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Spartenobmann Handel Rainer Trefelik

Handel: Inflation klein kriegen

Handelsobmann Trefelik über Kammerpolitik im Herbst 2023: Kosten dämpfen, Inflation klein kriegen, Optimismus bewahren.

Bericht: Hanspeter Madlberger

Trockener Himmel herrscht an diesem Augustabend  über der Sky Lounge im Dachgeschoss des Kaufhauses Steffl in der Wiener Kärntner Straße. Von „dunklen Wolken am Konjunkturhimmel, teilweise sogar Gewittern“  spricht über den Dächern der Wiener City WKÖ Handelsobmann Rainer Trefelik (52), beim Medientalk. Sachlich trocken und erfreulich unaufgeregt analysiert Marktforscher Peter Voithofer die Konjunkturentwicklung des Handels  im ersten Halbjahr 2023.

Trefelik, der zusammen mit seinen beiden Brüdern ein paar Häuser weiter vis a vis von Staatsoper und Hotel Sacher den Fashion-Tempel Popp & Kretschmer betreibt, verströmt eine Mischung aus Sorge und Zuversicht. Er will die Herausforderungen, denen sich der Handel in diesen bewegten Zeiten  zu stellen hat, weder dramatisieren, noch klein reden. Es gehe in den kommenden Herbstwochen darum, die Schere zwischen sinkender Umsatz- und steigender Kostenentwicklung zu schließen. Eine Haltung, ebenso unspektakulär wie nüchtern-sympathisch. “Wir müssen die gestiegenen Kosten in den Griff bekommen und zugleich  die Inflation herunterbringen“. Sollte dieser Spagat nicht gelingen,  werde es für viele Händler brenzlig. „Trotzdem, wir brauchen Optimismus“.

Sozialpartnerschaft im Stress-Test: Es gilt das Prinzip Hoffnung

Auf Sozialpartner-Ebene ist der Spartenobmann Handel um Deeskalation bemüht. Die  KV-Verhandlungen im kommenden Herbst würden zäh werden, sagt Trefelik. Und hofft, dass eine rechtzeitig sinkende Inflationsrate doch noch für Entspannung sorgt. Zur Zeit lägen die Lohn- und Gehaltssteigerungen über der Teuerungsrate, was einen Kaufkraftgewinn für die Arbeitnehmerseite bedeute.

Trefelik setzt auch auf das Prinzip Hoffnung, was die Versachlichung des Dialogs über die Inflations-Messung und-Ursachenforschung  mit den anderen  Standesvertretungen  betrifft. Friede herrscht mittlerweile zwischen Lebensmittelhandel und Agrarpolitkern, der Fairnesspakt hält offensichtlich. Ja, auch mit der Arbeiterkammer sei man im Gespräch, wenngleich diese immer wieder ihre Preisdetektive ausschwärmen lässt, die den Konsumenten eine horrende Teuerung bei einzelnen Lebensmitteln suggerieren. Ihre Meldungen dienen Parlamentariern  als willkommene Propagandafutter. Ein SP-Abgeordneter bei der Inflationsdebatte im Hohen Haus: “Manner Schnitten und  Gösser Bier sind in Deutschland billiger als in Österreich“.   

Übrigens, die jüngste AK-Offensive wendet sich gegen winzig kleine Grundpreis-Angaben an den Regalen, von einer „Fuzelschrift“ ist die Rede. Aber man ist-  zarter Hoffnungsschimmer - um Differenzierung bemüht: „So ist bei Müller der Grundpreis jetzt nur mehr einen Millimeter groß. Positiv: Bei Billa, Spar, Interspar, Bipa und DM ist der Grundpreis mit vier Millimeter Schriftgröße gut lesbar“, heißt es in der Aussendung. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Grundpreisauszeichnung im Einzel- und im  C&C-Großhandel in Zeiten der „Shrinkflation“ (versteckte Preiserhöhung  durch Reduktion der Packungsinhalte seitens des Produzenten) ein wichtiger Beitrag des Handels zu erhöhter Preistransparenz für seine Kunden ist.

Institut für Österreichs Wirtschaft liefert solide Faktenbasis für Inflationsanalyse

Als Markt- und Konjunkturdaten-Vollversorger der WKO  ist, wie in  den letzten Jahren Mag. Peter Voithofer tätig, wobei seine  Firma jetzt einen neuen Namen trägt: Institut für Österreichs Wirtschaft( (Kurzform: ifow). Voithofers Faktencheck der für den Handel relevanten makroökonomischen Entwicklungen im ersten Halbjahr 2023 spiegelt die  Komplexität des Inflationsgeschehens. Gestützt auf das Datenmaterial  der Statistik Austria stellt der Marktforscher  fest:

  • Die Inflation in Österreich schwächt sich ab, liegt aber über dem EU-Durchschnitt.
  • Im  Gegensatz dazu  stiegen die Preise für Nahrungsmittel in Österreich „nur“ um  14,0%, im EU 27-Durchschnitt lag dieses Plus hingegen bei 16,9%, in Deutschland gar bei 18,1%.
  • Der Höhepunkt der Teuerungswelle ist bereits überschritten. Aber, die Inflation bleibt im Langfristvergleich auf hohem Niveau. Dabei wirken sowohl der Einzelhandel als auch der Großhandel inflationsdämpfend.
  • Die Preisrallye im Großhandel ist vorbei, es sind vor allem die Energiepreise, die die Inflation weiter anheizen.

Der WKO kann man angesichts dieses überwiegend erfreulichen Befundes nur raten: Bitte rasch weitersagen an die Politik!

Viele Fehleinschätzungen, die speziell den Lebensmitteleinzelhandel als Inflationstreiber anprangern, beruhen auf der Vernachlässigung des Aspekts der Preisauftriebskräfte, die entlang der Lieferketten wirken. Man müsse verstärkt den Blick auf die ganze Liefer- und Wertschöpfungskette werfen, um die wahren Inflationsursachen auszumachen,  fordert Trefelik. Und man darf gespannt sein, ob die Branchenerhebung der BWB, fokussiert auf den Lebensmitteleinzelhandel, die Ende Oktober vorliegen wird,  diesem  Auftrag gerecht werden  kann. 

Der Großhandel, das unbekannte  Wesen

So detailliert die Inflations-Ursachenforschung in der LEH-Branche verläuft, so amorph ist das Zahlenmaterial, das über den Großhandel, speziell in den Nonfood-Sparten vorliegt. Es gibt in Österreich 26.000 Großhändler mit 214.000 Beschäftigten, berichtet Voithofer. Der KFZ-Handel ist da nicht inkludiert. Dieser riesige Zweig der Sparte Handel setzt sich  äußerst heterogen zusammen. Und ist, sieht man vom Gastro-Großhandel ab, marktforscherisches Niemandsland. Viele Großhändler agieren auf internationaler  Ebene, weshalb  deren Umsätze  in Zeiten globaler Lie4rferketten-Engpässe und -Blockaden stark zu leiden haben. War es damals der Stau im Suezkanal, so  steht jetzt zu befürchten, dass der Niedrigwasserstand im Panama Kanal heftige Inflationsschübe zur  Folge hat.

Dass ein Preisauftrieb  auf Großhandelsebene besonders stark auf die Letztverbraucherpreise durchschlägt, ist betriebswirtschaftlich klar nachvollziehbar. Voithofer: “Während im Einzelhandel der Wareneinsatz 50 bis 55%  des Nettoumsatzes  ausmacht (Anm.: Im LEH ist die Wertschöpfung bedeutend niedriger als im Nonfood-Bereich) beträgt dieser Wert im Großhandel rund 70%.“   

Wenn in der medialen Berichterstattung vom Wettbewerb im Handel die Rede  ist, liegt  der Fokus fast ausschließlich auf dem horizontalen  Kampf um Marktanteile. Nicht minder heftig tobt jedoch der vertikale Verdrängungswettbewerb entlang der Lieferketten und da ist der Großhandel, oft  als „Zwischenhändler“ beschimpft, in einem strukturellen Dauerstress. Er muss sich gegen die Filialkonzerne, die ihre Nachfragemacht bei der Industrie entfalten,  ebenso behaupten, wie gegen die Verticals in der Modebranche (H&M) und im Möbelhandel (Ikea) sowie  die Direktvermarktungsoffensiven vieler Produzenten. Onlinehandel und Online Marketplaces wirken wie ein Sprengsatz zur Zerstörung stationärer Großhandels-Strukturen, weil die „Ausschaltung des preistreibenden Zwischenhandels“ im digitalen Zeitalter eine kinderleichte Angelegenheit ist.

Marketplace, eine kostspielige Sache?

Dieser totale Wettbewerb: Offline Handel gegen Online Handel,  Filialisten gegen Handelsketten, Vollsortimenter gegen Discounter versetzt die  WKO und ihre Funktionäre in eine schwierige Lage. Alle konkurrierenden Kräfte des Marktes sind ihre Mitglieder. Auch ein Amazon oder ein  Zalando,  ein Tedi oder ein Action, zahlen ihren Kammerbeitrag.  Entsprechend vorsichtig äußert sich Trefelik, wenn man  ihn  nach seinen Ratschlägen für die Kollegen aus dem klassischen Fachhandel fragt. Soll man sich als Modefachhändler, als „erstes Kaufhaus am Platz“ in Korneuburg oder Tulln im Marketplace von Amazon einmieten? Trefelik: Grundsätzlich eröffne der Verkauf über Marketplaces dem stationären Händler die Chance auf Zusatzumsatz. Das Problem aber seien die oft sehr hohen Provisionen. Wenn zu den Mietgebühren auch noch die Kosten für die  Logistikdienste (Lagerhaltung und Hauszustellung) anfallen, ergeben sich da Provisionssätze  von 15 bis 30%. Kommt es auf diese Weise statt zum Mehrumsatz nur zu einer Umsatzverlagerung  von stationär zu online kann die Rechnung nicht aufgehen. Wenn andererseits ein und derselbe Artikel im Laden mehr kostet als am Smartphone ausgewiesen,  hätte man als  Fachhändler Erklärungsbedarf gegenüber seiner  angestammten Kundschaft.

Umsatzchancen durch Tourismus und Kultur

Aufhellung am Konjunkturhimmel? Ja auch dafür gibt es  erste, wenn auch zarte Anzeichen. Der  internationale  Tourismus ist in  unser Land zurückgekehrt, im Besonderen betrifft das den anwachsenden Strom der  Wien-Besucher. In der Kärntner Straße, zwischen Popp & Kretschmer und Steffl wimmelt es von Touristen aus Italien, Spanien  und Frankreich. Wie man kulturinteressierte Kundschaft in den Laden lockt, das exerziert auf beispielhafte Weise  das  Steffl Kaufhaus vor. Es beherbergt nicht nur eine historisch wertvolle Mozart-Gedenkstätte, einzigartig in der globalen Handelsszene. In den Schaufenstern und in den Etagen des  Hauses ist zurzeit  eine Ausstellung mit Plakatkunst vom Feinsten zu bewundern. Eigentümer des Steffl ist Hans Schmid,  Er ist nicht nur Wiens größter Winzer (sein Betrieb verfügt über mehr als  70 Hektar Rebfläche), sondern  genießt in der Markenartikelszene den Ruf einer Werberlegende. Als  langjähriger Österreich-Chef der Schweizer Werbeagentur GGK zeichnete Schmid seinerzeit für die  wegweisenden Kampagnen von Palmers und Römerquelle verantwortlich. Wenn René Benko in zwei Jahren seine Lamarr Einkaufsgalerie  in der Mariahilferstraße aufmacht, kann sich seine Signa, was die authentische Vermittlung von Wien-Kultur betrifft, an Häusern wie dem Steffl oder Popp & Kretschmer (dem Opernball-Modespezialisten) ein Beispiel nehmen…

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geschrieben am

01.09.2023