Handelsmarken dämpfen Lebensmittel-Inflation
Bericht: Hanspeter Madlberger
Aufgrund ihres umfangreichen Eigenmarken-Geschäfts verfüge die Rewe über eine starke Transparenz darüber, wie sich steigende Rohstoff-, Energie- und Verpackungskosten in der Kalkulation ihrer Markenartikel- Lieferanten aus der Lebensmittel-Branche niederschlagen. Das sagte Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender des Rewe Konzerns beim Lifestream-Mediengespräch am 5. April in Köln. Gestützt auf diese Informationen, könne der Rewe-Einkauf sehr genau checken, inwieweit die Preiserhöhungs-Vorstellungen der Markenartikelindustrie ökonomisch gerechtfertigt oder aber überhöht sind.
Wie kann die durch Ukraine-Krieg, Pandemie, Umweltkatastrophen und Lieferengpässe mehrfach befeuerte Inflation bei Lebensmitteln fair auf die Glieder der Liefer- und Versorgungskette "from Farm to Fork" aufgeteilt werden? Dieses Thema beherrscht in diesen Monaten den wirtschaftspolitischen Diskurs in ganz Europa. Und unterzieht die Beziehungen zwischen Lebensmittelhändlern und Lebensmittelproduzenten einem noch nie da gewesenen Stresstest. In dieser Situation die Preisentwicklung entlang der Handelsmarken-Lieferkette als Kompass für die Bewertung der Preis-Forderungen der Lebensmittel-Markenartikler an ihre Kunden heranzuziehen, ist ein bemerkenswerter Schachzug des Rewe Konzernchefs. Einkaufspreis-Vergleich mit ausländischen Tochterfirmen (Rewe International) und dem Europa-Einkaufspartner Leclerc lieferten zusätzliche Hinweise auf überhöhte Preis-Vorstelllungen diverser Markenartikel-Multis.
Der Lebensmittel-Einkauf des Handels im Krisenmodus. Aus Köln kommt dazu die Botschaft, dass Preisvereinbarungen mit der Laufzeit von einem Jahr praktisch passé sind. Volatilität der Einkaufspreise ist angesagt. Nicht zuletzt deshalb, weil die Discounter Aldi und Lidl, in Deutschland noch stärker als bei uns, sehr spektakulär auf die Kostensteigerungen in der Lieferkette reagieren. Einen Big Bang bei den Verbraucherpreisen, wie ihn Aldi in diesen Tagen inszeniert, lehnt Souque seitens der Rewe ab. Er lasse da dem Mitbewerber gerne den Vortritt und kündigt seinerseits eine, stark nach Warengruppen differenzierte Preisstrategie an.
Rewe-Einkaufs-Taktik: Aufpassen, Sortieren, Brücken nicht abbrechen
Wie laufen die Preis-Gespräche mit den Lieferanten konkret? Souque zieht klare Kante: "Wir sind in schwierigen Verhandlungen mit der Industrie. Wir können nicht zu jeder Preiserhöhung ja sagen. Vor allem bei den großen Multis muss man sehr aufpassen". Schon im Herbst 2021 hätten globale Konzerne unter Hinweis auf unterbrochene Lieferketten massive Preissteigerungen gefordert, die nicht nachvollziehbar waren. "Viele Lieferanten sind auf dieser Welle mitgesurft. Ich bin seit 26 Jahren im Handel, aber das habe ich noch nie erlebt." Mit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts hat sich die Situation insofern verändert, als die Kostenwelle, ausgelöst durch Krieg und Sanktionen weiter eskaliert. Jetzt müsse die Rewe aussortieren: In welchem Ausmaß kann sie Preiserhöhungen akzeptieren? Wieviel davon kann sie durch Spannenverzicht selber schlucken? Wieviel kann sie an die Konsumenten weiterreichen, die ja ihrerseits von den höheren Heizungs- und Treibstoffkosten betroffen sind?
Was den Margenverzicht der Rewe in Deutschland betrifft: "In den ersten drei Monaten 2022 haben wir einen hohen dreistelligen Millionenbetrag in die Preisstabilisierung investiert." Alle Möglichkeiten der Kosteneinsparung auszuschöpfen, das sei jetzt ein Gebot der Stunde. Nicht nur für den Lebensmittelhandel, der bei der Kühllogistik und der Beleuchtung den Rotstift ansetzen muss, sondern ebenso auf Produzentenebene. Im gemeinsamen Bestreben, die Inflation einzudämmen, müsse eben jede Wirtschaftsstufe ihre Hausaufgaben machen.
Auch wenn's hart auf hart geht: Mit den Markenartiklern will es sich der Rewe-Boss in der Kölner Domstraße nicht generell verscherzen: "Wir brauchen starke Marken!" Und - kleiner Seitenhieb gegen die Edeka - eine Auslistung sei keine Option. Dessen ungeachtet, hält der Rewe Konzern am Ausbau seines Eigenmarken-Sortiments weiterhin fest. Die Preiseinstiegsmarke Ja! in Deutschland vor einigen Jahren eingeführt, umfasst bereits 800 Artikel. Zum Vergleich: Namens-Halbschwester Ja!Natürlich in Österreich zählt aktuell 1418 Artikel, das Discount-Label Clever umfasst 900 SKUs. Dazu kommen 176 Billa Bio Artikel, 626 Hofstädter-Produkte und das saisonale Billa Premium Festtags-Sortiment. Gerade, was Bio-Eigenmarken betrifft, setzt das Modell der Rewe Österreich die Benchmarks für die Rewe Supermärkte der Kölner.
Haraszti spricht sich für eine faire Margenverteilung aus
Entsprechend nachdrücklich kann deshalb auch der Einkauf in Wiener Neudorf die Eigenmarken-Karte im Preis-Poker mit den Markenartiklern ausspielen. Marcel Haraszti im Fachmedien-Talk vom 6.April: "Wir sind der Anwalt unserer Kunden, ein fairer Partner der heimischen Landwirtschaft, aber kein Handlanger der Industrie." Die Rewe setze sich für eine faire Margenverteilung zwischen Lebensmittel-Produzenten und -Händlern ein. Während der LEH im Schnitt Gewinnmargen von ein bis zwei Prozent erwirtschafte, sei in den Geschäftberichten mancher Multis oft von zweistelligen Umsatzrenditen die Rede.
In diesem Sinn, ist die Rewe in Österreich bestrebt, die Preiserhöhungswünsche, die von den Lieferanten an sie herangetragen werden, nach ihrem Fairness-Gehalt zu "filtern". Haraszti betont dabei, mit Seitenblick auf die UTP-Vorwürfe seitens der Agrarpolitik, die gute Zusammenarbeit seines Unternehmens mit der heimischen Milchwirtschaft: "Bei den Molkereiprodukten haben wir 2021 zweimal die Einkaufspreise erhöht, heuer ein weiteres Mal".
Gerade in der jetzigen Situation sei für die Rewe die Marktpräsenz mit den beiden Vertriebslinien Billa und Penny ein großer Wettbewerbsvorteil. Bei ihrem privaten Inflationsbekämpfungs-Programm könnten die Konsumentinnen wählen. Haraszti:"Gehen sie zu Penny, so bekommen sie dort quer durchs Sortiment Lebensmittel zu Tiefstpreisen. Entscheiden sie sich für Billa, erhalten sie dort, in einer angenehmeren Einkaufsatmosphäre, 900 Clever-Artikel zu Discounter-Preisen."