Fairplay jetzt wichtiger denn je
Das Programm des Handelskolloquiums war vielseitig in den Vortragenden, doch dominierte ein Thema den virtuellen Tag, an dem rund 500 Teilnehmer lauschten: Corona und online. Granden der heimischen Handelsbranche diskutierten mit den Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik über nachhaltige Standortplanung, innovative Logistik, die Payment-Lösungen der Zukunft, die Auswirkungen der COVID-Krise auf den österreichischen Handel, eine faire Besteuerung der internationalen eCommerce-Plattformen wie Amazon & Co, die Vorteile der digitalen Identität, disruptive Startups und vieles mehr. Moderiert wurde das Event von PULS 4 News-Anchor Werner Sejka.
Mediashop-CEO Katharina Schneider, die Werner Wutscher im Handelsverband als Zuständigen für Start Ups ablöst, gab in ihrer Ansprache einen spannenden Einblick in die Welt der Retail-Startups. Sie plädierte immer wieder, Vertriebskanäle miteinander zu verknüpfen.
NiceShops-Gründer Roland Fink diskutierte gemeinsam mit Tabea Fian (TU Wien) und KMU-Botschafter Markus Miklautsch (edvART.com) über digitale Plattformen als Erfolgsfaktor. Roland Fink betreibt mit niceshops erfolgreich rund 40 Onlineshops. Er setzt mit seinem Konzept auf „Nischenprodukte“. Er sieht in Zukunft ein neues Verständnis für Handel heranwachsen: in Produkten, aber auch in der Belieferung.
Julia Stone (Billa), Florian Burgstaller (Shopreme), Maimuna Mosser (IKEA Österreich), Walter Wölfler und Martin Ofner (beide CBRE) sorgten mit ihren Projektpräsentationen ebenso für Begeisterung wie das Payment-Podium rund um Harald Flatscher (PSA), Christian Rau (Mastercard), Gerald S. Eder (CRIF) und Matthias Stöcher (MeineSichereID).
Sehr spannend gestaltete sich der Vortrag von Georg Müller, Geschäftsführer, THEWAY Development GmbH. Quasi als Seismograph für die Herausforderungen des Handels und immer auf der Suche nach Neuem entwickelte er gemeinsam mit Partnern das Projekt THEWAY – THE REBIRTH OF RETAIL, dessen Ziel es ist dem in der Stadt niedergelassenen Handel eine gemeinschaftlich genutzte Logistikplattform zur Verfügung zu stellen, um endlich Augenhöhe mit Amazon, Zalando & Co. zu ermöglichen. Er spricht vom digitalen Dorf, von urban Hubs, die den Konsumenten versorgen – nicht einzeln, sondern gemeinsam werden die Waren zugestellt. Erste Zukunftsgespräche mit Stadtplaneren und Händlern dürfte es bereits geben.
Im Rahmen der traditionellen Startup Session unter der Schirmherrschaft von Werner Wutscher (NVS) und Roman Schwarzenecker (ACSP) konnten heuer die Gründerinnen und Gründer von Alpengummi, Sindbad, Hackabu, Swarm Analytics und blaenk ihre Lösungen pitchen.
Wissenschaftspreis des österreichischen Handels
Einer der Höhepunkte der virtuellen Konferenz war die erstmalige Verleihung des mit 7.000 Euro dotierten Wissenschaftspreises des österreichischen Handels für herausragende wissenschaftliche Publikationen, die eine hochgradige Relevanz für die Handelsbranche aufweisen. Der Preis wurde von einer 6-köpfigen Jury unter dem Vorsitz von Utho Creusen in drei Kategorien (Dissertation, Masterarbeit, Bachelorarbeit) vergeben.
In der Kategorie "Dissertation" holte sich Fabian Nindl von der WU Wien für seine Doktorarbeit "From Ownership to Access - changing costumer attitudes in sports retailing" den Sieg. Helena Kurevija (FH Burgenland) konnte sich für ihre Thesis "Das Einkaufsverhalten und Einkaufserleben im Drogeriefachhandel" den ersten Rang in der Kategorie "Masterarbeit" sichern. Als beste "Bachelorarbeit" des Jahres wurde "Die Psychologie des Besitzes - Sharing als Geschäftsmodell" von Stephanie Unterberger (FH Salzburg) ausgezeichnet. Die Einreichfrist für den Handelsverband Wissenschaftspreis 2021 startet am 1. Jänner 2021.
Politisch alleingelassen
Die Abschluss Key Note von Dr. Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzenden der Spar, war geprägt von klaren Worten, die eventuell manchem in der Kehle stecken bleiben könnten. Er sieht den Handel politisch alleine gelassen, allerdings den heimischen Handel. Für ihn ist dieser die wichtige Basis, der heimische Handel schafft Arbeitsplätze in großem Ausmaß. Und das bei einer geringen Rendite. Er rät den Händlern, dass sie in harten Zeiten wie diesen nicht auf Hilfe mancher Organisationen und der Politik warten, sondern sich selbst helfen, wo es möglich ist. Der Händler sei ein Spezies, die sich dem Wandel anpassen kann. Zudem wäre es hoch an der Zeit nicht mehr zwischen online- und stationärem Handel zu unterscheiden, sondern die Begrifflichkeiten klar zu stellen: es gehe in Wahrheit um Präsenzhandel und Distanzhandel. Alleine diese beiden Begriffe sagen schon so viel über die Art des Handels aus. Mut zu Investitionen und Marktoffensiven sollen den Handel vorantreiben. Bei der Spar haben diese Aktivitäten viel gebracht: 11 Mal Wachstumsführer in den letzten Jahren und 2020 das erste Mal Marktführer in Österreich. Dazu kommt eine Umsatzrendite von 3%.
Für Gerhard Drexel ist es auch ganz wichtig, dass Händler nicht nur in 4-5jährigen „Legislaturperioden“ denken, sondern langfristig planen. Händler müssen der MasterMind zwischen Politik und Konsument sein: der Anwalt des Konsumenten, ein Korrektiv bei besorgniserregenden Entwicklungen (ZB Mercosur), prälegislativer Gestalter sein, sowie Initiator bei gesundheitspolitischen Maßnahmen.
By the way: Spar blickt auf das erfolgreichste Jahr in der Geschichte urück: 15% im Umsatz über dem Vorjahr, bei den Eigenmarken noch stärker. Bei der Eigenmarke Natur pur wuchs man um 27%, bei Spar Premium um 24%.