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v.l.n.r.: Rainer Will (Geschäftsführer Handelsverband), Alpay Güner (Vorsitz der Geschäftsführung Media Markt Österreich), Karin Saey (Leitung Bereich Handel Dorotheum), Norbert Scheele (Vizepräsident Handelsverband und C&A), Harald Gutschi (Geschäftsführer Unito/Otto), Stephan Mayer-Heinisch (Präsident Handelsverband)

Handel: es muss sich etwas ändern

Im Rahmen der Neujahrs-Pressekonferenz des Handelsverbandes zeigten Vertreter der unterschiedlichen Handelsbranchen grobe Probleme auf, die ein erfolgreiches Agieren in der nahen Zukunft erschweren.

Durch die Verkettung unglücklicher Umstände erlebte der Handel in Österreich einen Talsturz, den es in wenigen anderen Branchen gab: von Covid angefangen, über schwere Logistik-Probleme, hin zu immensen Anstiegen bei Energiekosten, Personalkosten und Rohstoffen bis zu einer sinkenden Konsumlaune durch Inflation und zum Teil Politik-Versagen. Das, was Experten in der Mitte der Pandemie vorhersagten, als viele Unternehmen mit Förderungen überhäuft wurden, hat sich bewahrheitet: die Insolvenzen in Österreichs Unternehmer-Landschaft werden massiv steigen. Auch der Handel kann davon ein lautes Lied singen. Laut der laufenden Umfragen des Handelsverbandes haben 34% der Händler 2023 mit Verlust abgeschlossen und 95% der Händler sagen, dass sich der bürokratische Aufwand in Österreich erhöht hat. 

Milchmädchenrechnung: weniger Umsatz, mehr Aufwand, höhere Kosten (Lohn, Energie, Rohware, Transport) ergeben deutlich niedrigere Gewinne - bis hin zu Verlusten. Eventuell können große Händler diese Situation ein paar Monate bis maximal ein Jahr durchhalten, aber mit Sicherheit nicht länger. Im Gesamtjahr 2023 konnten die heimischen Einzelhändler laut WIFO-Prognose einen Umsatz von 75,3 Milliarden Euro erwirtschaften. Ein inflationsbereinigtes Umsatzminus von -3,6% – und dies im Vergleich zum ebenfalls holprigen Jahr 2022. Für den gesamten Handel (Einzelhandel, Großhandel, KfZ-Handel) weist das WIFO 2023 sogar ein reales Minus von -5,5% (!) aus.

Händler im Appell vereint

Der Handelsverband vereinte in der Auftakt-Veranstaltung des Jahres 2024 Vertreter der wichtigsten Handelsbranchen außerhalb des Lebensmittelhandels, der aufgrund seiner ureigensten Funktion eine andere Stellung in der Handelslandschaft hat. Von der Krise schwer gerufen sind die Elektrobranche, Schmuckbranche, Mode- und Schuhhandel, aber auch der Online-Handel. 

Der entscheidende Negativ-Faktor für die Händler ist die hohe Inflation. 2023 lag die Inflationsrate in Österreich bei 7,7%. Im Euroraum waren es 5,4%. Dieser Abstand von 2,3 Prozentpunkten macht große Sorgen. Daher muss die Inflationsbekämpfung oberste Priorität haben. Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass Österreich bei der Inflationsrate im Bereich Lebensmittel/Alkoholfreie Getränke mit +7,3% (Datenstand Okt. 2023) bereits unterhalb des EU-Durchschnitts sowie des Schnitts der Eurozone liegt. Im Gegensatz zu Fernwärme (+57%) und Gas (+59%) sowie Gastronomie (+12%) und Reisen (+10%) hat der Lebensmittelhandel die Inflation im Vorjahr nicht befeuert.

Dazu kommt die schwierige Situation am Arbeitsmarkt: immer wenige wollen so arbeiten wie früher und verlassen sich auf staatliche Unterstützung. Und im Einzelhandel liegt die Teilzeitquote bei 49%. weiters sind 7,2% der Lohnnebenkosten-Posten sachlich nicht zu rechtfertigen. Alleine wenn diese für den Unternehmer wegfallen würden, wäre schon viel getan. (siehe Folie am Ende).

Was wird sich 2024 tun?

28% der Händler sehen sich mit Lieferverzögerungen aufgrund der Lage im roten Meer (Suez-Kanal) konfrontiert, allerdings betreffen diese i.d.R. nur wenige Teile des Sortiments (weniger als 25%). 21% der Handelsbetriebe verzeichnen zurzeit gestiegene Frachtkosten. Hier reden wir von Preissteigerungen zwischen 10% und 25%. 24% der Händler erwarten temporäre, geringfügige Sortimentseinschränkungen, 36% längere Lieferzeiten und 32% einen leichten Preisanstieg für die Konsument:innen.

Aufgrund der multiplen Krisen der vergangenen vier Jahre haben die österreichischen Händler folgende Maßnahmen geplant, um ihre wirtschaftliche Existenz in 2024 abzusichern:

•    Reduktion von Werbespendings (41%; Vorjahr: 44%)
•    Investitionsstopp (35%; Vorjahr: 40%)
•    Expansionsstopp (18%; Vorjahr: 27%)
•    Beantragung von Förderungen (23%; Vorjahr: 26%)
•    Personalabbau (33%; Vorjahr: 25%)
•    Filialschließungen (10%; Vorjahr: 10%)
•    Beendigung der Geschäftstätigkeit (11%; Vorjahr: 9%)


Für das Gesamtjahr 2024 erwarten die heimischen Händler im Durchschnitt einen inflationsbereinigten Umsatzrückgang von -2%. Mehr als ein Drittel (35%) geht davon aus, heuer einen Verlust zu erwirtschaften. 39% hoffen zumindest auf ein ausgeglichenes Ergebnis und 26% gehen heuer von einem Gewinn aus. "Auch 2024 wird für den Handel herausfordernd, aber wir bleiben zweckoptimistisch. Spätestens im zweiten Halbjahr hoffen wir auf eine Normalisierung des Preisniveaus, sofern globale Krisenherde nicht zu weiteren Verwerfungen führen", so das Fazit von HV-Geschäftsführer Rainer Will.

Die Forderungen der Händler

FORDERUNG 1: Arbeitsmarktreform – Mehr Beschäftigungsanreize
FORDERUNG 2: Beschäftigung sichern – Lohnnebenkosten senken
FORDERUNG 3: Bürokratieabbau – Gebühren reduzieren
FORDERUNG 4: Fair Commerce – Gleiche Spielregeln für Alle
FORDERUNG 5: Ausgabenbremse – Reduktion der Staats- und Länderausgaben

Lohnnebenkosten
Reaktion der Händler auf Krisen

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geschrieben am

26.01.2024