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Bericht zum Handel 2023 in der WKO: v.l.: Peter Voithofer, Rainer Trefelik, Iris Thalbauer

Handel 2024: Ist der Wendepunkt erreicht?

2023 war für den Handel schwieriger als gedacht und auch das Weihnachtsgeschäft konnte die Verluste nicht wettmachen.

Bilanz zog die Handelssparte der WKO über das Jahr 2023. Obmann Rainer Trefelik, Geschäftsführerin Iris Thalbauer und Handelsforscher vom iföw Peter Voithofer haben das herausfordernde letzte Jahr nach Umsatz und Absatz im Handel analysiert. Ernüchternd ist, dass man genau vor einem Jahr noch annahm, dass die Wende zum Besseren eintritt – sie kam aber erst mit Beginn des Jahres 2024.

Zu den Ergebnissen

Der gesamte österreichische Handel verzeichnete 2023 ein nominelles Umsatzminus von 0,4% gegenüber 2022. Berücksichtigt man die Preisentwicklung, lag der reale Rückgang sogar bei -3,4%. Peter Voithofer: Konkret ergab seine Analyse auf Basis der Statistik Austria-Daten, dass der Einzelhandel zwar ein nominelles Umsatzwachstum von +3,0 % auf insgesamt rund € 86,2 Milliarden Euro (netto) erwirtschaften konnte, preisbereinigt bedeutet dies jedoch ein reales Konjunkturminus von -3,4 %. Das sinkende Absatzvolumen findet sich vor allem im Non Food-Handel. „Das entspricht dem stärksten Rückgang der letzten Dekade“, so Voithofer. Im Großhandel fiel der reale Umsatzrückgang mit -5,3 % auf einen Nettoumsatz von rund 187,8 Milliarden Euro sogar noch größer aus – und dies auch bei einem sinkenden Großhandelspreisindex. Doch: die Konjunkturverläufe der einzelnen Handelssektoren waren höchst unterschiedlich, sowohl bei den Umsätzen als auch bei den Preisentwicklungen. Das höchste nominelle Wachstum erzielte der Lebensmitteleinzelhandel (+8,3 %). Real fällt die Konjunkturentwicklung aber auch hier negativ aus (-1,0 %). Ein kleines reales Plus (+1 %) erreichte lediglich der Bekleidungseinzelhandel, der damit erstmals wieder an das Vorkrisenniveau anschließen konnte. Viele andere Branchen wie der Schmuckhandel, der Spielwarenhandel, der Möbelhandel sowie der Einzelhandel mit Büchern/Zeitschriften liegen noch unter dem Umsatzniveau von 2019.Auch der Online-Handel ist um 2,4% zurückgegangen.

Der Wunsch ans Christkind die Umsätze zu Weihnachten noch einmal so richtig anzukurbeln, ging jedenfalls nicht in Erfüllung. Der Dezember war ein Spiegelbild des Jahres und blieb auch ein reales Minus grosso modo für den Handel. So manche halfen sich über einen hohen Warendruck weiter, gingen dann in den „Sale“ und verloren somit wieder an Rentabilität

Rentabilität ließ ebenfalls zu wünschen übrig

Laut eines Arbeiterkammer-Branchenreports, der 2023 verfasst wurde, hat der Handel an Gewinnmarge verloren und liegt über alles gesehen bei 1,35%. Der AK-Branchenreport verzeichnet für die Industrie ein EBIT von 5,1%. Das ist zwar höher als im Handel, aber auch niedriger als erwartet. Dazu kommt, dass die abgeschlossenen Lohnsteigerungen (KV-Verhandlungen) nicht 1:1 in den Handel fließen, sondern in Urlaube, Gastronomie und ähnliches. Das IHS sagt, dass 1/3 der Lohnerhöhungen wieder in den Handel fließen.

Hohe Kosten – mit Ideen am Ende

Was den Händlern besonders weh tut, sind die hohen Fixkosten, wie Miete, Energie, aber auch die gestiegenen Lohnkosten. Innerbetrieblich ist man – so der Handelsobmann – vor allem im stationären Bereich total ausgereizt, was Kostenoptimierungen anbelangt. An vielen Schrauben wurde gedreht, um die Kosten zu senken. Aktuell steht bei manchen Händlern die Reduzierung von Verkaufsfläche im Raum, diese Lösung ist aber eine Spirale nach unten, weil sich der Kunde ein Einkaufserlebnis wünscht. Dazu kommt das niedrige EBIT: wenn es wie bei den erwähnten 1,35% liegt, so kann der Händler die Erhöhung der Kosten nicht mehr tragen, sondern muss diese dann an die Konsumenten weitergeben. Auch wenn sich die Inflation halbieren wird, so ist sie nach wie vor im Steigen und die Preise liegen weit über 2019. Österreich liegt im Durchschnitt bei 7,7%, wenn man die EU-27 betrachtet. Nur Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln, Alkoholischen Getränken und Verkehr fallen in Österreich geringer aus als der EU-Durschnitt (Österreich 11%, EU: 12,6% bei Nahrungsmittel).

Die Folge der hohen Kosten ist frappant: viele Händler schließen. In Summe waren im Vorjahr 944 Handelsunternehmen insolvent - ein Anstieg um +14,3 % gegenüber 2022. Besonders betroffen war der Einzelhandel. Allerdings gab es (inklusive der Insolvenzen) seit 2021 10.000 Schließungen im Handel. Das ist ein Plus von 75%. Dazu kommt, dass die Effekte der hohen Kosten und abnehmenden Umsätze erst noch in näherer Zukunft zu weiteren Insolvenzen führen wird.

Handel als Arbeitgeber

Corona war für den Arbeitsmarkt eine Zäsur. Seither arbeiten die Österreicher und Österreicherinnen um 2 Stunden pro Woche weniger als damals. Bei Männern sind es im Durchschnitt -1,9 Stunden, bei Frauen -1,1 Stunden. Eine Frau arbeitet im Durchschnitt in Österreich 26 Stunden pro Woche, ein Mann 33,4 Stunden. Das Modell Teilzeit ist beliebter denn je, wird aber in Zukunft in der Menge zu wirtschaftlichen Problemen führen.

Insgesamt erhöhten sich im Handel die Personalkosten in den letzten zwei Jahren von 7,4% auf 8,4% der Kosten eines Händlers. Die Herausforderung der „modernen Arbeitsgesellschaft“, liegt beim Händler, der mit Planbarkeiten und Volatilitäten am Arbeitsmarkt zu kämpfen hat.

Dennoch: Wer im Handel beschäftigt ist, bleibt übrigens in den allermeisten Fällen sehr gerne in der Branche: Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) im Auftrag der WKÖ-Bundessparte Handel ergab, bezeichnen acht von zehn Einzelhandelsmitarbeitern ihren Job als attraktiv. Auch sind mehr als die Hälfte länger als fünf Jahre und rund ein Drittel über zehn Jahre im selben Unternehmen tätig.

Die Zukunft: Wunsch nach Bürokratie-Abbau

Die größte Hürde scheint vorbei zu sein und die Konsumlaune und Stimmung in der Gesellschaft scheint sich verbessert zu haben. Aber es liegt noch viel Arbeit vor den Vertretern des Handels, die eine überdimensionale Überregulierung innerhalb der EU abbauen wollen. „Es muss Schluss sein mit den exorbitanten Kostensteigerungen der letzten Jahre. Wir brauchen Energiesicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen und eine Senkung der Lohnnebenkosten - auch, um die Lohnkostensteigerungen ein wenig zu kompensieren“, so Trefelik. Zudem fordert er, dass es attraktiver werden muss, Vollzeit zu arbeiten sowie strengere Kontrollen, was Einfuhren aus Drittländern betrifft: „Die EU hat hier rechtlich für mehr Fairness gesorgt, indem unter anderem die 22 Euro-Grenze der Einfuhrumsatzsteuer für Importe aus Drittländern weggefallen ist. Als nächster Schritt soll der Entfall der 150 Euro-Zollfreigrenze folgen. Aber ohne entsprechende Kontrollen ist das zahnlos, wenn zum Beispiel eine asiatische Plattform den wahren Warenwert nicht richtig deklariert und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Anbietern verschafft“, kritisiert Trefelik.

Dringend nötig sei zudem ein Abbau der Bürokratie, wie Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel ergänzt: „Anstatt dass es hier zu einer Entlastung kommt, haben Handelsunternehmen mit immer mehr bürokratischen Hürden zu kämpfen. Derzeit werden von der EU zahlreiche Rechtsakte auf den Weg gebracht, die alle dasselbe Ziel haben, Klimaschutz und Einhaltung der Menschenrechte. In der Pipeline sind unter anderem das Lieferkettengesetz, die Entwaldungsverordnung, die EU-Taxonomieverordnung oder die Verordnung über das Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten. Die Bundessparte Handel bekennt sich zu den Zielen der EU und unterstützt diese. Die Problematik liegt darin, dass alle Rechtsakte komplett inkohärent sind, die Systematik und Methodik sind in jeder Vorschrift anders und die Unternehmen sind mit einer Flut von unterschiedlichen bürokratischen Aufzeichnungs-, Überwachungs- und Kontrollverpflichtungen konfrontiert. Hier muss man dringend abspecken und die Betriebe wieder ihre eigentliche Arbeit machen lassen“, sagt Thalbauer.

Dr. Rainer Trefelik und Mag. Iris Thalbauer

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geschrieben am

21.02.2024