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Lindner und SChwarzenecker von Standort+Markt

Handels-Gesundheitscheck 2020

Gesundheit ist derzeit in aller Munde, wie gesund ist die „Handelslandkarte“ Österreichs?

Erstmals analysierte Standort + Markt (S+M) im Jahr 2013 den Handel in Österreichs Citylagen – von der Geschäftsstraße bis zur City-Shopping-Mall, das zweite Mal in Folge nun mit dem Österreichischen Handelsverband.  

Die Kernaussage 2020: der Rückgang der Fläche ist der stille Zeuge der Konsumentengewohnheiten. Leerstände sind das aktuelle Virus des City-Retails, vor allem der Modehandel leidet sehr. Nur ist dieses Virus kein Neues und heißt für den stationären Handel „online“.

Wie wird untersucht?

S+M sucht mehr als 13.000 Bereiche auf rund 2 Mio. m2 Fläche auf. Das Sample nimmt 24 untersuchte Geschäftsbereiche ins Visier, plus 16 ausgewählte Kleinstädte, erfasst den Einzelhandel, einzelhandelsnahe Berufsgruppen (Gastro), Dienstleistungen, Freizeiteinrichtungen und natürlich Leerstände. 

Ergebnisse

Heuer wurden die Ergebnisse in Primärstädte und Sekundärstädte unterteilt – je nach Größe der Stadt. 1,7 Mio. m2 ist die Summe der City Geschäftslage. Die Hälfte der Verkaufsflächen bzw. mehr als ein Drittel der Shops befinden sich in A-Lagen, das ist auch die bevorzugte Lage der Filialisten, die mit etwa 10.700 Geschäften in dieser besten Lage vertreten sind.  Der Filialisierungsgrad wird über die Anzahl der Shops gerechnet und nicht über die Fläche. Er liegt insgesamt bei 39,4 %, bei der A-Lage 54,8%. „Der Filialsierungsgrad sinkt leicht in Österreich“, so Dr. Roman Schwarzenecker von Standort+Markt.

Die größeren Städte (200.000 EW) gewinnen, die Innenstädte verlieren. Das bedeutet, dass die City-Shopflächen schrumpfen. Über Österreich verteilt gibt es Verlierer, wie Villach, Wr. Neustadt oder Wels, aber auch Gewinner, wie etwa die Wiener Mariahilferstraße (durch Galeria). Die Wiener City liegt in der Anzahl der Quadratmeter an 2. Stelle. 

Oftmals ist auch nicht von einem klassischen Geschäftsflächensterben die Rede, weil die Fläche smart anders genutzt wird, wie etwa durch ein Ärztezentrum. Wenn renoviert wird, dann sehr häufig in der A-Lage und dort wird auch ausgeweitet. 

Die City DNA ist der Shopflächen-Mix

Ein künstlich geschaffener Branchenmix vernachlässigt den Bekleidungssektor. „Die Kernkompetenz der Cities, der Modeeinzelhandel, kommt primär durch den Distanzhandel unter Druck“, so Mag. Hannes Lindner, von Standort+Markt. 

Der Kurzfristbedarf steigert sich ganz leicht, Bekleidung hat einen Rückgang von 3,5 Prozentpunkten in den letzten 5 Jahren. Das hat mit dem Voranschreiten des Online-Shoppings zu tun. Gastro hat ein Plus von 0,5 %. Sonstige Freizeitflächen gewinnen an Terrain. 

Leerstand gewinnt

Der tatsächliche Gewinner ist allerdings der Leerstand von 4,5% auf 7,3%. Von 73,5% auf 70,2 % ging der Flächenanteil des Einzelhandels zurück. Ein Turnaround ist nicht in Sicht. Leerstände in den Kleinstädten sind wesentlich massiver als in den Primär- und Sekundärstädten. Der erste Vorbote für Veränderung in einer City-Lage ist eine hohe Fluktuationsrate, jeder 7. Shop wechselt im Durchschnitt pro Jahr seine Nutzung, in der A-Lage ist das geringer. Eher schwächere und kleiner Städte sind mit einer höheren Fluktuationsrate ausgestattet. 

Hilfe, wir schrumpfen

Zusammenfassend kann man sagen, dass in Österreichs City-Lagen eine starke Dynamik herrscht, der Modesektor auf dem Prüfstand steht und die Branche sich neu erfinden muss. Für diejenigen, die sich neu erfinden, ist das kein Spaß.

Die Frage für Raumplaner heißt: Alles Handel, oder was? Welche Ersatzläden kommen? Muss es immer Gastro sein?

Je größer die Stadt, desto leichter werden es die Verantwortlichen haben. Leichter tun sich Städte mit viel Potential, auch wenn es derzeit nicht so rosig aussieht (Wr. Neustadt, Krems).

„Wir raten jeder Stadt: Schaut euch jährlich die Frequenz an! Ordnet Eure Funktionsschichten: Wohnen, Arbeiten und dann der Handel! Und zieht einen interdisziplinären Beirat hinzu: Raumplaner, Architekten, Soziologen“, so Lindner und Schwarzenecker unisono.

Handelsverband sieht Herausforderung

Der Handelsverband betrachtet die Lage auch von und für politische Seite. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes: „Es braucht alle Rahmenbedingungen, die Politik ist gefordert und faire Mitverträge sind ein aktueller Punkt. Super-Star Lagen sind nicht mehr für jedermann erschwinglich. Es braucht Vertrauen in einen Standort.“ Der Handelsverband sieht das pragmatisch, es braucht Fairplay. Will: „Stationär braucht eine Ritterrüstung, während digitales Shoppen leichtfüßig vorbeiläuft.“

Forderungen des Handelsverbandes

Von den Cities wünscht sich der Handelsverband moderne zeitgemäße Shopflächen, problemlose Anliefermöglichkeiten, abgestimmte Ladenöffnungszeiten und eine zeitgemäße Mietvertragsgestaltung mit fairen Konditionen.

Von der Politik müssten endlich die Rahmenbedingungen geändert werden: 

  • "FairCommerce" – gleiche Spielregeln für alle, auch für den Online-Handel 
  • Abschaffung der Mietvertragsgebühr 
  • Reform der Raumordnung (Oberösterreich als Vorbild) 
  • Einführung von Tourismuszonen auch in Wien 
  • Eingriffe in Einkaufsstraßen nur mit Augenmaß und stets mit Einbeziehung der Händler 
  • Gezielte Leerstandsbekämpfung durch entsprechende Regionalinitiativen 
     

Der Handelsverband ist ebenso wie Standort + Markt in entsprechende Regionalinitiativen zur Stärkung des stationären Handels eingebunden, etwa in Niederösterreich in Kooperation mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner. Auch auf Bürgermeister-Ebene gibt es laufende Gespräche, um die jeweiligen Herausforderungen bestmöglich zu meistern.

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geschrieben am

02.03.2020