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Dystopie Digital Leadership II

Fritz Seher zieht seine Kreise rund um die neue künstliche Intelligenz.

Spannend! Bisher war ich als Therapeut,  Seelsorger, Beichtvater, Lebensberater und anderes mehr für meine 60 Mitarbeiter tätig. Die klassische Führungskraft! Das hat sich geändert. Meine Abteilung ist geschrumpft. Ich führe jetzt sechs „Mitarbeiter“ – humanoide Typen. Dazu habe ich mich „reskillen“ müssen: ein Schnellsiedekurs in IT und Mechatronik und die Uni-Lehrgänge in Maschinenethik und Roboterpsychologie. 

Die neuen Mitarbeiter, ich habe  ihnen menschliche Namen wie Rudi, Hans-Joachim oder Franz gegeben, sind selbstlernende Maschinen. Vergessen sind alle erlernten Führungsinstrumente und -mittel. Kein Zuckerbrot und Peitsche mehr. Kein zwischenmenschlicher Ärger, Intrigen, Burn-outs etc. mehr. 24 Stunden Tag! Und das auf 60 statt bisher 600 m2! Und meine physische Präsenz ist nicht mehr zwingend notwendig – es lebe das home-office.

Es gelten ganz neue Regeln. Diese waren für die künstliche Intelligenz meiner neuer Mitarbeiter nicht leicht zu definieren. Alles, was sinnentleerte Verwaltungsarbeit und repetitiv ist, kann ich nahezu unkontrolliert delegieren. Dazu kommt alles, was ein Mensch binnen Sekunden zweifelsfrei entscheiden kann. Wir halten algorithmisch derzeit bei Sekunden. Das Moravec´sche Paradox ( verkürzt: Kniffliges ist leicht, Banales schwer ) kommt voll zum Tragen. Komplexere Themen und Entscheidungen, die beispielsweise unternehmenskulturellen oder politischen Hintergrund haben, arbeiten meine  „Mechanauten“ zwar ab, erstellen aber nur eine  große Anzahl vielfältiger Alternativen. Da bin wieder ich gefragt und habe die Letztentscheidung. Auf niedriger Sicherheitsstufe bin ich auch berechtigt, gut dokumentiert, kleine algorithmische Eingriffe vorzunehmen und die Leute von Cyborg Inc. zu rufen.

Was fehlt, ist das Zwischenmenschliche. Ich meine damit nicht das Feierabendbier, die Betriebsausflüge und Weihnachtsfeiern. Ich meine die Empathie, das Wir-Gefühl, die gemeinsamen Erfolgserlebnisse. Aber daran arbeiten wir. Ein Team aus Verhaltensökonomen, Psychiatern, und Experten aus affinen Fächern ( Pädagogen, Philosophen und Mediziner ) haben einen Projektauftrag, Arbeitstitel: „KEI“. Meine Mitarbeiter sollen KünstlicheEmotionale Intelligenz  lernen. Sie sollen fähig gemacht werden, mich oder ein anderes menschliches Gegenüber in allen möglichen Facetten (Persönlichkeitsmerkmale, Gefühle, Emotionen etc...) zu erfassen, zu verstehen und darauf zu reagieren.

Im Hintergrund läuft alles auf einen Diskurs zwischen Emboidmentianer und Transhumanisten zu. Die einen argumentieren (verkürzt): eine Person braucht Bewusstsein und Bewusstsein braucht einen Körper, der chemisch/physikalisch arbeitet. Daher kann ein Roboter niemals eine Person sein. Die Transhumanisten bezeichnen Roboter bereits heute  als Persönlichkeiten und ihr Ruf nach Persönlichkeitsrechten für Roboter wird lauter.

Willkommen in der schönen(?), neuen(!) Welt.

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geschrieben am

10.10.2018