Gastro-Großhändler im Dauer-Wahlkampf
"Wir können uns der Kundenanfragen nicht erwehren", meinte Christof Kastner euphorisch anlässlich der Jahresauftakt-Pressekonferenz auf Anfrage von retailreport.at. Der Chef des in vielen Sparten engagierten Zwettler Familienunternehmens nahm damit Bezug auf den Wettlauf der heimischen Gastro-Großhändler um Tausende von Wirten und Restaurant-Betreibern, die ihren Lebensmittel- und Getränke-Bedarf bislang hauptsächlich bei AGM-Märkten und deren Zustelldiensten tätigten. Diesen Kundenstock in möglichst hohem Ausmaß den sieben ehemaligen AGM-Abhol- und Zustell-Großhandlungen zuzuführen, ist das ökonomische Kalkül des Metro-Rewe-Deals. Wobei die beiden Vertragspartner Stillschweigen über die Höhe des Kaufpreises vereinbarten.
Entgegen anders lautenden Branchengerüchten, legt man seitens Metro Österreich großen Wert auf die Feststellung, das eine Umfirmierung der von Rewe/Adeg übernommenen AGM-Betriebe (ergänze: auf die Marke Metro) mittelfristig nicht vorgesehen ist. Die Begründung klingt plausibel: AGM genieße ob seines, auf den Kundenkreis der jeweiligen Standorte maßgeschneiderten Sortiments und Serviceangebots einen ausgezeichneten Ruf. Mit der Beibehaltung der Marke AGM, so wurde uns aus Vösendorf mitgeteilt, will Metro den Kunden signalisieren, dass man als neuer Eigentümer die regionalen Stärken der AGM Betriebe und deren differenziertes Leistungsangebot weiterhin pflegen und auch ausbauen will.
Familienunternehmen gegen Foodservice-Konzerne
Mitbewerber sehen das natürlich aus einer anderen Perspektive. So spricht Kastner, dessen Gastro-GH-Sparte eine Zustellquote von rund 60% aufweist, von einem Wettbewerb, der zwischen österreichischen Familienunternehmen und zwei internationalen Foodservice-Konzernen ausgetragen wird. Gemeint sind Metro mit Headquarter in Düsseldorf und Transgourmet mit Hauptsitz in Zürich. In Österreich wie in Deutschland duellieren sich Metro und die Coop Schweiz-Tochter Transgourmet um die Marktführerschaft im Foodservice-Großhandel. Metro vor Transgourmet lautet das Ranking in D, Transgourmet vor Metro, so stand es bislang in dem Kampf um den Meistertitel im heimischen Gastro-GH. Aus dem Zweikampf zwischen Metro und Transgourmet ist seit ein paar Monaten ein Dreikampf geworden. Weil die Eurogast-Verbundgruppe durch den Neuzugang der fünf AGM-Betriebe der im Eigentum von Adeg Großkaufleuten befindlichen Adeg Zell am See (neuer Name: Alpin Gastro) im Jahr 2022 auf ein Umsatzvolumen von rund 500 Millionen Euro angewachsen ist. Bei Eurogast spielt das Handelshaus Kiennast eine führende Rolle, stellen doch die Garser mit Alexander Kiennast auch einen der beiden Geschäftsführer.
Marktführerschaft: Messlatte liegt bei 500 Millionen Euro
Zum Vergleich: Transgourmet meldete 2021 einen Umsatz 492 Mio Euro und wird Anfang März die Erlöse 2022 veröffentlichen. Wer mutmaßt, dass die Trauner im letzten Jahr die 500 Millionen-Marke dank einer beherzten Expansion klar überschritten haben, dürfte nicht falsch liegen. Metro Österreich gab für das jüngste Geschäftsjahr, das per 30. September 2022 endete, einen Umsatz von 839 Millionen Euro bekannt. Weil aber beim C&C-Urgestein das Geschäft mit der Gastronomie bislang einen deutlich niedrigen Beitrag zum Gesamtumsatz leistete, als das bei den anderen Gastro-Großhändlern der Fall ist, konnte Metro bis 2021 nicht den Anspruch der Marktführerschaft im rot weißroten Gastro-GH erheben. Zur Erinnerung: Die Spar Österreich Holding hält als Gesellschafterin von Metro Österreich unverändert einen Anteil von 27%.
Pikanterie am Rande: Sowohl die Eurogast-Gruppe als auch Transgourmet greifen beschaffungsseitig auf die Dienste des Top Team Zentraleinkaufs zurück. Beide Mitbewerber sind auch Mitglieder der Markant Österreich und bedienen sich deren Dienstleistungen bei der Zentralregulierung von Lieferanten-Rechnungen. Nicht bei Top Team an Bord sind hingegen die Markant-Mitglieder Kastner, Wedl und Berger. Metro hingegen wickelt Zentralregulierungen mit der Industrie gemeinsam mit der Spar über das EKS (Einkaufskontor Salzburg) ab.
Wettlauf um Gastro-Zustellkunden
Beherrschte in den letzten Jahren das Gerangel um die Marktführerschaft im LEH, aus dem die Spar als Siegerin hervorging, das Branchengeschehen, so könnte heuer der Kampf um den Meistertitel im Gastro-Großhandel auf großes Interesse bei den Lieferanten wie bei den Kunden sorgen. Eine Option zur Ausschaltung des Gastro-GH ist die Direktbelieferung der Gaststätten durch die Produzenten. Manche Brauereien und Winzer machen davon regen Gebrauch. Der Papierform nach hat sich die Ausgangssituation der Metro durch den vom Kartellgericht, wenn auch mit Einschränkungen und Auflagen versehenem, genehmigten AGM-Deal massiv verbessert. In der Wettbewerbspraxis aber hängt das tatsächliche Ausmaß des Metro-Marktanteilszuwachses im Gastro-GH wesentlich davon ab, inwieweit es der Metro gelingt, die bisherigen AGM-Zustellkunden bei der Stange zu halten.
In der Branche kletterte der Umsatzanteil der Gastro-Zustelldienste über die 60%-Marke, Tendenz weiterhin steigend. Metro lag bislang deutlich darunter, die AGM-Betriebe jedoch über dem Branchenschnitt. Die Firma Kröswang mit Sitz in Grieskirchen (OÖ), ein sehr erfolgreicher Gastro-Großhändler, setzt zu 100% auf Zustellung. Gegenüber der ÖGZ sagte Firmenchef Manfred Kröswang im Herbst 22: "Wir haben noch nie so viele Neukunden gewonnen, wie in diesem Jahr" und begründet diesen Erfolg mit dem besonders preisgünstigen Angebot an gekühlten und tiefgekühlten Lebensmitteln.
Wer ist der beste Gastro-Onlinehändler?
Zu den Besonderheiten des Gastro-Zustellgroßhandels zählt der hohe Digitalisierungsgrad. "Mehr als 50% der Bestellungen aus der Gastronomie erhalten wir Online", erklärt Kastner. Gedruckte Ordersätze gehören der Vergangenheit an, die telefonische Bestellannahme wird tendenziell zum Auslaufmodell. Auch der Verkauf über Saisonmessen funktioniert hybrid. Das Online-Angebot von zig Tausenden Artikeln, die Qualität der Navigation durch dieses riesige Web-Angebot, die Gestaltung der Promotions, maßgeschneidert auf den Bedarf der sehr unterschiedlichen Gastronomie-Typen, vom Haubenrestaurant bis zur Skihütte, diese Komplexität stellt die IT-Architektur der Großhändler und die IT-Qualifikation ihrer Manager vor große Herausforderungen und ist somit ein bedeutender Wettbewerbsfaktor. Übrigens, die Coop Schweiz meldet für 2022 im Online-Großhandel ein Umsatzplus von 55,1% gegenüber 2021, ein Wert, der auch das europäische Transgourmet-Geschäft mit einschließt.
Standort-Expansion läuft weiter
Nach dem Konzentrationsschub 2022 stehen auch 2023 umfangreiche Expansionsprojekte auf der Agenda heimischer Gastro-GH-Manager. Transgourmet kämpft, wie berichtet, um den dritten Standort in der Bundeshauptstadt am Gelände der West-Autobahn-Abfahrt Wien-Auhof. Bevor der AGM-Standort in Klagenfurt in Betrieb geht, sind umfangreiche Umbauarbeiten erforderlich, so dass der neue Transgourmet in der Kärntner Landeshauptstadt erst 2024 ans Netz gehen wird. Der Salzburger Pinzgau, attraktiv als Winter- und Sommer-Fremdenverkehrsregion bleibt weiterhin ein weißer Fleck und damit ein Wunsch-Standort auf der Expansions-Landkarte von Metro. Kastner gelang der Vorstoß nach Kärnten mit der bereits vollzogenen Umrüstung des AGM Abholmarktes samt Zustell-Abteilung, den man von der Adeg Wolfsberg übernehmen konnte. Der AGM-Abholmarkt im Raum Klopeinersee, ein Saisonbetrieb, war seitens der Adeg Wolfsberg schon vor dem Deal mit Kastner stillgelegt worden.
Bei welchem Großhändler ein Wirt heuer seinen Bedarf an Food & Drink-und Nonfood-Artikeln decken wird, dürfte in hohem Maße auch von der Preis- und Promotion-Politik des Partners abhängig sein. Rundum-Service in Zeiten wie diesen bedeutet, dem Kunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn es darum geht, geeignete Maßnahmen gegen die anhaltende Inflation bei Lebensmitteln und gegen die Kostensteigerungen bei der Energie und beim Personal zu ergreifen. Und zugleich mit regionalen Kulinarik-Schmankerln aufzuwarten. Na dann: Mahlzeit!