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Die Zustell-Profis schlagen zu

GastroPanel: Die Zustell-Profis schlagen zu

Hanspeter Madlberger durchleuchtet mit Hilfe von Gastro Data den Gastro-Großhandel im 1. Halbjahr 2023.

Im ersten Halbjahr  2023 stiegen die Zustellumsätze des heimischen Gastro Großhandels um 22,2% und damit in einem spektakulären Ausmaß. Die C&C Abholumsätze hingegen legten in diesem Zeitraum nur um 5,4% zu, was angesichts der hohen Inflation einem massives Mengenminus gleichkommt. Diese brandaktuellen Umsatzdaten, die einen rasanten Strukturwandel in der Branche signalisieren, meldete Gastro Data, gestützt auf sein Marktforschungstool GastroPanelR, retailreport.at.

Gegliedert nach Bundesländern, weist Salzburg mit einem  Plus von 37,5% den stärksten Anstieg bei den Zustellumsätzen der Gastro Großhändler auf. In Euro gerechnet, liegt der Zustell-Umsatz in Wien an der Spitze und hat damit Tirol als umsatzstärkstes Bundesland  überholt. Die Wachstumsrate  in Wien betrug  29,6%, das ist das dritthöchste Plus hinter Salzburg und Vorarlberg.

Im Zeitverlauf betrachtet, verlief  das erste Quartal 2023  für die Zustell-Profis im Gastro GH besonders erfolgreich. +53,3% im Jänner, + 39,3% im Februar, + 17,6% im März. Diese Wachstumsraten spiegeln die Aufholjagd der Branche nach den Umsatzeinbrüchen in den Corona-Jahren. Mit Steigerungsraten von 14,3% im Mai und 9,9% im  Juni setzte sich der Zustell-Boom im den folgenden Monaten, wenn auch abgeschwächt, fort. Ausreißer nach unten war der April, der in der Zustellung nur ein Plus von 4,5% brachte, im Abholgeschäft sogar ein Minus von 5,2% hinnehmen musste. Auch im Juni lagen die C&C-Umsätze unter dem Vorjahreswert.

Lieferservice erwünscht bei Trockensortiment, Mopro, Tiefkühlkost

Unterteilt nach Warengruppen haben die drei umsatzstärksten Sortimente ihre Zustellverkäufe massiv gesteigert. Molkereiprodukte weisen  mit + 34,5% die höchste Zuwachsrate im Zustellgeschäft auf; gefolgt von der Tiefkühlware (+24,0%) und  dem Lebensmittel-Trockensortiment  mit Basisartikeln wie Öle und Fette, Zucker, Teigwaren, etc. (+20,8%). Weiters fällt auf, dass die Zustellverkäufe von AF-Getränken um 22,7% zulegten, jene von alkoholischen Getränken nur um 10,8%. Was die Umsatzvolumina betrifft, führen TS-Lebensmittel vor Mopro und TKK das  Ranking an. Dahinter folgen mit deutlichem Abstand Frischfleisch, Obst & Gemüse und AF-Getränke.

Zustellanteil klettert auf 74%

Im Umsatzmatch zwischen Gastro-Zustellung durch die Großhändler und  Gastro-Abholung im C&C durch die Wirte gab es somit in der ersten Jahreshälfte einen klaren Sieger: Der Anteil der Zustellung im Gastro-GH kletterte auf rund 74%, analog dazu sank jener der Abholung auf  rund 26%. Gastro Data-Chef Stefan Obergantschnig: „Rund drei Viertel aller Warenflüsse vom Großhandel in die Gastronomie erfolgen bereits über die Zustellung“.

Über die Aufteilung der Marktanteile im Gastro GH entscheidet also in hohem Maße das Zustell-Geschäft. Die Marketingmix-Faktoren im Zustellgroßhandel sind anders gewichtet als im C&C-Abholgeschäft. Entscheidend im Foodservice für Restaurants und Wirtshäuser ist die Verlässlichkeit in der Logistik, sind die Beratungs- und Serviceleistungen, die Warengeschäft begleiten (nicht zu vergessen, der IT-Datenfluss) sind die betriebstypen-spezifischen Sortimente. Dazu gesellte sich in den letzten Jahren auch die Versorgungssicherheit, wenn globale Lieferketten kollabierten. Der Gastro-Zustell-GH als  360 Grad-Systempartner und Krisenbewältigungs-Coach der  Gastronomie und  der Gemeinschaftsverpfleger. Die Großküchen von Spitälern, Altersheimen, Schulen und Kasernen setzen bevorzugt auf Zustellung. Was den Preiskampf auf Lieferantenseite betrifft, dürften gerade in Zeiten extremer Teuerung zwischen Abhol- und Zustell-Business keine großen Unterschiede bestehen. Im Klartext: Dass Loyalitätprogramme ständig durch Sonderangebote der Konkurrenz sowie direkt vermarktender  Produzenten  konterkariert werden, ist business as usual in der Branche.  

Kampf um die Marktführerschaft zwischen Metro und Transgourmet

Der Kampf um die Marktführerschaft zwischen Metro und Transgourmet ist vor diesem Hintergrund an Spannung kaum zu überbieten. In welchem Ausmaß kann  C&C-Pionier Metro durch die Übernahme der im Zustellgeschäft starken AGM–Betriebe seine, im Branchenvergleich unterdurchschnittliche Zustellquote steigern und damit dem bisherigen Gastro-GH-Marktführer  und Zustell-Spezialisten Transgourmet die Marktführerschaft abluchsen? Der von AGM auf Metro umgerüstete Standort in Hartberg kann als Testfall gelten, in welchem Ausmaß die  bisherigen  AGM –Kundschaft aus der  Oststeiermark dem neuen Eigentümer die Treue hält, der versprochen hat, der Gastronomie „das Beste aus beiden Welten“ (gemeint sind  Metro und AGM)   zu bieten.   

Außerdem verbessert Metro seine speziell auf die Qualitätsgastronomie zugeschnittenen Beratungsleistungen und stellte beim diesjährigen Forum Alpbach das von Frauenhofer Austria Research entwickelte Forschungsprojekt Appetite vor, das unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz der Lebensmittelverschwendung den Kampf ansagt, und damit ein Kosten- und Öko-Image-Problem angeht, das auch im Restaurant-Betrieb eine große Rolle spielt. Die Bewegungsdaten der Warenflüsse von den Produzenten zum Handel sollen dabei zu den Wetterprognosen in Korrelation gesetzt werden, wodurch die Verderbquoten, speziell bei Obst, Gemüse und Molkereiprodukten gesenkt werden können. Wie aus der  Branche  vernommen, nehmen neben Metro auch andere  Handelsfirmen wie Spar oder die Kastner-Gruppe am Appetite-Projekt des Fraunhofer -Instituts teil.

Die  entscheidende Frage aber lautet: In welchem Ausmaß kann Metro dank der AGM-Akquisition sein Manko im Zustellgeschäft gegenüber Transgourmet ausbügeln? Und da ist dann noch die „dritte Kraft“ im österreichische Gastro-GH: Die mittelständischen Familienunternehmen, die sich durch die Bank als erprobte Zustellprofis präsentieren.  Sie bilden ein breites Spektrum, das die Eurogast-Verbundgruppe mit Gastro Alpin und Kiennast, die regional und sortimentsmäßig stark diversifizierte Kastner Gruppe (mit dem neuen Standort Wolfsberg), den 100%-Zustellspezialisten für Frisch- und TK-Ware Kröswang, und das Interservice-Urgestein Wedl (mit Standorten in den Bundesländern Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Wien) umfasst. Ihr Plus liegt in der regionalen Verwurzelung, die man mit der mittelständischen Gastronomie teilt, in der Fokussierung auf regionaltypischen  Sortimente. Und  die „Dritte Kraft“ verhindert solcherart ein wettbewerbsschädliches Duopol im  rotweißroten Gastronomie Großhandel.  

Metros Hauptmitbewerber Transgourmet kann für sich als Vorteil verbuchen, dass man schon im letzten Jahr speziell im Westen durch den Markteintritt in Tirol (Übernahme von Riedhart in Wörgl) und im Salzburger Pinzgau (neuer Betrieb in Zell am See/Maishofen) stark expandieren und damit den Jahresumsatz 2022 auf 750,7 Millionen Euro hinaufpushen konnte. Damit konnte Transgourmet laut eigener Einschätzung seinen Marktanteil im Gastro Großhandel 2022  auf 29% steigern. Dazu kommt: Die Expansionsstrategie des Unternehmens mit Hauptsitz in Traun ist langfristig angelegt. Am 19. Oktober dieses Jahres wird der neue Standort in Krems eröffnet. Der neue Großhandelsbetrieb verfügt über eine Gesamtfläche von 11.500 m2, davon entfallen 4.000m2 auf den C&C Markt, 7.500m2 auf das  Lager und  den Zustellbereich  (Kommissionierung, Auslieferungszone). Auch das Flächenverhältnis spiegelt den überragenden Stellenwert der Zustellsparte. Im Sommer 2024 folgt die Eröffnung des Transgourmet Abhol- und  Zustellmarktes in  Klagenfurt. Bei der Immobilie handelt  es sich um den ehemaligen AGM Großmarkt, den Auflagen der Wettbewerbshüter entsprechend, musste Metro diesen abgeben.

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geschrieben am

15.09.2023