stelle und um 31% über jenen in Deutschland. Das macht den Betrieb von Lebensmittelgeschäften, die personalintensiv sind, teuer. In Zahlen: Österreich liegt mit 38.050 Euro/Kopf im EU-Vergleich auf Platz 2 hinter Belgien und um 31 % über Deutschland (28.950 Euro).
Dazu kommen unterschiedliche Steuern und Abgaben: Deutschland hat 7% Umsatzsteuer auf Lebensmittel, Österreich 10%. Auch die Biersteuer beträgt das 2,5-fache von Deutschland.
Qualitäts- und Herkunftsabgaben
Dass österreichische Konsumenten Herkunft und Qualität der Lebensmittel außerordentlich schätzen, ist durch viele Studien belegt. Handel und Kunden legen ihren Schwerpunkt auf regionale Produkte. Im Supermarkt liegt der Bio-Anteil bei 11,5% (AMA Marketing) in Deutschland bei 6,3% (foodwatch.org). Österreich liegt hinter Dänemark auf Platz 2. Die Produktion regionaler Produkte ist nicht nur aufgrund der hohen Qualitäten, sondern auch aufgrund der kleineren Mengen teurer.
Tierwohl muss uns etwas wert sein
Strenge Standards bei Tierwohl lassen die Preise in die Höhe gehen. Tierwohl ist wichtig, aber man muss auch die Kostenfaktoren bedenken. Hier einige Beispiele: Die Besatzdichte bei Pute beträgt in Österreich 40 kg pro m2 und in Deutschland 48 kg/m2. Bei Huhn ist das Verhältnis 30 kg/m2 (Österreich) und 39 kg/m2 (D).
Auch die landwirtschaftlichen Strukturen kosten: Die Einkaufspreise bei agrarischen Produkten sind aufgrund kleinteiliger Betriebe höher als in Deutschland. „Unsere Landwirtschaft fährt auch höhere Standards“, so Rainer Will.
Im Umkehrschluss sind die Waren internationaler Konzerne für den heimischen Lebensmittelhandel nicht günstiger (Menge), im Gegenteil, hier wird zu internationalen Händlern kaum ein Unterschied gemacht.
Geoblocking – ein Hemmschuh
Die territoriale Lieferbeschränkung „Geoblocking“ ist für den österreichischen Handel eine echte „Parkkralle“. Durch den Preisvergleich von Markenprodukten internationaler Hersteller ist klar zu sehen, dass im EU-Ausland oftmals sehr viel günstiger eingekauft werden kann als in Österreich – die internationale FMCG-Branche verrechnet teilweise in Österreich höhere Preise als in den Nachbarländern. Diese Schlechterstellung der Einkaufs-Konditionen kostet den Konsumenten auf die EU verteilt 14 Mrd. Euro. “FMCG-Produzenten, Verarbeiter, Konsumenten – sie alle dürfen außerhalb Österreichs ihre Waren einkaufen – nur der Handel nicht. Das ist unfair. Hier fordern wir endlich eine EU-Binnenmarkt-Strategie, die fair für alle ist“, so Rainer Will.
Was kommt noch?
Aus Sicht des Handelsverbands ist es unbestreitbar, dass es insbesondere in den Jahren 2022 und 2023 deutliche Preissteigerungen gab. Doch diese gab es 1. nicht nur im LEH und 2. nicht nur in Österreich.
Doch anders als in zahlreichen anderen Ländern wurden diese Preissteigerungen den Österreichern auch in Form von höheren Gehältern abgegolten. In der Folge ist die reale Kaufkraft in Österreich in den letzten Jahren gestiegen, in Deutschland, wo die Löhne nicht so stark angehoben wurden, jedoch gesunken. Laut jüngsten Daten von GfK liegt die Pro-Kopf-Kaufkraft in Österreich (29.266 Euro) deshalb um 5,1 % über jener in Deutschland (27.848 Euro). Während Deutschland 2024 mit +2,8 % lediglich einen moderaten Kaufkraftzugewinn verzeichnete, fiel die Steigerung in Österreich mit 6,7 % mehr als doppelt so hoch aus (Quelle: GfK Kaufkraft Europa 2024).
Und nicht zuletzt geht es auch auf Energiekosten-, Miet- und Betriebs-Kosten-Seite wieder bergauf, was für den Handel zusätzliche Mehrkosten bedeutet. Ruhe kehrt leider keine ein.