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Mag. Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender der VIVATIS Holding AG

Hackl: „Politik muss wach werden“

Mag. Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender der VIVATIS Holding AG, im Gespräch über aktuelle Rahmenbedingungen und Herausforderungen als Unternehmer in Österreich.

Retailreport.at: Wie ist es der VIVATIS 2024 ergangen? Wie haben sich die einzelnen Geschäftsbereiche entwickelt?

Mag. Gerald Hackl: Das Jahr 2024 war für uns durchaus zufriedenstellend. Die Rahmenbedingungen waren zwar extrem herausfordernd und mühsam, denn unsere Geschäftstätigkeiten waren, wie auch schon in den Vorjahren, stark von Kostensteigerungen und Inflation geprägt. Aber alles in allem sind wir gut durch die Krisen der letzten Jahre gekommen.
Die Kostensteigerungen haben wir vor allem bei Rohstoffen, Energie, Logistik und Personal gespürt. Bereits 2023 hatten wir Mehrkosten in Höhe von 160-170 Mio. Euro. Und auch 2024 waren es rund 50-60 Mio. Euro Mehrkosten zum Jahr davor, hauptsächlich aufgrund gestiegener Lohn- und Gehaltskosten. Das sind erhebliche Beträge, die man zuerst einmal erwirtschaften muss. Unser Umsatz lag im vorigen Jahr bei 1,35 Mrd. Euro mit rund 4100 Mitarbeitenden. Rückblickend kann man sagen, dass wir unseren Umsatz in den letzten fünf bis sechs Jahren verdoppelt haben. Das kommt auch durch die Investitionen zustande, die sich in den letzten 5 Jahren auf über 350 Mio. Euro beliefen.

Das bedeutet die einzelnen Geschäftsbereiche haben sich gut entwickelt?

Die Entwicklung der einzelnen Geschäftsfelder ist differenziert zu sehen. Nehmen wir unsere Verpflegungs- und Gastro-Schiene Gourmet, zu der auch Gerstner gehört. Gourmet versorgt alleine im Bereich Business Catering rund 3000 Betriebe mit Essen, alleine 400 davon sind im letzten Jahr dazugekommen. Hier liefern wir je nach Betriebsgröße von 20 bis mehrere tausend Essen pro Tag. Warum Gourmet immer beliebter wird, ist ganz einfach erklärt: zum einen, weil sich das Unternehmen als Top-Qualitätsanbieter in der Branche etabliert hat, mit einem hochwertigen, kontinuierlich wachsenden Speisensortiment, das bei den Kunden sehr beliebt ist. Zum anderen kommt uns die Schließung zahlreicher Gastronomiebetriebe zugute. Durch den Kauf der SV Österreich GmbH sind hier im Vorjahr zusätzlich rund 50 Standorte dazugekommen.
Mit Gourmet möchten wir in den nächsten 3 Jahren auch in Deutschland um rund 60-80 Mio. Euro wachsen. Auch dort ist das Thema Bio – so wie  in Österreich – ein starker Treiber.
Gerstner performt ebenfalls sehr gut. Der gesamte Gastro-Bereich in der VIVATIS-Gruppe ist insgesamt für rund 70 Mio. € Umsatz verantwortlich.

Zufriedenstellend entwickelt, trotz spürbarer Konsumzurückhaltung, haben wir uns auch mit Karnerta. Hier dürfen wir zahlreiche namhafte Gastronomiekunden und Hotels in ganz Österreich mit hochwertigen Fleischprodukten versorgen. In der Teigwarensparte setzt das Traditionsunternehmen nun auch auf rein pflanzenbasierte Teigwaren.

Ist es um Wojnar etwas still geworden?

Das würde ich so nicht sagen. Wir haben mit der Übernahme 2021 einen umfangreichen Integrationsprozess gestartet. Es wurde viel restrukturiert. Standort, Sortiment, Produktentwicklung, Markenrelaunch, Organisation und einiges mehr standen dabei im Fokus. Das kostet Zeit und Geld, lohnt sich aber. Heuer starten wir mit einigen neuen Produktideen durch und wollen in den nächsten Jahren auch in Deutschland wachsen und einiges bewegen.

Wie steht es um Maresi in Österreich und im Ausland und die restlichen Töchter?

Maresi hat sich sehr gut entwickelt, ganz besonders im Ausland. Marken wie ShanShi, Knabbernossi, Inzersdorfer und Maresi sind Allzeit-Hoch-Marken, die bei den Konsument:innen sehr beliebt sind. Von den rund 180 Mio. Euro Umsatz machen wir circa die Hälfte im Ausland, d.h. in Tschechien, Ungarn, Slowakei und Rumänien. Für die Zukunft nehmen wir auch neue Märkte wie Slowenien und Kroatien in den Fokus.

Mit Senna sind wir aus dem Lebensmittelhandel und dem Diskont rausgegangen und konzentrieren uns mit unseren Spezialfetten und Margarinen auf den b2b Bereich. 60% des Geschäftes machen wir im Ausland – Italien, Ungarn, Deutschland, Tschechien….

Und Weinbergmaier, der die Konsumzurückhaltung in der Gastro ebenfalls stark zu spüren bekommt, will nun auch im Lebensmitteleinzelhandel sowie im Ausland verstärkt Fuß fassen. Im Dienstleistungssektor haben Tiefkühllogistiker Daily und PUREA als Zulieferer für die Tiernahrungsbranche ebenfalls enormes Potenzial in der Zukunft.

Die vorhin erwähnte Konsumzurückhaltung spüren wir aber alle. Hier werde ich politisch: die 60-70 Mio. Euro Mehr an Gehaltskosten, die alleine nur die VIVATIS pro Jahr ausbezahlt, sind bei den Menschen gedanklich nicht angekommen. Das ist ja nicht nur bei uns so, sondern in ganz Österreich. Es wird einfach weniger ausgegeben.

Damit sind wir schon beim nächsten wichtigen Thema, das ein Unternehmen Ihrer Größe sehr betrifft – die Bürokratie. Wie geht man damit um?

Vieles ist schon wichtig und richtig, inhaltlich gesehen, aber das Wie, die Umsetzung mit der überbordenden Berichterstattung ist ein Wahnsinn. Ein Aufwand, der niemanden etwas bringt und nur die Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinträchtigt. Das alles führt neben den vielen anderen negativen Themen – wie der Ukraine Krieg, die geopolitischen Änderungen durch die Trump-Ära,….einfach zu einer großen Verunsicherung und Negativstimmung bei den Menschen. Nun wird zumindest die EU wach. Vor Jahrzehnten sprach man von der EU als Friedens- und Wirtschaftsunion, heute ist sie eine Verwaltungsunion. Wir verlieren kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit und bräuchten dringend mehr Zusammenhalt und Unterstützung.

Wirkt sich das Thema auch auf die VIVATIS aus?

Selbstverständlich! Nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit und die dazugehörigen Regularien. Wir haben in der Gruppe 15 Nachhaltigkeits-Manager:innen, die den Großteil ihrer Arbeit mit Listen schreiben und Bürokratie verbringen. Das ist doch nicht sinnvoll. Inhaltlich finde ich, dass sehr viele Themen wichtig sind, aber wir müssen es auch richtig angehen und die Unternehmen entlasten statt belasten!  Nehmen wir als Beispiel das Lieferkettengrundgesetz: warum können die notwendigen Infos nicht gesammelt über eine zentrale Stelle in Brüssel abgerufen werden, damit dass nicht jeder einzeln tun muss – was ein immenser Aufwand ist, und enorme Kosten verursacht. Die EU muss endlich wach werden!

Wie steht es mit den direkten Kosten, die in Österreich steigen?

Wenn Sie Rohstoffe meinen, so hatten wir in den letzten Jahren enorme Steigerungen. Das hat sich etwas beruhigt. Wir als VIVATIS sourcen wo immer es irgendwie möglich ist aus Österreich. Dazu stehen wir, auch wenn es teurer ist. Wir haben jährliche Kontrakte. Zusammengefasst kann man sagen, dass wir trotz aller Widrigkeiten in Wachstum und Betriebe investieren, aber wir wollen auch Geld verdienen, damit wir wieder investieren können. In Zukunftsthemen, wie wir es bei der Insektenzuchtanlage in Andorf unseres Start-Ups ECOFLY, die Proteine für Tiernahrung liefern, gemacht haben.
Abschließend hoffe ich, dass eine Arbeitsmarktreform kommt, die den Faktor Arbeit für Unternehmen wieder leistbar macht, und dass die Unsicherheiten abnehmen – zum Wohle unserer Gesellschaft.

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geschrieben am

20.03.2025